Juso-Chefin Jessica Rosenthal zeigte sich optimistisch, dass bis Weihnachten eine Koalition stehen könnte. Das wäre ein sehr gutes Datum, sagte sie im ZDF-„Morgenmagazin“. Im Sondierungspapier seien nicht nur negative Dinge, sondern auch Positives enthalten wie der höhere Mindestlohn oder Festlegungen in der Gesellschaftspolitik. Sie wolle für die SPD noch weitere Dinge „nach Hause holen“.
Update vom 21. Oktober, 7.15 Uhr: Vor gefährlichen Versäumnissen hat der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, die Koalitionsverhandler der Ampel-Parteien gewarnt - vor allem im Bereich der Sozialversicherungen. Er sagte der Deutschen Presse-Agentur zum Start der Gespräche von SPD, Grünen und FDP: „Das ist ein zentrales Thema und bedauerlicherweise ist das auch die größte Enttäuschung in dem Sondierungspapier.“
Die demografische Alterung sei in dem Papier überhaupt nicht berücksichtigt worden. „Wir werden aber in der nächsten Dekade bis 2030 einen Verlust von über drei Millionen Erwerbspersonen zu verzeichnen haben. Das führt zu vollkommen anderen Belastungen bei einer gleichzeitig steigenden Anzahl von Rentnern.“ Deswegen bestehe immenser Handlungsbedarf.
„Das kann man nicht mit einer Aktienrente regeln“, sagte Hüther. „Da muss man über ganz andere Summen reden.“ Hüther sagte zudem, die SPD habe eine Vorfestlegung im Wahlkampf getroffen, das Rentenniveau zu halten. „Also muss man über andere Lösungen reden, beispielsweise über die Jahresarbeitszeit. Da läge ein Ausweg. Aber der Teil ist völlig unterbelichtet in dem Sondierungspapier.“ Auch CDU-Chef Armin Laschet übte am Mittwoch Kritik an den Renten-Plänen der Ampel*.
Update vom 21. Oktober, 6.35 Uhr: Heute Nachmittag starten die Koaltionsverhandlungen zwischen SPD, Grünen und FDP - die Grünen geben sich vorab kämpferisch. „Wir kämpfen in allen Bereichen weiter, gerade auch in der Finanzpolitik“, sagte Baerbock am Mittwochabend in den ARD-„Tagesthemen“. Dabei gehe es vor allem um die Finanzierung von Klimaschutz und Digitalisierung.
Baerbock verwies auf den in der Corona-Pandemie zutage getretenen Modernisierungsstau. „Wir müssen uns nur mal zurückerinnern, dass Faxe in Gesundheitsämtern hin- und hergeschickt wurden, dass Kinder am Digitalunterricht nicht teilhaben konnten, weil das W-Lan nicht funktioniert hat - all das wird in Zukunft sich nur ändern, wenn wir Milliarden in die Hand nehmen, und das bedeutet dann auch, dass wir in die Zukunft investieren müssen“, betonte die Grünen-Chefin.
Zum Streit um die Besetzung des Finanzministeriums sagte Baerbock, es habe in den vergangenen Tagen viele Gespräche, Telefonate und SMS gegeben. Dabei hätten sich die Parteien „gemeinsam darauf verständigt, dass wir erst einmal die inhaltlichen Leitplanken jetzt festziehen“. Erst danach würden „die ganzen Ressortfragen und die Zuständigkeiten zwischen den Parteien entsprechend“ geklärt.
Vorbericht: München - SPD, Grüne und FDP zünden die nächste Stufe auf dem Weg zur ersten Ampel-Koalition auf Bundesebene. An diesem Donnerstag und damit rund eine Woche nach Veröffentlichung des Sondierungspapiers beginnen die Koalitionsverhandlungen, um zeitnah die Regierungsarbeit aufnehmen zu können.
Der mutmaßliche künftige Kanzler Olaf Scholz betont bekanntlich immer wieder, vor Weihnachten soll es so weit sein. Dann dürfte auch er und nicht die scheidende Vorgängerin Angela Merkel die Neujahrsansprache halten.
Den Startschuss für die sicher nicht vergnügungssteuerpflichtigen Verhandlungsrunden geben auf dem Berliner Messegelände die sogenannten Hauptverhandler, bei denen es sich um sechs hochrangige Vertreter jeder Partei handelt. Sie kommen mit den Leitern der 22 Arbeitsgruppen zusammen. In den verschiedenen Teams sollen dann mit Fachpolitikern in den kommenden Wochen die Details des Koalitionsvertrags ausgehandelt werden.
Die größten Stolpersteine dürften nach den bisherigen Sondierungen noch in den finanzpolitischen Themenfeldern liegen. Auch die Besetzung des Finanzministeriums beinhaltet Streitpotenzial: Für diesen Posten haben sich bereits der FDP-Vorsitzende Christian Lindner und Grünen-Co-Chef Robert Habeck öffentlich beworben.
Druck gibt es derweil aus der eigenen Parteijugend. Jessica Rosenthal als Chefin der Jusos zeigt sich im Interview mit der Passauer Neuen Presse „frustriert“, weil mit der FDP Entlastungen für untere und mittlere Einkommensgruppen und Belastungen von „reichen oberen Prozenten“ in den Sondierungen nicht möglich gewesen seien. Zudem regt sie an, dass der Nahverkehr ausgebaut, die Ticketpreise gesenkt sowie Hartz IV mit höheren Regelsätzen und gesichertem Existenzminimum überwunden werden.
Die Grüne Jugend moniert auf Twitter: „Im bisherigen Verhandlungsstand der Ampel kommt der Klimaschutz zu kurz.“ Der Nachwuchs der Ökopartei fordert die Begrenzung der CO2-Emissionen in einem Umfang, so dass eine Erderwärmung um mehr als 1,5 Grad verhindert werde. Außerdem erwarte die Organisation einen Ausstieg aus der Nutzung von Erdgas bis spätestens 2035 und einen „konsequenten und sozialverträglichen“ Kohleausstieg bis spätestens 2030.
Die Jungen Liberalen freuen sich, dass das Sondierungspapier in Stil und Inhalt den Geist für einen politischen Aufbruch atme, betonte Juli-Chef Jens Teutrine. Er sagte auch: „Unser jungliberaler Reformhunger ist aber noch nicht gesättigt. Jetzt muss die politische Prosa und Lyrik, die teilweise im Sondierungspapier zu finden ist, ausformuliert und weitere Punkte müssen ausgehandelt werden.“
Seine Vorschläge: die Spekulationsfrist wieder einführen und die Stromsteuer auf ein europäisches Mindestmaß senken. Außerdem fordert der FDP-Nachwuchs die Legalisierung der Sterbehilfe, die Abschaffung des Abtreibungsparagrafen und eine vollständige Legalisierung von Cannabis. (mg)