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Kremlchef „hat panische Angst“: Arbeitet Geheimdienst FSB am Sturz von Putin?

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Von: Yannick Hanke

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Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine verläuft nicht nach Plan. Das könnte Präsident Wladimir Putin in die Bredouille bringen. Ist sein Sturz nahe?

Moskau – Als „militärische Spezialoperation“ hatte Russlands Präsident Wladimir Putin den Angriff seines Landes auf die Ukraine deklariert. Dies war Ende Februar 2022 – der Krieg dauert seitdem an. Als einen solchen will Putin die Invasion seines Militärs auf das osteuropäische Land aber nicht bezeichnen. Womöglich ist die Angst zu groß, als Kriegsverlierer in die Geschichte einzugehen.

Das wird auch innerhalb des Kremls registriert. Beim Inlandsgeheimdienst FSB soll die Stimmung längst gekippt sein, Wladimir Putin könnte der Sturz drohen. Doch was ist dran an der vermeintlich prekären Situation für Russlands Präsidenten?

Putschversuch und Sturz von Putin? Geheimdienst FSB möglicherweise als entscheidende Kraft

Der FSB, das ist der „Föderale Dienst für Sicherheit der Russischen Föderation“ und damit nichts anderes als der Inlandsgeheimdienst des einstigen Zaren-Reiches. Der Hauptsitz ist in Moskau. Die Aufgaben des FSB liegen vor allem im Bereich vom Staatsschutz, der Inlandsspionage und dem Grenzdienst. Und hier, in derselben Stadt, wo auch der Kreml verortet ist, halten viele den Ukraine-Krieg mittlerweile für verloren. Den von Wladimir Putin geführten Krieg, wohlgemerkt.

Russlands Präsident Wladimir Putin schaut verwundet. Im Hintergrund liegt Schnee auf Gebäuden des Kremls.
Für ihn könnte es eisig werden: Da der von Russlands Präsident Wladimir Putin geführte Ukraine-Krieg nicht nach Plan verläuft, könnte ihm der Sturz durch den Geheimdienst FSB drohen. © Gavriil Grigorov/dpa/imago/Montage

Ende Oktober 2022 war es dem ARD-Politikmagazin Kontraste und der Deutschen Welle erstmals möglich, mit einer Frau zu sprechen, die für eben jenen Inlandsgeheimdienst FSB gearbeitet hat. Marija Dmitriewa, 31 Jahre jung, ist Ärztin und hätte nach eigenen Angaben bereits seit 2016 für drei russische Sicherheitsbehörden gearbeitet, zuletzt für den FSB. Doch der Angriff auf die Ukraine hätte sie dazu veranlasst, mit dem eigenen Land zu brechen. Sie, die bis vor Kurzem noch Teil des perfiden Machtsystems von Wladimir Putin war. Was sagt sie zum möglichen Sturz von Putin durch den FSB?

Russischer Geheimdienst FSB „müde“ vom Ukraine-Krieg: Kritik an Wladimir Putin birgt Gefahren – kommt‘s zum Putin-Sturz

Noch als Ärztin beim FSB hätte Dmitriewa immer wieder unzufriedene Mitarbeiter behandelt, die den Dienst verlassen wollten und vom Ukraine-Krieg „müde“ gewesen sein. Das Problem: „Man verlässt den FSB nicht einfach so. Es ist eine sehr angesehene Arbeit, die sehr schwer zu bekommen ist. Und wenn dann drei junge Mitarbeiter innerhalb eines Monats den Dienst quittieren, spricht es dafür, dass sie nicht einverstanden sind mit dem System“. Und wer Kritik am System Putin äußert, muss mit dem Schlimmsten rechnen. Trotzdem mehren sich angeblich die Stimmen derer, die angeblich die Absicht eines Sturzes von Wladimir Putin haben.

Die Ärztin würde auch glauben, dass unter den Geheimdienstlern die latente Angst umgehe, eines Tages für die Verbrechen im russischen Angriffskrieg zur Rechenschaft gezogen zu werden, sagt sie. Die Aussagen von Marija Dmitriewa lassen sich zwar nicht unabhängig überprüfen. Doch hätte sie dem ARD-Magazin mit Dokumenten ihre Mitarbeit beim FSB und anderen russischen Sicherheitsbehörden belegt.

Sturz von Wladimir Putin: FSB hinterfragt, „wie viel man für einen Sieg in der Ukraine bezahlen“ will

Wie realistisch aber ist ein Sturz von Russlands Präsident Wladimir Putin? Dem vorausgesetzt müsste ein enormes Aufbegehren innerhalb der Bevölkerung sein. Die Einschätzung Dmitriewas hält der Politikwissenschaftler Gerhard Mangott von der Universität Innsbruck zunächst einmal für nachvollziehbar:

Aus meinen Quellen erfahre ich schon, dass es in den Führungsstäben des FSB Fragen danach gibt, wie viel man denn bereit sei, für einen Sieg in der Ukraine zu bezahlen. 

Russland-Kenner Gerhard Mangott gegenüber dem ARD-Politikmagazin Kontraste

Zudem würde auch die Zahl derer zunehmen, die befürchten, dass Russland den Krieg gegen die Ukraine auch verlieren könnte. In eine ähnliche Kerbe schlägt der russische Menschenrechtsaktivist Wladimir Osetschkin. Er ist auch Gründer von „gulagu.net“, einer Nichtregierungsorganisation (NGO), die Missstände in russischen Gefängnissen aufdeckt und hätte gute Kontakte zu Geheimdienstlern, die Wladimir Putin kritisch gegenüber stehen würden. „Wind of change“ ist das Motto, unter dem er seit Ende Februar 2022 zahlreiche Berichte eines russischen Geheimdienst-Mannes online veröffentlicht hat, die als authentisch gelten. Der „Wind des Wechsels“ könnte unter Umständen im Sturz von Putin münden.

Sturz von Putin: Ukraine-Krieg als Verhängnis? „Putins größtes Fehler als Politiker und Staatsoberhaupt“

„Den Quellen aus dem System nach zu urteilen, glauben sehr viele, dass das, was Putin am 24. Februar begonnen hat, in den Abgrund, in die Katastrophe führe, dass es Putins größter Fehler als Politiker und Staatsoberhaupt sei“, heißt es von Osetschkin im Interview mit Kontraste. Innerhalb des Systems würden dies viele gar als Verrat empfinden. Schließlich hätte das gesamte System der russischen Sicherheitsbehörden Putin innerhalb von 20 Jahren dabei geholfen, seine Macht zu festigen. Jetzt aber bestünde die Angst, dass eben jener Mann ihren Wohlstand, vor allem aber ihre Sicherheit riskiere.

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Der wachsende Unmut innerhalb Russlands und des Kremls sei laut Osetschkin auch der Grund, weshalb Putin den Tschetschenen-Führer Ramsan Kadyrow zum Generaloberst befördert habe. Er, der den Beinamen „Bluthund Putins“ trägt, gilt als sehr loyal und brutal. Und auch der Oligarch Jewgeni Prigoschin, Chef der privaten Söldner-Armee Wagner, soll an Einfluss gewonnen haben. Alles, um sich aus Sicht von Putin vor Putschversuchen und einem Sturz des Kremlchefs absichern zu können. „Putin hat panische Angst davor, deshalb schafft er eine Vielzahl verschiedener Abteilungen und Einheiten, die sich gegeneinander wenden können“, sagt Osetschkin.

Wladimir Putin umgibt sich mit rivalisierenden Parteien – um sich vor Putschversuchen und Sturz abzusichern

Dem kann Politikwissenschaftler Mangott nur beipflichten. Für ihn sei Putin jemand, „der in seiner Umgebung gerne viele Akteure hat, die untereinander im Konflikt sind, die miteinander rivalisieren“. Das würde dem Präsidenten Russlands nämlich ermöglichen, „zu gebotener Zeit eine Entscheidung zu treffen, einen Richterspruch, gewissermaßen der letzte Vermittler und Entscheider zu sein“. Problem nur: Diese Taktik Putin würde zunehmend für Spannungen im Machtapparat sorgen.

Laut Ex-FSB-Mitglied Dmitriewa hätten die Mitarbeiter in den Sicherheitsbehörden Angst davor, dass künftig „noch radikalere Kräfte“ das Zepter in der Hand hätten. Damit würde sie „Banditen wie Kaydrow“ meinen, denen man sich dann unterordnen müsste. Die große Hoffnung der Ärztin: Dass sich noch mehr Menschen aus den Sicherheitsbehörden offen gegen Putin stellen. Ihn zum Sturz bringen. Ihn, den Kreml-Kommandaten und Kriegstreiber.

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