Nach dem Winter: Warum der Ukraine-Krieg im Frühling 2023 enden könnte

Der Winter wird die Gegenoffensive im Ukraine-Krieg verlangsamen. Dennoch halten Fachleute ein Ende im Frühling 2023 für machbar. Wie realistisch ist das?
Ukraine – Seit Beginn des Ukraine-Kriegs hoffen Beteiligte auf ein baldiges Ende. Aktuelle Entwicklungen zeigen, dass der Ukraine-Krieg im Winter andere Ausmaße annehmen wird. So rechnet das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR im Zuge des Kriegswinters mit einer erneuten großen Fluchtbewegung, da die Kälte viele Bewohner aus und innerhalb der Ukraine vertreiben wird.
Doch angesichts der erfolgreichen Gegenoffensive der ukrainischen Truppen könnte sich die Situation innerhalb weniger Monate entspannen. Bis zum Frühling werde sich „vom Ukraine-Krieg ein klares Bild abzeichnen“, prophezeite der türkischer Außenminister Mevlut Cavusoglu erst kürzlich im Gespräch mit eurereporter. Sowohl eine Waffenruhe als auch Verhandlungen seien nicht auszuschließen. Doch was ist dran an den Spekulationen? Eine Analyse.
Winter verlangsamt Tempo der Gegenoffensive: Warum im Ukraine-Konflikt das Kriegsende trotzdem nahe rückt
Nach Ansicht von Militärexperten könnte der Kriegswinter Putin zumindest die Dringlichkeit von Verhandlungen im Ukraine-Krieg verdeutlichen. Besonders den russischen Truppen wird der eiskalte Winter bislang zum Nachteil. Während die ukrainischen Truppen mit ihrer Gegenoffensive große Geländegewinne verzeichnen, kämpft Russland mit Ausrüstungs- und Nachschubproblemen. Zuletzt konnten Putins Truppen wegen der Kälte iranische Angriffsdrohnen nicht einsetzen. Die Drohnen sollten ursprünglich auf die ukrainische Infrastruktur abgefeuert werden und seien aufgrund des Materials im Winter nutzlos.
Zudem fehlt es den Russen an Munition. Die Russen haben laut US-Geheimdienstkoordinatorin Avril Haines vor allem Probleme damit, neue Schusswaffen zu beschaffen „Wir sind sehr skeptisch, ob die Russen auf eine ukrainische Gegenoffensive nach dem Winter vorbereitet sind“, zitierte die BBC die Expertin. Bereits jetzt sei schon zu beobachten, dass der Winter das Kriegstempo verlangsamt, sagte Haines. Sie, wie viele weitere Experten, sind optimistisch, dass der Kriegswinter eher der Ukraine zum Vorteil gereicht.
Kriegsende bis zum Frühling – Westen und Russland auf Annäherungskurs im Ukraine-Krieg?
Doch wird es einen militärischen Sieg geben? Oder wird der Frieden über ein Angebot für einen Waffenstillstand erreicht? Zuletzt tauchten immer wieder Überlegungen für Verhandlungsgespräche mit Russland über ein baldiges Kriegsende auf. Schon vor einigen Monaten hatte der Westen die Ukraine versucht, zu Friedensgesprächen mit Putin zu bewegen. Nachdem US-Präsident Joe Biden sich zu einem Austausch mit Putin bereit erklärt hatte, soll sich Russland laut Nachrichtenagentur Reuters offen gegenüber einem Treffen gezeigt haben. Der Kreml-Chef, der wegen der Rückschläge im Ukraine-Krieg auch stets seinen Sturz fürchten muss, sei unter bestimmten Bedingungen gegenüber einer diplomatischen Lösung im Ukraine-Krieg nicht abgeneigt, hieß es.
Die Ukraine selber hat solche Gespräche bislang kategorisch ausgeschlossen. Nur wenn Russland seine Truppen vollständig zurückziehe und für die Kriegsschäden aufkomme, könne man über einen Waffenstillstand verhandeln, hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj mehr als einmal betont. Ansonsten, so der Regierungschef, werde Putin auf dem Schlachtfeld verlieren.
Dennoch wird im Hintergrund immer wieder die Möglichkeit nach Verhandlungen ausgelotet. Erst am vergangenen Wochenende machte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron einen erneuten Aufschlag. Bei einem US-Besuch tauschte sich der Staatschef mit Biden aus. Grundsätzlich, so Macron, müsse man über Verhandlungen mit Russland nachdenken, wenn man dauerhaft den Frieden in Europa wiederherstellen wolle. Eine Sicherheitsordnung ohne Russland sei nicht möglich. Die Befürworter führen jedenfalls ins Feld, dass das Zeitfenster für Verhandlungen günstig ist. Denn anders als vor wenigen Monaten würde die Ukraine nun Friedensgespräche aus einer Position der Stärke heraus führen. Dies sei ein unschätzbarer Vorteil, heißt es stets.
Warum der Ukraine-Krieg wegen des Winters im Frühling 2023 enden könnte
Bislang stehen die Chancen jedenfalls gut, dass die Ukrainer nach dem Kriegswinter den Russen überlegen sein könnte. Die Ukrainer sind im Gegensatz zu den Russen gut gegen die Kälte ausgestattet. Derweil leiden russische Soldaten bei den sinkenden Temperaturen, was sich auch auf ihre Verteidigung auswirkt. Mehrere Tausende könnten den Kältetod finden. Russland könnte die Kriegslage unterschätzt haben, was vor allem während des Winters zu weiteren Verlusten führen könnte – und die wird Putin wohl nicht in Kauf nehmen wollen. Das könnte er durch seine Gesprächsbereitschaft signalisiert haben.