Von Boden- und Worthülsen: Streit um Verdener Poller hält an

Die Gruppe der Poller-Allergiker formiert sich im Stadtrat. Aktuell gilt zumindest eine „Vollsperrung“ als wahrscheinlich.
Verden – Als es zum Showdown um die Poller in Verdens Innenstadt kam, die noch nicht vorhandenen Poller, da rumste es. Die CDU tagte anfangs der Ratssitzung noch in einem separaten Flur, der Bürgermeister saß mit bemerkenswert verfinstertem Blick an seinem Vorstandsplatz. Und als die Debatte endlich beginnen konnte, gleich das erste Scharmützel. Ratsvorsitzender Wolf Hertz-Kleptow (CDU) verwies auf den Bürgermeister, der eine Bekanntgabe zu tätigen habe.
Und er verwies auf zwei Politiker, die Wortbeiträge genau für diesen Punkt ankündigten. Daraufhin Stadtoberhaupt Lutz Brockmann: „Wortbeiträge sind zu Bekanntgaben nicht vorgesehen.“ Augenblicklich folgte die Reaktion Frank Medenwalds (CDU): „Das werden wir sehen.“Am Ende kam es zu verhärteten Standpunkten und immerhin der ersten Tendenz einer Lösung: Der Poller auf der Ostertorstraße an der Volksbank kommt tatsächlich, der Poller auf der Ecke Holzmarkt/Ostertorstraße landet zumindest vorerst in der Schublade.
Vor der Sitzung ging es für die Christdemokraten um die Dokumentation zur Fahrradstraße, die Brockmann wie berichtet angekündigt hatte. „Es hätte der Eindruck entstehen können, wir hätten vorher alles gewusst“, sagt CDU-Fraktionschef Jens Richter auf Nachfrage. Das sei eben nicht der Fall, das sei innerhalb der Fraktion zu klären gewesen, ehe die Ratssitzung begann, das sei ihm wichtig, so Richter.
Eine gute Stunde arbeitete sich der Stadtrat an regulären Punkten ab, ehe der Bürgermeister seine Sicht der Fakten zu Poller und Co auf den Tisch legte. Eine ganze Seite an Daten und Entscheidungen aus einem Zeitraum von Dezember 2020 bis Oktober 2022 förderte er zu Tage, die er vorab unter der Nummer 43/2023/5 für jene, die es wissen wollen, auf der Homepage der Stadt veröffentlichte.
Während Brockmann unterstrich, es seien nur Leerrohre und Leerhülsen verbaut, um nicht später die Straße wieder aufreißen zu müssen und um neue Sperrungen zu vermeiden, alles für 11 000 Euro installiert, und der Rat könne jetzt entscheiden, wie es weitergehe, löste vor allem ein sechszeiliger Passus Reaktionen aus. Ein Passus des Bürgermeisters folgenden Inhalts: „Während der Umbauarbeiten hat die Verwaltung am 12.07.2022 im Verwaltungsausschuss die Ratsfraktionen über die geplante Verkehrsregelung und künftige Ausschilderung informiert. Die Möglichkeit, mit dem Aufstellen von elektronischen Pollern den Radverkehr in der Ostertorstraße wirksam vor Durchgangsverkehr zu schützen, fand dort Anklang. Im genehmigten Sitzungsprotokoll ist nachzulesen. ,Ein Mitglied der CDU-Fraktion begrüßt den Vorschlag.‘ Zu dem Vorschlag gab es auch in den folgenden Wochen keine Gegenrede.“
Nachdem der Bürgermeister zu der Einsicht gelangt war, persönliche Erklärungen seien gestattet, machte vor allem CDU-Mann Medenwald aus seinem Herzen keine Mördergrube. Ja, sagte er, ja, zugestimmt habe er, aber diese Zustimmung sei völlig aus dem Zusammenhang gerissen. Wer das Protokoll jener VA-Sitzung genau lese, der stelle fest, es gehe um Kosten, die die Verwaltung ermitteln wolle, und „dem habe ich zugestimmt“, so Medenwald. Um das Ermitteln von Kosten und nicht um eine Zustimmung zum Poller-Einbau.
Allerdings reagiert nicht nur die CDU auf Poller allergisch, auch die FDP vermag sich überhaupt nicht mit solchen technischen Emporkömmlingen anzufreunden. „Nehmen wir an, ein Mitglied der CDU-Fraktion hat zugestimmt, dann bedeutet das mitnichten eine Zustimmung zu dem Gesamtprojekt“, sagte Henning Wittboldt-Müller.
Das Projekt also abgelehnt, noch ehe es beraten ist? Ebenfalls mitnichten! Die Gruppe der Poller-Allergiker kommt auf 16 von insgesamt 37 stimmberechtigten Ratsmitgliedern. Viel zu wenig, um den Ausbau zu blockieren. Allerdings geben die weiteren Wortbeiträge Hinweise auf künftige Entscheidungen, pardon: die persönlichen Erklärungen. Erstes Indiz: Wer hat sich überhaupt zu Wort gemeldet? Die Grünen, im Stadtrat immerhin sieben auf einen Streich, jedenfalls nicht. Relativ klar also, sie können dem Bürgermeister-Vorstoß einiges abgewinnen.
Bliebe die SPD mit elf Köpfen als das Zünglein an der Waage. Und tatsächlich hat sich Fraktionschef Carsten Hauschild sozusagen erklärt. Einen unveränderlichen Punkt der gesamten Problematik sprach er an. Zwar lassen die Poller-Hülsen im Boden noch jede Möglichkeit zu, sie können mit Technik gefüllt werden oder man lässt es sein, eines aber gestatten sie nicht: Sie können nicht mehr versetzt werden. Hauschild sprach die Bodenhülse am Holzmarkt an. Sie blockiere die Ausfahrt der Marienstraße, stellte er fest, und noch ehe er seine Frage genauer formuliert hatte, kam aus dem Ratssaal bereits der Hinweis, der Einbahnstraßen-Verkehr auf der Marienstraße werde umgedreht. Klartext also: Ganz durch ist der Poller am östlichen Ende der Ostertorstraße offenbar nicht. Zum Poller vor der Volksbank gab es keine Fragen...
Allerdings sind das alles nur Fingerzeige. Bis zur Entscheidung am 25. April bleiben noch gut zwei Monate Zeit. Es wäre nicht das erste Mal, würde sich alles wieder ändern.
Von Heinrich Kracke