Verdener Traditionsbetrieb sagt Tschüs: Ein Steinmetz und viel Humor

Der Verdener Steinmetzbetrieb Klutzkewitz schließt...ein neuer öffnet...und warum ein Steinmetz an der Herrlichkeit wacht...
Verden – Harald Klutzkewitz sitzt in seinem Büro, wirkt entspannt, seine Hände – was selten genug ist – ruhen. Sie sind Arbeit gewohnt, können zupacken, mal mehr, mal weniger kräftig: Steine schleppen, Hammer und Meißel schwingen, aber auch eben filigran, mit Stift und Papier. Doch nun legt der Steinmetz das Werkzeug aus der Hand. Nach über 50 Jahren ist Ruhestand angesagt, gibt der Unternehmer den Familienbetrieb ab. Ein Stück Verdener Geschichte, die zuende geht. Aber: „Alles geregelt“, freut sich der 68-Jährige auf das, was kommt. „Mehr Zeit mit der Familie, für Reisen mit dem Wohnmobil und vor allem für den Garten.“
Ein Stück Verdener Geschichte an der Eitzer Straße
Grabmale von Klutzkewitz, die Adresse an der Ecke Eitzer Straße/Burgberg gibt es gefühlt seit einer Ewigkeit. Steine, die vielleicht mal irgendwann auf dem Friedhof den Namen eines Verstorbenen tragen, mitten in der Stadt, da wo drumherum gelebt und gewohnt, sogar gefeiert wird. „Das gehört dazu“, so Harald Klutzkewitz. Da gibt er sich pragmatisch, „weil das Leben so ist“.
Sein Vater, Horst Klutzkewitz, nach dem Krieg in den 1950er-Jahren aus Sommerau in Westpreußen nach Verden gekommen, sah es ähnlich. Damals hieß der Betrieb an der Eitzer Straße noch Wilhelm Innemee. Der Handwerksmeister hatte das Unternehmen 1938 von Steinmetz Wolter übernommen.
Klutzkewitz Senior machte bei Innemee die in Westpreußen begonnene Lehre erfolgreich zuende – und blieb. Und nicht nur das. Als sein Chef sich im Jahr 1962 zur Ruhe setzte, übernahm der Vater von Harald Klutzkewitz das Ruder. „Damals war alles noch deutlich schwerer, Technik und Fahrzeuge fehlten, eigentlich musste alles per Hand erledigt werden“, erinnert sich der Junior. Nicht zuletzt deshalb habe ihm sein Vater davon abgeraten, in dessen Fußstapfen zu treten. „Ein Bürojob sollte es werden, möglicherweise beim Katasteramt“, erinnert sich Harald Klutzkewitz.
Ein Bürojob in Verden sollte es werden
Sitzen, Papier wälzen, nichts für den Jungspund, der er in den 1970er-Jahren war. Klutzkewitz Junior wollte etwas mit den Händen schaffen. „Ich habe es meinem Vater immer hoch angerechnet, dass er mich nicht in den Beruf und in seine Nachfolge gezwungen hat, aber ich war mir immer sicher, dass ich das wollte“, so Klutzkewitz. Er lacht dabei, weil die Erinnerung an die damalige Zeit noch sehr lebendig scheint – und auch die Diskussionen im Kreis der Familie.
Schöne Erinnerungen an die Verdener Zeit
Der Junior blieb seinem Beruf treu – und auch dem Betrieb. Nach Ende der Lehre folgte im Jahr 1982 die Meisterprüfung. Zehn Jahre später trat dann der Sohn in die Fußstapfen des Vaters, hielt die Fäden an der Ecke Eitzer Straße/Burgberg künftig allein in der Hand. Eine Entscheidung, die der heute 68-Jährige nie bereut hat. „Es hat mir, auch wenn es mal stressig war, immer Spaß gemacht“, sagt Klutzkewitz.
Die 1970er-, die 1980er-Jahre waren geprägt von vielen Veränderungen. „Wo früher dunkler Stein mit goldener Inschrift die Gräber prägte, wurden die Wünsche ungewöhnlicher und damit auch anspruchsvoller“, erinnert sich Klutzkewitz. Aber eben das war es, was im Alltag des Steinmetzes stets für Spannung sorgte. Egal, ob schwarz, bunt marmoriert oder weiß, ob Marmor, Granit oder Sandstein, was möglich war, wurde umgesetzt. Zum Domküster pflegte Klutzkewitz damals einen guten Draht. Eine Planskizze, ein paar Daten, dann stand der Stein wenig später auf dem Grab. „Heute ist deutlich mehr Drumherum, braucht es vier, fünf Anträge, bis es soweit ist. Das kostet schon viel Zeit und Nerven.“ Klutzkewitz schmunzelt dazu, keine Frage, die Bürokratie, soviel scheint sicher, wird er nicht vermissen.
Die Arbeit durchaus hart, auch mal schwer, wenn zugepackt, wenn Steine bewegt werden müssen, ist der Beruf zugleich ein Spagat. „In der Werkstatt, wo Maschinen laufen, es mal staubig und dreckig ist, da herrscht auch mal ein rauer Ton, wie das auf Baustellen eben ist“, so Klutzkewitz. Das Handwerk ist aber nur ein Teil des Berufes. Dann gibt es die andere Seite, die so gar nicht rau sein darf: „Gespräche mit Angehörigen, die den richtigen Stein für die Grabstelle suchen.“ Klutzkewitz hat unzählige solcher Begegnungen hinter sich: „Man muss Menschen mögen, auf sie zugehen, mit ihnen reden können“, weiß der Steinmetz. „Wir sind zwar keine Bestatter, sind erst Monate nach dem Todestag gefragt, dennoch ist bei vielen solcher Gespräche oftmals die Trauer zu spüren. Da fühlt man mit.“
Eine falsche Zahl auf dem Grabstein
Einerseits empathisch, aber zugleich professionell sein, da gilt es, die richtige Balance zu finden. Und dennoch bleibt das eine oder andere Missgeschick nicht aus. Klutzkewitz erinnert sich an einen Fall, wo eine falsche Zahl auf dem Grabstein stand. Die Angehörigen hatten Todestag und Datum der Bestattung vertauscht. Der Enkelin fiel der Irrtum auf – nach einem halben Jahr. „Wir haben es dann dabei gelassen, hätten ansonsten den gesamten Stein abschleifen und sämtliche Inschriften neu aufbringen müssen“, so Klutzkewitz.
Was mit Steinen auf einem Friedhof an eindrucksvoller Erinnerung geschaffen werden kann, auch dafür liefert Klutzkewitz ein Beispiel. Für eine muslimische Familie entwickelte er auf einem Bremer Friedhof aus unzähligen kleinen und größeren Blöcken eine Grabanlage. „Weißer Marmor, Minarette, fast schon ein kleines Mausoleum“, erzählt Klutzkewitz.
Großer Zusammenhalt im Verdener Betrieb
Zu den schönen Erinnerungen gehört, daran lässt der künftige Ruheständler keinen Zweifel, auch der Zusammenhalt im Betrieb. Steinmetz Rolf Schmidt hielt dem Unternehmen 48 Jahre die Treue, gehörte praktisch zur Familie. Als Glücksfall erwies sich Alexander Seel, seit 2005 im Betrieb. „Und Berit Kirschner sorgte seit 1992 dafür, dass die Buchhaltung fehlerlos und einwandfrei über die Bühne ging“, lobte Klutzkewitz. „Ein fabelhaftes Team.“
Die Klutzkewitz-Mannschaft geht in den Ruhestand. Der Chef selbst geht mit seiner Ehefrau auf Reisen. „Wir haben einiges vor“, lacht Annette Klutzkewitz. „Und auch die Enkel warten“, fügt sie hinzu.
Nachfolger in Verden wird Kohlschmidt aus Nienburg
Ruhig wird es auf dem Firmengelände an der Eitzer Straße nicht werden. Die Nachfolger stehen bereit. Übernehmen werden Nils Knoop und Liam Rasche. Beide sind in der Branche bekannt, führen das Unternehmen Kohlschmidt Grabmale in Nienburg. In Verden haben Knoop und Rasche bereits eine kleine Filiale in der Windmühlenstraße. Mit Harald Klutzkewitz sind die Geschäftsleute, als sie vom möglichen Verkauf erfuhren, schnell ins Gespräch gekommen: „Es hat sehr gut gepasst“, sagt Knoop. „Der Platz ist zwar begrenzt, aber eben mitten in der Stadt. Wir haben schon einige Ideen, die wir umsetzen wollen. Dazu gehört ein winterfester Ausstellungsraum.“ Das Unternehmen, der Standort an der Ecke, daran lasst das Duo keinen Zweifel, soll bleiben. „Ein Stück Tradition, auch das passt zu uns“, so Rasche. Bis zum Sommer sollen die Umbauten über die Bühne gehen, dann öffnet der Betrieb wieder. Bis dahin läuft das Geschäft über die Zweigstelle in der Windmühlenstraße, zu erreichen unter der Telefonnummer 04231/2323.

Kohlschmidt Senior als Statue an der Herrlichkeit in Verden
Ist der Name Klutzkewitz mit dem Wechsel an der Ecke Eitzer Straße/Burgberg zwar Geschichte, so gibt es doch eine Anekdote, die in humorvoller Weise die Erinnerung an das Unternehmen wachhalten dürfte. Gesorgt hat dafür in den 1970er-Jahren Senior Horst Klutzkewitz. Renoviert werden sollte damals das Haus Ecke Herrlichkeit/Große Straße in Verdens Innenstadt. Zwei Jesus-Figuren zierten ursprünglich die Fassade, eine davon kam abhanden. Steinmetz Horst Klutzkewitz erhielt seitens der Stadt den Auftrag, die Lücke zu schließen. Eine Vorlage fehlte, die Stadtväter kamen nicht in die Pötte. Klutzkewitz, ein Mann der Tat, legte los, nahm Maß und fertigte, passend zur Einfassung, eine Figur. Die Stadt segnet den Entwurf ab. Dass Klutzkewitz sich selbst Modell stand, fiel nicht auf. Nun steht der Steinmetz neben der Jesus-Figur und wacht in aller Herrlichkeit über die Stadt und das – mit Verlaub – vermutlich bis in alle Ewigkeit!