Verdens Tierheim Anlaufstelle für Katze und Co

Das Tierheim in Verden ist Anlaufstelle für Katze und Co aus dem gesamten Landkreis. Die Pflege der Zwei- und Vierbeiner ist aufwendig und kostet viel Geld.
Landkreis – Ein herrenloser Hund, angeleint auf einem Parkplatz an der Autobahn. Bewegung in einer Mülltonne, weil dort – kaum zu glauben – ein kleines Meerschweinchen mal eben entsorgt wurde. Oder ein einsames weißes Kaninchen, mitten in der Nacht auf der Straße – nein, kein Traum, Alltag im Landkreis, in diesem Fall auf der Obernstraße in Achim. Endstation der „Fundsache“ ist meistens das Tierheim in Verden. „Obwohl wir natürlich alles tun, um die Besitzer zu finden. Klappt auch in vielen Fällen, mal schneller, mal weniger, manchmal aber auch gar nicht“, sagt Heidi Seekamp, Leiterin des Tierheims in Verden-Walle. Dann müssen die Kommunen zahlen.
Von der Pro-Kopf-Pauschale zum Festpreis
Im Tierheim kennt sich Heidi Seekamp aus, ist fast mit jedem tierischen Gast per Du. Vom mächtigsten Vierbeiner, einem Kangal namens Rezzo, über die kuschelige Katze bis hin zum kleinen Sittich. Doch bei aller Tierliebe und der Arbeit, verbunden mit viel Idealismus, es gehört auch die Kunst des Haushaltens dazu. Die Kasse muss stimmen, ist die leer, droht die Insolvenz, und die Tiere sitzen schlimmstenfalls wieder auf der Straße. „Noch gar nicht solange her, da wurde mit Pauschale pro Kopf und Tier abgerechnet“, erinnert sich Seekamp. Kam eine Katze, zahlte die Gemeinde beim Einchecken, wie ein gewöhnlicher Hotelgast, einen Festpreis pro Tag. Doch was, wenn die Katze plötzlich Mutti wird, und tags darauf sechs Kitten im Nest liegen. „Dann sind wir auf den Kosten sitzengeblieben“, so Heidi Seekamp. Kastration, Sterilisation, Impfungen, Besuche vom Tierarzt, das ganze Programm. Was am Ende auf der Rechnung stand, war von der Einrichtung unmöglich zu wuppen.
Vermittlung ist erst nach einem halben Jahr erlaubt
Die Sorge ist das Tierheim los. Checkt ein Gast im Tierheim ein, wird ein halbes Jahr genau Buch geführt. Die Rechnung geht an den Absender, an die Gemeinde, wo Hund, Katze, Maus und Co ins Netz gegangen sind. „Hunde sind meist schnell wieder weg, weil registriert und damit einem Besitzer zuzuordnen“, sagt Seekamp. Teurer wird’s meist bei den Katzen, die, wenn nicht gechippt oder registriert und ohne Heimat, samt Sippe dem Tierheim und damit der Gemeinde bis zu einem halben Jahr auf der Tasche liegen können. Danach können sie – so der offizielle Dienstweg – vermittelt werden.
Mischling Fussel: Neues Zuhause für einen alten Hund
Und es gibt sie dennoch, die „Dauersitzer“. Vierbeiner Fussel, 13 Jahre alt und ewig Gast im Tierheim. „Wesensauffällig“ steht in den Papieren des Terrier-Mischlings, auch nach einem halben Jahr war der kleine Hektiker nicht vermittelbar. Als die Unterhaltspflicht der Gemeinde wegfiel, durfte Fussel trotzdem bleiben, zahlte das Tierheim. Und es wurde trainiert, bis der „Makel“ der Auffälligkeit getilgt war. Fussel hat, nach weiteren Tests, die Freigabe bekommen und ein neues Zuhause. 270 Euro Schutzgebühr gab’s dafür vom neuen Besitzer ans Tierheim. Kostendeckend ist der Beitrag allerdings nicht. „Das Minus wird aus Spenden finanziert“, so Seekamp.
Der freundliche Max wartet auf ein Happy-End
Auf ein Happy-End hingegen wartet Mischling Max. Er ist ganz dicke mit Heidi Seekamp, 13 Jahre alt, zwei davon hat er mittlerweile im Tierheim verbracht. Weniger sein Verhalten, sondern mehr sein Alter macht ihm zu schaffen. „Oldies sind halt schwer vermittelbar. Dabei ist er topfit und für jeden Spaziergang zu haben, der ideale Partner auch für ältere Paare“, wirbt Seekamp. Max bellt freundlich dazu. Keine Frage, er würde gerne mitkommen.
Ein „Ladenhüter“ ist auch Kangal Rezzo. Selbst intensivstes Training hat den Hirtenhund bislang noch nicht zur Vernunft gebracht. Den „Wesenstest“ bestehen, die Eintrittskarte in die zivilisierte Welt, das braucht Zeit und viel Training. „Auch in dem Fall bleibt das Tierheim auf den Kosten sitzen“, sagt Heidi Seekamp.
Muskelpaket Rezzo musste von einem Hof von der Kette geholt werden. Insgesamt 13 Hunde, alle mit besonderer Geschichte, führt Heidi Seekamp in ihrer Liste.
93 tipptopp gepflegte Katzen im Angebot
Deutlich mehr Pflegefälle sind es bei den Katzen. Auch, wenn deren Rundum-Versorgung manchmal weniger aufwendig erscheint, die Menge macht’s. Insgesamt 93 größere und kleinere Stubentiger warten derzeit auf Vermittlung, gesund und komplett durchgecheckt. „Tipptopp gepflegt, kastriert, geimpft, entfloht und vor allem gechippt“, weiß Heidi Seekamp. Wer fündig wird, Katze oder Kater ins Herz geschlossen hat, darf – gegen eine Schutzgebühr von 120 Euro – den neuen Freund mit nach Hause nehmen.
Blieben viele Hunde früher länger im Tierheim, war das Heim mit Katzen überfüllt, hat sich – wenn auch durchaus noch auf hohem Niveau – die Situation in den vergangenen Jahren entspannt. Heidi Seekamp hat Buch geführt: 353 Fundtiere kamen im Jahr 2019 ins Tierheim, 43 davon waren Hunde, einer blieb, weil nicht registriert. Bei den Katzen waren es im gleichen Jahr 277 Anmeldungen, 37 Vierbeiner kehrten in ihr Zuhause zurück, berichtet Seekamp. Im Jahr 2020 waren es 308, nachfolgend dann 266 und 2022 nur noch 227 Hunde und Katzen, die ins Heim kamen. „Tendenz weiter fallend“, so die Leiterin. „Der betriebene Aufwand lohnt sich, insbesondere Kastration der Katzen und deren Registrierung machen sich auf lange Sicht bezahlt“, sagt die Heimleiterin. „Die Menschen werden aufmerksamer.“
Hohe Energiekosten belasten auch das Tierheim-Budget
Geht’s den Tieren soweit gut, blickt Seekamp dennoch mit Sorge in die Zukunft. Strom, Wasser und vor allem Heizkosten sind es, die den Etat für Unterbringung und Versorgung der Tiere in die Höhe treiben. „Das wird noch eine Hausnummer“, fürchtet Seekamp die Endabrechnung. Für Entlastung sorgen bislang viele Sponsoren mit kostenlosen Futterspenden, Spielzeug für Tiere sowie Decken und Kissen. „Das hilft uns ganz besonders in der Krise“, sagt Seekamp. Und sie rechnet mit Unterstützung der Kommunen (siehe Artikel unten).
Mischling Max scheint diese Sorgen nicht zu kennen. Er drückt seine Schnauze in den Napf, schmatzt, lässt sich danach ausgiebig kraulen und grunzt zufrieden. So einfach ist das Glück.
Jährlich über 40 000 Euro für Fundtiere
Für die Kommunen im Landkreis ist das Tierheim in Verden-Walle die erste Adresse, wenn unvermittelt zur Tages- oder Nachtzeit ein herrenloses Tier auftaucht. In der Stadt Achim ist sogar ein Taxi im Einsatz. Ob Fahrt oder Unterbringung, für die Kommunen sind die Kosten zwar nur schwer zu kalkulieren – dennoch wird gezahlt. „Es gibt keine Alternative“, sagt Philipp Rohlfing, Leiter des Ordnungsamtes Verden. Und: „Die Zusammenarbeit klappt reibungslos.“
Verden: Die Stadt Verden hat kein eigenes Budget für die Unterbringung von Katze und Co., verbucht die Ausgaben im Haushalt unter „Aufwendungen für sonstige Dienstleistungen“. 95 000 Euro stehen zur Verfügung, über die Hälfte, so um die 45 000 Euro, so kalkuliert Rohlfing, dürften in 2023 für die Unterbringung von Verdens Fundtieren abgebucht werden. Vor zwei Jahren waren es auch schon mal deutlich mehr. Die Zahl der Fundtiere bewegt sich in „gewohntem“ Rahmen. 2021 waren es 68 Katzen und 14 Hunde; 2022 dann 60 Katzen und sieben Hunde.
Achim: Für die Stadt Achim liegt das Tierheim zwar nicht um die Ecke, aber es gibt das sogenannte Tiertaxi. „Wir haben einen Vertrag mit einem Anbieter geschlossen, der Fundtiere nach Dienstschluss und auch an den Wochenenden in das Tierheim bringt“, so Anja Gründel, Leiterin des Bürgerbüros. Im Jahr 2021 lieferte Achim vier Hunde und und 26 Katzen, im Jahr darauf fünf Hunde und 30 Katzen ab. Die Kosten für die Unterbringung bewegten sich zwischen 30 000 Euro (in 2020) und 25 000 Euro (in 2021/22). „Für dieses und das darauffolgende Jahr gibt es eine deutliche Aufstockung auf 35 000 Euro, angepasst an die zu erwartenden Mehrausgaben, darunter steigende Energie- und Unterbringungskosten“, so Pressesprecher Kai Purschke.
Kirchlinteln: Wie schwer die Kosten für die Fundtiere zu kalkulieren sind, erfahren vor allem die ländlichen und flächenstarken Kommunen. Ging die Gemeinde Kirchlinteln im Jahr 2020 von 25 000 Euro aus, waren es am Jahresende dann 36 500 Euro, die überwiesen werden mussten. Vorsichtig geworden, korrigierte die Verwaltung das Budget in den kommenden Jahren nach oben, auf jährlich bis zu 29 000 Euro (2022), musste aber am Jahresende nur 20 500 Euro zahlen. „Gezahlt werden muss so oder so. Ein Zahlenvergleich, der in den Jahren aus der Gemeinde Kirchlinteln im Tierheim Verden untergebrachten Fundhunde und Fundkatzen im Verhältnis zu den tatsächlichen Kosten würde hierzu kein richtiges Bild abgeben“, sagt Stephan Schulz, zuständig für das Budget. Schulz plant weiterhin vorsichtig, hat für das Jahr 2023 circa 30 000 Euro veranschlagt, auch den hohen Energiekosten geschuldet, die zu Kostensteigerungen führen könnten. Eine Chip- oder Kastrationspflicht gibt es nicht: „Die Verordnung ist nur schwer kontrollierbar“, so Schulz
Dörverden: Ähnlich das Bild in der Gemeinde Dörverden. Da liefen im Jahr 2021 die Kosten aus dem Ruder. Immerhin 30 000 Euro waren kalkuliert, dann wurden es 42 000 Euro. „49 Katzen brauchten circa 1848 Betreuungstage“, hat Thorsten Grimm, zuständig für Ordnungsangelegenheiten, den wesentlichen Posten ausgerechnet. Die fällige Rechnung für 2022 steht noch aus, kalkuliert wird mit 37 000 Euro. Außerdem macht sich die Gemeinde auf den Weg, sensibilisiert Katzenhalter dafür, ihre Vierbeiner zu kastrieren oder zu chippen. „Jeder Tag weniger in Pflege spart Kosten“, sagt Grimm.
Oyten: Vergleichsweise entspannt ist die Situation in der Gemeinde Oyten. 21 Katzen sowie ein Hund waren es 2021, im Jahr drauf dann nur fünf Katzen. „Gezahlt wird aus einem Gesamtbudget, dem Sachkonto“, so Bettina Stoick-Perl, Fachbereich Personal- und Bürgerservice. Abgebucht wurden 2021 circa 23 000 Euro, in 2022 bislang 10 000 Euro. Das vierte Quartal steht noch aus.
Langwedel: Die Pflegekosten für Fundtiere im Flecken Langwedel bewegen sich in den Jahren 2020 bis 2022 im Rahmen von bis zu circa 23 000 Euro. Auf jährlich bis zu fünf Hunde (2020), aber vor allem auf die untergebrachten Katzen (im Jahr 2020: 25 Katzen; 2021: 20) verteilen sich die Ausgaben.
Thedinghausen: Ordentlich ins Geld geht die Unterbringung der Fundtiere in Thedinghausen. Das Budget stieg von 2020 (30 000 Euro) nachfolgend jährlich um jeweils 5000 Euro. Für das Jahr 2023 sind sogar 45 000 Euro kalkuliert. Weniger die Hunde (zwei pro Jahr), sondern vielmehr die unterhaltspflichtigen Katzen (2012: 23 und 2022: 18) sind für Steigerungen verantwortlich.
Um den Zustrom an Katzen einzudämmen, haben einige Städte und Gemeinden, darunter Verden, Dörverden und Langwedel, die Kastrations- und Registrierpflicht für freilaufende Katzen eingeführt. Unabhängig davon zahlen alle Städte und Kommunen anteilmäßig einen Beitrag in den Kastrationsfonds des Tierschutzvereins ein.