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„Maskenmann“ gibt Passwörter preis

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Ein Schattenriss vor einem Computerbildschirm mit einer fiktiven Eingabemaske für ein Passwort sowie eine Phantombildzeichnung des sogenannten "Maskenmanns".
Ein Schattenriss vor einem Computerbildschirm mit einer fiktiven Eingabemaske für ein Passwort sowie eine Phantombildzeichnung des sogenannten "Maskenmanns". © Illustration / dpa

Verden/Scheeßel - Von Michael Krüger. In der Wohnung eines geständigen Kindermörders zu leben, ist wohl für viele eine seltsame Vorstellung. Der Nachmieter von Martin N. in einer Wohnung in Hamburg-Wilstorf dürfte im Herbst 2011, ein halbes Jahr nach der Festnahme des „Maskenmanns“, wohl auch ein komisches Gefühl gehabt haben, als er bei Renovierungsarbeiten in der Küche unter dem Fettfilter der Dunstabzugshaube drei Festplatten, einen USB-Stick und eine CD gefunden hat. Daten, die dem Täter gehören und auf mehr Verbrechen hinweisen?

Die Staatsanwaltschaft wehrte sich. Nein, es sei keine „Ermittlungspanne“ gewesen, hieß es vor fünf Jahren. Schließlich habe der Täter zu diesem Zeitpunkt bereits drei Morde an kleinen Jungen gestanden. Es hätte keinen Ermittlungsdruck mehr gegeben, nach noch mehr Beweisen zu suchen. Dass N. am 27. Februar 2012 im Landgericht Stade unter Feststellung der besonderen Schwere der Schuld nur zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt werden konnte, weil er geständig war, die Ermittler sich also nur auf Indizien berufen konnten, ist die eine Seite der Geschichte. Die andere ist die der verschlüsselten Festplatten.

Musik auf der CD, gefälschte Zeugnisse und andere Dokumente auf dem USB-Stick. Nichts Bewegendes. Aber die drei Festplatten waren es, die die Ermittler der Verdener „Soko Dennis“ besonders beschäftigten. Der bei seiner Verurteilung 41-jährige N., der Mathematik und Physik studiert hatte, hat diese dermaßen gut verschlüsselt, dass sie trotz der intensiven Bemühungen der Behörden niemals geknackt werden konnten. Es könnte mit heutiger Computertechnik nahezu ewig dauern, die 128-Bit-Verschlüsselung zu entschlüsseln, hieß es von IT-Fachleuten. Weder die Experten im kriminaltechnischen Institut der niedersächsischen Polizei noch hinzugezogene Informatik-Professoren konnten die Codes herausfinden. Der „Maskenmann“ selbst hielt sich bedeckt. Irgendwann, hatte er während des Prozesses ausgesagt, werde er vielleicht den Code mitteilen.

„Wir sind froh, dass wir die Passwörter haben“

Ende vergangenen Jahres hat er es getan. Warum jetzt, 25 Jahre nach dem ersten Mord an den Internatsschüler Stefan Jahr aus Scheeßel? „Dazu sagen wir nichts, wir sind aber froh, dass wir die Passwörter haben“, so Soko-Sprecher Helge Cassens. Man könne dem Täter nicht in den Kopf schauen, seine Beweggründe bleiben offen. Wohl aber kann man in das schauen, was der „Maskenmann“ verdächtig stark gesichert hat. Und das ist erstmal: „Nichts Gravierendes“, wie Cassens sagt. Das habe zumindest die „grobe Sichtung“ ergeben. Die Datenmenge sei groß, Experten der Polizei seien wohl noch mehrere Monate damit beschäftigt, ein abschließendes Urteil abgeben zu können. Dass die Polizei diesen kleinen Fortschritt in den weiter laufenden Ermittlungen erst jetzt bekannt gibt, begründet Cassens mit der Hoffnung, über die Daten Hinweise zum Beispiel auf Mittäter oder Pädophilen-Netzwerke zu erhalten.

Im Prozess gegen N., der zwischen 1992 und 2001 nachts vermummt in Schullandheime, Zeltlager und Privatwohnungen in Norddeutschland eingedrungen war, um Jungen sexuell zu missbrauchen, war bekannt geworden, dass er auch in Pädophilen-Foren aktiv war. Rund 4 500 Einträge habe N. dort von sich gelassen, „widerwärtig und obszön“, „ekliges Zeug“, hatte Kai Thomas Breas, Sprecher der Staatsanwalt, damals gesagt.

Es geht aber nicht nur um mögliche Mitwisser. Es geht auch um weitere Taten. Der „Maskenmann“ wird nämlich verdächtigt, mindestens zwei weitere Morde begangen zu haben, um seine Missbrauch-Taten zu verdecken. Die Umstände, wie der elfjährige Nicky Verstappen 1998 aus einem Zeltlager im niederländischen Brunssum und der zehnjährige Jonathan Coulom 2004 aus einem Schullandheim in Westfrankreich verschwanden, wie sie getötet und gefunden wurden: deutliche Parallelen zu den drei anderen Morden. N. jedoch wiegelt bei diesen Taten ab. Bis heute aber sind die Taten nicht aufgeklärt, sagt Soko-Sprecher Cassens. Die Daten, bislang, helfen da auch nicht weiter: „Wir haben nichts rausgelesen, was wir ihm anlasten können.“

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