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Gebeine und Kampfmittel stoppen Pläne am Verdener Dom

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Von: Markus Wienken

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Ein Platz mit Geschichte: Die Kulisse vor dem Dom bietet Raum für Veranstaltungen. Dafür wollte die Stadt das Gelände umgestalten.
Ein Platz mit Geschichte: Die Kulisse vor dem Dom bietet Raum für Veranstaltungen. Dafür wollte die Stadt das Gelände umgestalten. © wienken

Die Stadt Verden wollte das Gelände des Domplatzes umgestalten, lässt jetzt aber lieber die Finger davon. Auch die Denkmalpflege rät ab

Verden – Es schien alles auf einem guten Weg: Der Domplatz, die Freifläche an der Südseite des mächtigen Kirchenbaus, sollte gründlich und neu strukturiert werden. Versorgungsleitung, darunter Strom und Wasser, alles in die Erde. 70 000 Euro wollte die Stadt in die modernen Anlagen investieren. Doch das wird nichts. „Der Untergrund ist zu sensibel, da liegt, auch dicht unter der Oberfläche, viel Geschichte im Boden“, sagt Patrick Düsselbach vom Fachbereich Sicherheit und Ordnung. „Das Landesamt Amt für Denkmalpflege rät dringend davon ab.“

Friedhof für Dom- und Andreasgemeinde

Was da noch in der Erde liegen könnte, ist ohne großen Aufwand kaum nachzuweisen – und vielfach Spekulation. Als sicher kann gelten, dass rund um den Dom um das Jahr 800 ein Kirchhof angelegt wurde. Der damalige Sachsenkönig und spätere Kaiser Karl der Große hatte per Statut befohlen, dass seine christlichen Krieger nicht auf heidnischen Grabhügeln, sondern auf Friedhöfen ihre letzte Ruhe finden sollten. Verdens Stadthistoriker Jürgen Siemers hat dazu mehrere Beiträge verfasst, auch für die Verdener Aller-Zeitung. Siemers hatte in Erfahrung gebracht, belegt durch Quellen, dass auf dem Gelände die Mitglieder von Dom- und Andreasgemeinde beerdigt wurden. Im Jahr 1798 schloss der Kirchhof, Gebeine wurde umgebettet, Bestattungen fanden künftig auf dem Friedhof an der Eitzer Straße statt – bis heute.

Der Domplatz in den 1960er-Jahren, als Rasenflächen noch eingegrenzt waren.
Der Domplatz in den 1960er-Jahren, als Rasenflächen noch eingegrenzt waren. © Wienken, Markus

Spielen war sogar polizeilich verboten

Die wechselvolle Geschichte des Domplatzes war damit aber noch nicht vorbei. Der Platz sollte sich, wenn auch begrenzt, nach außen hin öffnen. Die Kirchhofsmauer musste weichen, auf den früheren Gräbern wuchs Rasen, in der Mitte der Anlage fanden Gebeine, gefunden bei der Domrenovierung im Jahr 1830, erneut ihre Ruhestätte. Ein Gedenkstein wies auf die Beisetzung hin. Was drauf stand, konnte der Spaziergänger allerdings nicht lesen, der Stein nicht näher besichtigt werden, denn, so hatte Historiker Jürgen Siemers recherchiert: „Das Betreten der Rasenfläche war bei Strafe verboten.“ Der Rasen sollte geschont werden. Und darauf wurde sorgsam geachtet. Die Gemeinde legte zwar Wege an, schickte aber zusätzlich noch einen sogenannten Feldhüter los, der mit Argusaugen darüber wachte, dass niemand, insbesondere Kinder, über den Rasen lief. Das änderte sich auch nicht, als im Jahr 1906 der Domplatz aus kirchlichem in städtischen Besitz wechselte. Die Stadt hielt sich streng an die damit verbundene Auflage, die Anlage zu pflegen. Gespielt werden durfte vor dem Dom nicht, es war bis Kriegsbeginn im Jahr 1939 sogar polizeilich verboten.

Parkplatz für britische Militärfahrzeuge

Das Bild rund um den Dom wandelte sich komplett, als die Stadt die Auswirkungen des Zweiten Weltkrieges zu spüren bekam. Mit den ersten Bombenangriffen wurden Splitterschutzgräben durch das Areal gezogen, brachte Historiker Siemers in Erfahrung. Nach Kriegsende, als das britische Militär nach Verden einrückte, parkten ab dem Jahr 1945 Militärfahrzeuge vor dem Dom.

Stacheldraht sollte Kinder und Kicker fernhalten

Es sollte dauern, bis wieder Gras auf dem Gelände wuchs, aber es wuchs. Und auch davon berichtete die Verdener Aller-Zeitung, zu lesen in einem Artikel im Jahr 1953. „Schönster Platz. Die Stadtgärtnerei ist seit einigen Tagen mit der Instandsetzung des Rasens auf dem Domplatz beschäftigt“, war zu lesen. Und Worte des Bedauerns gab es: „Leider ist es auch für diesen Sommer noch nicht möglich, die unschöne Einfriedung von den Grünflächen zu entfernen, da die Jugend diesen schönsten Platz unserer Heimatstadt noch nicht genügend schont.“ Um spielende Kinder oder Fußballfans fernzuhalten, zog die Stadt sogar Stacheldraht um die Rasenfläche. Als dennoch wiederholt auf dem Grün gekickt wurde, so war in der Zeitung ebenfalls zu lesen, gab’s richtig Ärger. „Die Polizei schreitet ein. Dankbar begrüßt wird es, daß sich die Stadt bemüht, dem Domplatz ein würdiges Aussehen zu geben“, war nachzulesen. Aber immer noch rollt das Leder. Gestern allerdings waren die Fußballer baß erstaunt, als der Hüter der Ordnung die Strategen zu Papier brachte“, formulierte der Kollege. Und: „Es wäre erfreulich, wenn die Polizei hier weiter strikt durchgreift.“ An der Strategie hielt die Stadt auch in den folgenden Jahren fest, als auf Wunsch der Klosterkammer zwar der Zaun rund um das Gelände abgebaut wurde, Fußball auf dem Rasen aber weiterhin unter Strafe stand.

Platz wird inzwischen für Veranstaltungen genutzt

Was sich oberirdisch auf dem Grün abspielt, da haben sich die Zeiten mittlerweile gewandelt, finden auf dem Gelände mal weniger, mal mehr Veranstaltungen statt. Fußball zwar eher weniger, auch Spielplätze gibt es an anderer Stelle, aber Domfestspiele oder Jazz- und Blues-Tage füllen den Raum mit Leben. Oberirdisch leidet zwar der Rasen, aber er erholt sich davon. Der Untergrund bleibt unberührt.

Weitere archäologische Funde würden Aufwand nach oben treiben

Und so soll es bleiben. Tief graben, Stromkästen oder Hydranten aufwendig im Untergrund versenken? Angesicht der Historie kommt das Landesamt für Denkmalpflege zu dem Schluss, die Finger von dem Grund und Boden zu lassen. Mit Blick auf den ehemaligen Friedhof, auf weitere mögliche archäologische Funde, könnte es sehr zeitaufwendig und kostenintensiv werden, so der Tenor der Expertise. Auch müsste begleitend zu den Bauarbeiten geprüft werden, ob sich aus dem Krieg noch Rückstände von Kampfmitteln in der Erde befinden. „Wir als Stadt können uns der Empfehlung nur anschließen“, sagt Bernd Neuhaus von der Unteren Denkmalschutzbehörde der Stadt Verden.

Die Pläne für die Umgestaltung des Platzes bleiben somit in der Schublade. „Wir machen da erst mal gar nichts“, bekräftigt Düsselbach.

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