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Die letzten Abstriche: Corona-Testzentrum in Thedinghausen ist Geschichte

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Von: Christian Walter

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Ziehen Bilanz nach rund 14 Monaten im Testzentrum: Sascha und Melanie Günther mit Hündin Lotti neben Samtgemeindebürgermeisterin Anke Fahrenholz.
Ziehen Bilanz nach rund 14 Monaten im Testzentrum: Sascha und Melanie Günther mit Hündin Lotti neben Samtgemeindebürgermeisterin Anke Fahrenholz. © Christian Walter

Das Corona-Testzentrum in Thedinghausen ist seit dieser Woche nach gut 14 Monaten wieder Geschichte. Es war eine prägende Zeit mit bewegenden Momenten, erinnert sich Co-Betreiber Sascha Günther.

Das Wort „Ära“ wäre vielleicht eine Nummer zu groß, aber ohne Zweifel haben Melanie und Sascha Günther die vergangenen gut 14 Monate in der Samtgemeinde entscheidend mit geprägt. In jedem Fall hat ihre Arbeit in dieser Zeit nicht nur dazu geführt, dass die beiden auf der Straße erkannt werden – ihr Privathaus an der Westerwischer Straße besuchten in Spitzenzeiten bis zu 120 Menschen am Tag, ihr Garten war zeitweise ein generationenübergreifender Treffpunkt. Die Rede ist von dem vom Ehepaar Günther aufgebauten und betriebenen Corona-Testzentrum. Seit Dezember 2021 haben sie hier jeden Tag einen entscheidenden Beitrag zur Pandemie-Bekämpfung geleistet. Am Dienstag war der vorerst letzte reguläre Betriebstag, noch einmal zu den gewohnten Öffnungszeiten von 10 bis 12 Uhr.

Dann war Schluss und die Günthers gehen nun erst mal wieder in Vollzeit ihren regulären Jobs nach – sie im Bereich Gesundheit mit Yoga und Pilates, er als systemischer Coach für Führungskräfte und Teams. Beide konnten ihre Berufe während der Corona-Hochphasen zeitweise gar nicht oder nur sehr eingeschränkt ausüben, weshalb sie überhaupt erst auf die Idee für ein eigenes Testzentrum kamen. Melanie Günther erzählt von den Anfängen: „Die Leute brauchten eh immer einen Test, um bei mir in Präsenz in die Kurse zu kommen.“ Das habe so viel Zeit in Anspruch genommen, dass sie irgendwann, halb im Scherz, gesagt habe: „Ich fühle mich hier wie im Testzentrum.“ Also warum nicht ganz umsatteln? Vorübergehend, vielleicht bis zum Frühling, habe sie gedacht. Daraus wurden mehr als 14 Monate.

Da ist schon ein bisschen Wehmut dabei, hier sind Herzensbeziehungen entstanden.

Sascha Günther

Eine prägende Zeit mit bewegenden Momenten, erinnert sich Sascha Günther. „Da ist schon ein bisschen Wehmut dabei, hier sind Herzensbeziehungen entstanden.“ Wie zum Beweis erzählt er eine Geschichte nach der anderen. Von werdenden Vätern, die in letzter Minute einen Test fürs Krankenhaus brauchten, um die Geburt ihres Kindes miterleben zu können. Von Gruppen älterer Semester, die sich im Lockdown zum Testen in Thedinghausen verabredet hatten, weil sie nur dort persönlichen Kontakt zueinander aufbauen konnten. Insgesamt habe sich neben einem Gemeinschaftsgefühl auch eine Wohlfühlatmosphäre entwickelt, trotz oder vielleicht gerade wegen des ernsten Hintergrundes. „Die Frage nach Kaffee kam oft“, wirft seine Frau Melanie ein und lacht.

Schicksalsschläge gab es auch

Aber auch traurige Momente habe es gegeben. Schicksalsschläge, ob wegen dieser oder anderer Krankheiten. „Das geht nicht spurlos an einem vorbei. Bei manchen Geschichten bekomme ich immer noch Gänsehaut, weil sie so nahe gehen“, sagt Sascha Günther im Rückblick. „Wir haben hier alle Aufs und Abs mitgenommen.“

Zu Beginn ihrer Testzeit, als es zwar bereits die Impfung gab, Covid-19 aber gleichzeitig mit immer neuen Mutationen wieder und wieder übers Land rollte, gerade im Winter, habe bei vielen eine sorgenvolle, ja ängstliche Stimmung auf ihrem Hinterhof geherrscht, erzählt der 49-Jährige, alle hätten penibel auf die Abstände zueinander geachtet. „Das war ganz andächtig, wie die Leute hierher kamen.“ Je mehr Aufklärung und Wissen es aber um das Virus gab, sei von Monat zu Monat immer weniger Sorge spürbar gewesen.

Statistisch gesehen hatten wir jede Nase zweimal hier.

Melanie Günther

Fast 30 000 Tests haben die Günthers in mehr als einem Jahr mit ihrem kleinen Team durchgeführt. Nun werden die Kosten nicht mehr vom Staat erstattet, das Angebot müsste als reines Eigenzahler-Modell weitergeführt werden. Fraglich, ob es dann noch genug Nachfrage gäbe. „Statistisch gesehen hatten wir jede Nase zweimal hier“, sagt Melanie Günther mit Blick auf die etwas mehr als 15  000 Einwohner der Samtgemeinde, aus deren Kommunen sich die Testpersonen vor allem rekrutierten. Eine Positiv-Quote von etwa einem Viertel hätten sie im Durchschnitt über die ganze Zeit gerechnet gehabt. Da wirkt es fast unglaublich, dass sie bis September selbst von Corona verschont geblieben waren, waren sie doch so gut wie jeden Tag persönlich im Testzentrum. Das spricht für die gute Wirkung ihrer Schutzmaßnahmen – anfangs hätten sie noch im Ganzkörper-Schutzanzug im Zentrum gestanden. Irgendwann erwischte es sie dann aber doch.

Lob von Samtgemeindebürgermeisterin Anke Fahrenholz

Apropos tägliche Präsenz: Ein großes Lob gab es zur Bilanz von Samtgemeindebürgermeisterin Anke Fahrenholz, die die täglichen Öffnungszeiten des Testzentrums und die Verlässlichkeit der Günthers hervorhob. „Auch an den Feiertagen, das war schon besonders“, so die Verwaltungschefin. Das war den Günthers wichtig: „Wir wollten hier nachhaltig etwas zur Verfügung stellen. Die Leute wussten: Das bekommen sie hier immer.“ Daraus habe sich ein großes Verantwortungsgefühl entwickelt. Und das manchmal auch außerhalb der regulären Öffnungszeiten: Wenn Not am Mann war und es eben gerade ging, haben sie gerne geholfen.

Eine Hilfe war das verlässliche stationäre Testangebot auch für die niedergelassenen Ärzte in der Samtgemeinde. Mit seiner Arbeit, zu der auch PCR-Tests und ein täglicher Fahrservice ins Labor nach Bremen gehörten, hat das Paar einen Gutteil des Corona-Drucks aus dem Praxisbetrieb ablassen können. „Zusammen haben wir hier ein Gesundheits-Netzwerk aufgebaut, das viele Corona-Patienten aus den Praxen rausgezogen hat“, sagt Sascha Günther.

Er bedankte sich zudem bei Anke Fahrenholz für die Unterstützung aus dem Rathaus. Denn nicht zuletzt die öffentliche Straße vor dem Haus hat unter der Test-Nachfrage gelitten, als sich Tag für Tag zig Autoreifen in den Seitenstreifen drückten. Darauf hatte die Samtgemeinde stets ein Auge und hätte den Günthers bei Beschwerden den Rücken freigehalten. Davon habe es aber kaum welche gegeben, so Fahrenholz.

Ihre „Holzkiste“, wie Sascha Günther den Sperrholzverschlag hinter dem Haus fast schon liebevoll nennt, lassen sie vorerst stehen, vielleicht bis Mai, wer weiß, was kommt. An der Westwerwischer Straße darf nun aber erst mal wieder ein bisschen Gras wachsen, so wie es über das ganze Thema Corona in den Köpfen vieler Menschen inzwischen gewachsen ist.

Von Christian Walter

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