Bürgerrat stellt Handlungsempfehlungen für zukunftstaugliches Ottersberg vor

Ottersberg – „Wie kann es gelingen, dass sich Kinder, junge Erwachsene und Ältere auch in Zukunft im Flecken Ottersberg wohlfühlen?“ Es ist ja nicht so, dass sich Politik und Verwaltung nicht mit dieser Frage befassen. „Aber was kommt heraus, wenn sich ein Bürgerrat damit beschäftigt?“ Die nicht nur von Bürgermeister Tim Willy Weber mit Spannung erwarteten Antworten gab’s am Mittwochabend.
In der gut gefüllten Schulaula stellten die Teilnehmenden des Bürgerbeteiligungsprojekts „Losland“ ihre in anderthalb Tagen erarbeiteten Handlungsempfehlungen zu sieben selbst herausgefilterten Kernthemen vor – von Gemeinschaftsentwicklung und Gemeinde-Image über Energie und Verkehr bis zum Wohnen. Gemeinderatsmitglieder und allerhand interessierte Einwohner lauschten aufmerksam.
Die Kindersicht repräsentierten anschaulich Viertklässler der Grundschule Posthausen, die sich in einer eigenen Zukunftswerkstatt Gedanken gemacht und kreative Modelle entworfen hatten – darunter ein innovatives Seniorenheim samt Bingozelt, ein Fußballstadion für den Ortsteil Bahnhof und einen Baumhauspark namens JKSP: „Jedem Kind seinen Platz“. Auch eine legale Sprühwand und ein Freibad wären Ottersbergs Wohlfühlcharakter zuträglich, meinten die Viertklässler. Mit dem Ansatz, Kinder in das Beteiligungsprojekt einzubeziehen, nehme Ottersberg unter den bundesweit zehn Modellkommunen, die am professionell konzipierten und begleiteten „Losland“-Prozess teilnehmen, eine Vorreiterrolle ein, betonte Projektsprecherin Rosa Hoppe.
Im Bürgerrat der Erwachsenen hatten sich 21 Ottersbergerinnen und Ottersberger aus allen Ortsteilen und im Alter von 16 bis 66 Jahren an einem Wochenende zusammengefunden, um Handlungsempfehlungen für die örtliche Politik zur Zukunftsfähigkeit der Gemeinde zu erarbeiten. Alle waren nach dem Zufallsprinzip aus dem Melderegister gelost worden (wir berichteten). Es entwickelten sich leidenschaftliche Debatten, wie ein Teilnehmer schilderte: „Es geht ja um den eigenen Ort und die Möglichkeit, was zu bewegen.“ Ganz viele Themen und Sichtweisen hätten sich zu einem „Wir für Ottersberg“ geformt. Für Struktur sorgten die professionellen „Losland“-Moderatoren Svenja Mix und Tom Leppert, die jetzt auch durch die Ergebnispräsentation führten.
Vertreterinnen und Vertreter der sieben Themengruppen stellten die jeweiligen Kernaussagen kurz vor. In Zeiten fehlender Lokale und Kneipen gebe es ein großes Bedürfnis nach einem Ort, an dem das Wir-Gefühl gelebt werden könne, sagte die Sprecherin der Arbeitsgruppe „Gemeinschaftsentwicklung und Ortskerngestaltung“. Die Empfehlung des Bürgerrats lautet: „Den (Markt-)Platz vor Schulzentrum und Bücherei erweitern und mehr nutzen.“ Und: „Leerstehende Gast- und Geschäftshäuser zu Gemeinschaftshäusern umnutzen.“
„Der Flecken soll klimaneutral werden“, gibt der Bürgerrat in punkto Nachhaltigkeit, Ökologie und Energie als großes Ziel aus und empfiehlt: mehr Bürgerwindräder, Förderung von Solaranlagen, Verbot von Schottergärten. In Sachen Transparenz und Kommunikation (Stichwort „gläsernes Rathaus“) schlägt der Bürgerrat einen Online-Newsletter und wöchentliche Videobotschaften vom Geschehen in Politik und Verwaltung vor, außerdem mehr Bürgerentscheide – und „die Verstetigung eines Bürgerrats“.
In Sachen Verkehr müssten Überquerungen an Hauptstraßen sicherer gestaltet und die Instandhaltung des „desolaten Radwegenetzes“ deutlich intensiviert werden, hieß es. Für die Forderung von Bahn-Verbindungen Richtung Bremen im 30-Minuten-Takt gab es Applaus im Saal. Was die Angebote für Kinder und Jugendliche angeht, so steht für den Bürgerrat im Interesse einer bestmöglichen Bildung die Verbesserung von digitaler Ausstattung und Betreuungsqualität in Schulen und Kitas an oberster Stelle. Für das Wohnen der Zukunft empfiehlt der Bürgerrat – neben bezahlbarem Wohnraum – die Schaffung von Mehrgenerationenhäusern und Flächen für Tiny Houses.
In der zweiten Hälfte des Abends hatten die Besucher Gelegenheit, mit dem Bürgerrat an den einzelnen Themenständen ins Gespräch zu kommen, vertiefende Fragen zu stellen, Anregungen beizusteuern und Ergänzungen an die Stellwände zu pinnen. Daraus entspann sich ein reger Austausch.
Im September will sich Bürgermeister Weber zufolge die Politik mit den Ergebnissen des Bürgerbeteiligungsprojekts beschäftigen und überlegen, welche Empfehlungen sie aufgreifen will.
