Otterstedter Dorfladen: Projekt zur Finanzierung ganz nah am Ziel

Otterstedt - Otterstedt ohne das Kaufhaus Bergstedt kann sich Klara Plath nicht vorstellen. Den Laden gab’s schon, als sie vor 94 Jahren zur Welt kam. Bei Bergstedts kaufte sie jahrzehntelang ein und als junges Mädchen sogar den Stoff für ihr erstes selbstgenähtes Kleid. Jetzt will Klara Plath Teilhaberin des Kaufhauses werden, das eine Bürgergemeinschaft als Dorfladen weiterbetreiben möchte, wenn Bergstedts sich zur Ruhe setzen.
Nur wenige Tausend Euro fehlen noch bis zu den benötigten 75.000 Euro Eigenkapital. Das Geld bringen viele zusammen auf: In der dafür in Otterstedt gegründeten Unternehmergesellschaft mit genossenschaftlichem Charakter haben bis heute 201 Unterstützer Anteile im Wert von mehr als 70.000 Euro gezeichnet. Klara Plath gehört zu den ältesten Teilhabern – nur Fast-Nachbarin Gesine Bahrenburg, die bald schon 95 Jahre zählt, ist noch ein paar Monate älter.
Der jüngste Teilhaber ist übrigens Klara Plaths dreijähriger Urenkel Torin, und zu den Mitinitiatoren des Dorfladen-Projekts gehört ihr Sohn Dietmar. Die Begeisterung im Hause Plath für den gemeinschaftlichen Erhalt der Einkaufsmöglichkeit mitten im Ort als ein Stück Lebensqualität für alle steht beispielhaft für den generationenübergreifenden Zusammenhalt und Einsatz, den die genossenschaftliche Idee des Dorfladens bei den Menschen im Ort entfacht hat.
Bergstedts Lebenswerk bewahren
Alteingesessene Otterstedter, junge Familien, frühere Dorfbewohner – „viele finden das Dorfladen-Projekt toll und wollen dabeisein“, berichtet Dietmar Plath als Sprachrohr der Bürgergemeinschaft. Vielen sei es auch ein Anliegen, Bergstedts Lebenswerk zu bewahren: „Das hört man überall.“ 1884 hatte Gustav Bergstedt den Laden gegründet, der immer in Familienbesitz war und seit vielen Jahrzehnten von Heino Bergstedt (84) und seiner Frau Monika geführt wird. Wenn die beiden in den Ruhestand gehen, soll das Geschäft erhalten bleiben als Einkaufsmöglichkeit und sozialer Treffpunkt – als ein Stück Dorfgemeinschaft.
Seit der Gründung im April haben 201 Gesellschafter Anteile am künftigen Dorfladen gezeichnet. Darunter auch längst Weggezogene, die aber in Otterstedt aufgewachsen und verwurzelt sind und zu deren schönsten Kindheitserinnerungen das Kaufhaus Bergstedt gehört. Die meisten Anteilszeichner kommen aus dem Dorf und umliegenden Ortschaften, aber allerhand auch aus Hamburg, Bremen, Berlin oder Bochum. Die Ortsfeuerwehr Otterstedt unterstützt das Dorfladen-Projekt genauso wie der Schützenverein, und auch die örtliche Kirchengemeinde hat einen Anteil gezeichnet.
75.000 Euro Eigenkapital für Dorfladen nötig
Mit bislang über 70.000 Euro Einlagen „sind wir nah am Ziel“, sagt Plath, „wir haben es fast geschafft.“ Aber eben nur fast: Einige Tausend Euro fehlen noch für den Kapitalstock. Gebraucht werden 75.000 Euro, um Fördermittel im Umfang von 190.000 Euro für das Projekt Dorfladen beantragen sowie Darlehen für notwendige Investitionen aufnehmen zu können. Die Kosten für Sanierung und Umbau des Ladens, Einrichtung von neuen Kühl- und Kassensystemen sowie Wareneingang werden auf 500.000 Euro geschätzt.
Die Pläne für Einrichtung, Betrieb und Sortiment des Dorfladens nehmen konkrete Gestalt an. Viel Zeit investieren der gewählte Gesellschafterrat und Mitstreiter in thematisch aufgeteilten Arbeitsgruppen in die Planung und Vorbereitung. Ehrenamtlich mit im Boot ist auch eine Architektin, und um von Erfahrungen anderer zu profitieren, besuchten die Otterstedter verschiedene Dorfläden in der Region, mit denen sie intensiv im Austausch sind. Professionell begleitet ein auf Dorfläden spezialisierter Unternehmensberater die Gründungsphase.
Vor allem regionale Produkte im Dorfladen
Die inhaltliche Ausrichtung haben die Gründungsgesellschafter vorgegeben: Im Dorfladen soll es vor allem regionale Produkte zu kaufen geben – und das so verpackungsfrei wie möglich. Neben der Stärkung der heimischen (Land-)Wirtschaft und der Vermeidung von Plastikmüll bedeutet das kurze Lieferketten, und denen kommt unter dem Klimaschutzaspekt wachsende Bedeutung zu: „300 Dorfläden dieser Art in Deutschland sparen 4000 Tonnen CO2 ein“, weiß Plath vom Dachverband der Dorfläden. Auch die Kunden, die zu Fuß und per Fahrrad zum Einkaufen kommen können, schonen Klima und Umwelt.
Im dörflichen Zusammenleben soll der Laden eine tragende Rolle spielen – durch ein integriertes Café für Klönschnack und Begegnung, Dienstleistungen, aber auch ehrenamtlichen Einsatz, bei dem es weiter gemeinsam die Ärmel hochzukrempeln gilt.
Dorfladen-Anteile bis Mitte September zu haben
Bis Mitte September besteht noch die Möglichkeit, Anteile zu zeichnen und die im Dorf gegründete genossenschaftliche Unternehmergesellschaft für einen Dorf(gemeinschafts)laden als Nachfolgemodell des Kaufhauses Bergstedt mit den erforderlichen Einlagen auszustatten. Infozettel und Zeichnungsanträge liegen dafür weiterhin im Kaufhaus Bergstedt an der Hauptstraße aus. Die Mindesteinlage für Teilhaber des Unternehmens liegt bei 250 Euro – der bisherige Schnitt bei etwa 370 Euro. Die Grenze nach oben ist offen. Über diesen Betrag hinaus entsteht den sogenannten stillen Gesellschaftern bei der gewählten Unternehmensform kein finanzielles Risiko. Abgebucht werden die Anteile erst, wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind und der Dorfladen an den Start geht.