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Ottersberg: Bürger beraten Politiker

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Von: Petra Holthusen

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Ausschuss für Kultur und Bürgerbeteiligung
Im frisch renovierten Rathaussaal fanden sich zur Sitzung am Donnerstagabend vorwiegend Verwaltung und Gäste ein, während der Großteil des Ausschusses für Kultur und Bürgerbeteiligung virtuell zugeschaltet war. © Holthusen

Ottersberg – Zukunft beginnt vor der eigenen Haustür. Wie sich Ottersberg in den nächsten Jahren und Jahrzehnten „enkeltauglich“ (im Sinne von zukunftsfähig) gestalten ließe, dazu soll ein Rat aus zufällig gelosten Bürgerinnen und Bürgern anhand einer noch zu formulierenden Leitfrage Empfehlungen für Politik und Verwaltung erarbeiten. Das ist kurz gesagt die Idee des Projekts „Losland“. Die Initiatoren bieten der Gemeinde Ottersberg als einer von bundesweit zehn Modellkommunen die professionelle Begleitung und Moderation dieses Bürgerbeteiligungspozesses an.

Eine gute Idee, so befand der für Kultur und Bürgerbeteiligung zuständige Fachausschuss des Gemeinderates in seiner Sitzung am Donnerstagabend. Die sechs Delegierten von CDU, Grünen und Freier Grüner Bürgerliste (FGBO) befürworteten die Teilnahme Ottersbergs am Projekt „Losland“; nur der SPD-Vertreter lehnte das ab.

Das Gremium tagte coronabedingt in Form einer Videokonferenz – moderiert aus dem Rathaussaal von der Ausschussvorsitzenden Erika Janzon (Grüne) und Bürgermeister Tim Willy Weber, der die Teilnahme am „Losland“-Projekt vorgeschlagen hatte. Die endgültige Entscheidung soll im März in großer Runde der Gemeinderat treffen; nach dem Ausschussvotum ist der mehrheitliche politische Wille jedoch bereits erkennbar.

„Das ist ein tolles Angebot an uns“, sagte Weber. Zumal die vor Längerem beschlossenen losbasierten Bürgerbeteiligungsverfahren zu den Themen Friedhofskultur und Wohnungsbau pandemiebedingt noch nicht hätten „angepackt“ werden können.

Nun bietet sich also „Losland“ zur Frage der Enkeltauglichkeit an. Günstiger kann die Gemeinde ihr Debüt in Sachen Bürgerrat nicht kriegen: „Losland“ als gemeinsames Projekt der Vereinigung „Mehr Demokratie“ mit Sitz in Bremen und des Potsdamer Instituts für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS) wird von der Bundeszentrale für politische Bildung finanziell gefördert. Ottersberg müsse nur für Reise- und Unterbringungskosten des Moderationsteams aufkommen – „Cashflow maximal 2000 Euro“, schätzte der Bürgermeister. Dazu kämen Arbeitsstunden im Rathaus, die jedoch vor allem seine wären, so Weber.

Rosa Hoppe („Mehr Demokratie“) und Daniel Oppold (IASS) waren virtuell zugeschaltet und stellten der Politikerrunde „Losland“ vor. Sechs Modellkommunen in Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Bayern seien schon an Bord – Ottersberg solle als Nr. 7 den Norden repräsentieren, sagte Hoppe. Vorbild des konzipierten Beteiligungsverfahrens seien Bürgerräte: Die gebe es seit der Antike und heute auf allen Ebenen – bis hin zur Weltklimakonferenz. Ziel sei die Beratung von Politik und Verwaltung aus Bürgerperspektive – „als Ein- und Anbindung an die repräsentative Demokratie“. Sich als politische Entscheidungsträger gezielt der Expertise von Bürgerräten zu bedienen, sei sogar im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung verankert.

Im Projekt „Losland“ heißt das Beratungsgremium der per Zufallsprinzip ausgewählten Bürgerinnen und Bürger Zukunftsrat. Bevor der in Aktion tritt, muss der Gemeinderat klären, wen er wie und woran genau beteiligen will – wie also die präzise Fragestellung zur Enkeltauglichkeit (Zukunftsfähigkeit) Ottersbergs lauten soll. Anhand der Leitfrage entwickelt der Zukunftsrat Empfehlungen, die er im nächsten Schritt einem Zukunftsforum präsentiert, in dem alle Interessierten mitdiskutieren können. Die Ergebnisse des Beteiligungsprozesses werden dem Kommunalparlament übergeben, das in einem Workshop über die Umsetzung der Empfehlungen berät.

Im besten Fall stehen am Ende des von „Losland“ professionell geplanten, moderierten und begleiteten Verfahrens „Handlungsmöglichkeiten für eine enkeltaugliche Zukunft und die Mitgestaltung kommunaler Politik durch die Bevölkerung“, fasste Rosa Hoppe zusammen. Der Prozess soll in diesem Jahr über die Bühne gehen.

„Grundsätzlich sinnvoll“ fand Uwe Dammann (FGBO) das Projekt und spiegelte damit den allgemeinen Tenor des Ratsfachausschusses.

„Nicht sinnhaftig“ fand die Sache einzig Hans-Jörg Wilkens (SPD). Er unterstellte dem Bürgermeister als ehemaligem Geschäftsführer von „Mehr Demokratie“, nur dem „Losland“-Projekt „unter die Arme greifen“ zu wollen. Ansonsten habe sich Weber zuletzt in Sachen Bürgerbeteiligung ja „nicht hervorgetan“, sagte Wilkens bissig.

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