Inga Wilkens zeigt Bildteppiche aus Fischerhude und Fès

Fischerhude – Als Inga Wilkens 2019 die Skizzen für ihre Ausstellung im Giebel von Buthmanns Hof erstmals zu Papier brachte, dachte sie noch gar nicht daran, dass daraus eines Tages Bildteppiche entstehen könnten. „Die Idee mit den Teppichen kam mir erst etwas später, während meiner Schwangerschaft“, sagt die Fischerhuderin. Irgendwie wollte sie die flüchtig entstandenen Motive in eine dauerhafte Form bringen. Die selbst entworfenen und von marokkanischen Kunsthandwerkerinnen geknüpften Wandteppiche sind jetzt in einer Ausstellung im Giebel für zeitgenössische Kunst beim Fischerhuder Kunstverein in Buthmanns Hof noch bis Ende April zu sehen.
„Zuerst wollte ich das selbst machen. Denn Dinge mit den Händen herzustellen, das ist meins“, sagt Wilkens, die in ihrer Ausbildung als Ergotherapeutin grundlegende Handarbeitstechniken erlernt hat. Doch mitten in der Pandemie und einer noch jungen Mutterschaft waren es nicht gerade ideale Bedingungen, um sich das entsprechende Know-how draufzuschaffen. Ihr Ehemann, der als Filmregisseur auch internationale Kontakte pflegt, ermunterte sie, sich nach Kooperationspartnern umzusehen. „Ich wollte dabei nicht die Arbeitskraft anderer ausnutzen“, betont Wilkens. Denn viele Teppiche entstünden unter menschenverachtenden Arbeitsbedingungen.
Erst nach langer Recherche stieß sie auf die Kunsthandwerkerinnen der Gruppe „Anou“ aus dem Atlas-Gebirge in Marokko, die traditionelle Berberteppiche knüpfen. „Macht ihr auch Kunst?“, fragte sie. Darauf reagierten die Frauen überrascht, aber offen. Laut Wilkens arbeitet die Gruppe, die insgesamt aus etwa 600 Personen (überwiegend Frauen und einigen Männern) besteht, als Kollektiv freiberuflich und selbstbestimmt. „Sie gucken auch, dass ihnen selbst gefällt, was sie knüpfen“, betont die 34-jährige Hobbykünstlerin. „Und ich finde es spannend, dass meine Kunst so neu interpretiert wird.“ Wilkens beteiligt ihre Kooperationspartnerinnen zu 100 Prozent am Gewinn. Zunächst ging sie für Wolle, Farbe und Arbeitsstunden in Vorkasse. Die Kunsthandwerkerinnen mit Basis in der Stadt Fes arbeiten nur mit natürlichen Materialien. Die Wolle werde vor Ort geschoren, in einer Fabrik zu Garn gesponnen und von den Frauen selbst mit natürlichen Farben gefärbt.
Aufgrund von Corona lief der Kontakt mit den marokkanischen Geschäftspartnern ausschließlich per E-Mail, was Wilkens sehr bedauert: „Ich hätte gerne auch von den Teppichknüpferinnen gelernt.“ Als sie das erste Paket mit dem Testteppich auspackte, war sie „überwältigt, wie sie das umgesetzt haben“. Auch ein abstraktes Bild, das aus Pinselklecksen entstanden ist, haben sie in der Knotentechnik auf den Teppich gebracht.

Für die fünf Bildteppiche, die innerhalb von zwei Jahren entstanden sind, arbeitete Wilkens mit unterschiedlichen Gruppen aus dem Kollektiv zusammen – Anfängerinnen und Erfahrenen. Wer sich die Teppiche im Giebel genau anschaut, kann Unterschiede im Stil erkennen. Die Wollfasern sind lang oder kurz, die Fransen lose oder geflochten. „Ich mag auch die kleinen Unebenheiten. Sie zeigen, dass sie mit der Hand geknüpft sind“, sagt sie.
Als Barbara von Monkiewitsch vom Kunstverein Fischerhude ihr vorschlug, dass sie die Teppiche in ihrem Heimatdorf zeigen könne, zögerte Inga Wilkens nicht. „Ich bin ein Fan der Künstler aus Fischerhude, vor allem Paula Modersohn-Becker“, bekennt sie. Für Inga Wilkens ist die Kooperation auch ein Signal für Solidarität unter Frauen. „Frauen standen leider lange hintendran in der Kunst“, findet sie. Die Ausstellung über die Breling-Töchter sei ein gutes Beispiel dafür, dass sich dies nun langsam ändere.
Zugleich sei die Ausstellung im Künstlerdorf ein Abschluss: Wilkens, die zurzeit in Fischerhude wohnt, will im Mai mit ihrer Familie nach Mallorca ziehen, sich dort als Yogatherapeutin selbstständig machen und weiter künstlerisch tätig sein. Auch die Kooperation mit den Teppichknüpferinnen will sie fortführen und hoffentlich auch mal nach Marokko fahren. Auf Fotos von der Ausstellung, die sie den Kunsthandwerkerinnen geschickt hat, reagierten sie sehr erfreut. „Und sie setzen mehr und mehr auch eigene künstlerische Ideen um.“
1987 in Thedinghausen geboren, wuchs Inga Wilkens in Fischerhude auf. Mit 17 brach sie die Schule ab, um ihren Berufswunsch Schauspielerin zu verfolgen. Nach ihrem Schauspielstudium an der Theaterakademie in Köln stellte sie fest, dass es doch nicht der ersehnte Traumberuf war. Während einer kurzen Zeit in Berlin nahm sie dennoch einige TV-Rollen an, begann dann aber eine Ergotherapie-Ausbildung in Hamburg. Als Ergotherapeutin hat sie unter anderem mit Psychiatriepatienten, Kindern und alten Menschen gearbeitet. Die Kunst hat sie dabei stets begleitet und ist ihr heute wichtiger denn je: „Angesichts von Problemen wie Corona, Krieg und Klimawandel ist es umso besser, dass es die Kunst gibt.“