224 Einwohner ziehen das große Los

Ottersberg – 224 Einwohnerinnen und Einwohner erhalten diese Woche Post aus dem Ottersberger Rathaus. Sie werden eingeladen, für anderthalb Tage als Bürgerrat zusammenzukommen und Handlungsempfehlungen für die Politik vor Ort zu erarbeiten. Die konkrete Fragestellung lautet: „Jung und Alt in Ottersberg. Wie kann es gelingen, dass sich Kinder, junge Erwachsene und ältere Menschen auch in Zukunft in Ottersberg wohlfühlen?“
Die 224 Bürger wurden per Zufallsgenerator aus dem Melderegister ermittelt. „Gelost wurde in vier Altersgruppen: 16 bis 30, 31 bis 45, 46 bis 60 und ab 61 Jahre. Aus jeder Altersgruppe wurden jeweils 28 Frauen und 28 Männer angeschrieben“, erklärt Bürgermeister Tim Willy Weber zum Losverfahren. Erfahrungswerte lassen eine Rücklaufquote von 7,5 bis 10 Prozent erwarten. Weber rechnet damit, dass sich am Ende 18 bis 20 Menschen zu dem Bürgerrat zusammenfinden, der in einem professionell moderierten Workshop am 17. und 18. Juni Ideen für ein zukunftstaugliches Ottersberg entwickeln soll.
Mit dem losbasierten Bürgerbeteiligungsverfahren ist Ottersberg Teil des Projekts „Losland“. Dieses ermöglicht bundesweit zehn Modellkommunen „passgenaue und wirkungsvolle Beteiligungsprozesse“, so Sprecher Daniel Oppold bei der virtuellen Präsentation im Rathaus. Damit sollen Erfahrungen gesammelt werden, um „die Rahmenbedingungen für kommunale Bürgerbeteiligung zu verbessern“. „Losland“ ist ein Kooperationsprojekt des Vereins „Mehr Demokratie“ aus Bremen und des Potsdamer Instituts für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS) und wird von der Bundeszentrale für politische Bildung finanziert. Der Flecken zahlt nur Sach-/Reisekosten, laut Weber etwa 2000 Euro.
Als professionelle Moderatoren von „Losland“ begleiten Tom Leppert und Svenja Mix den Bürgerrat und den gesamten Prozess. Im März hatte der Gemeinderat die Ottersberger „Losland“-Teilnahme befürwortet und für die Vorbereitung eine Steuerungsgruppe eingesetzt, der neben Bürgermeister Tim Willy Weber die Ratsmitglieder Annegret Reysen (SPD), Erika Janzon (Grüne), Niklas Brunkhorst (CDU) und Stefan Bachmann (FGBO) angehören. Die Steuerungsgruppe formulierte auch die Leitfrage für den Bürgerrat, die den demografischen Wandel in den Fokus nimmt.
Seine am 17./18. Juni erarbeiteten Handlungsempfehlungen für ein enkeltaugliches Ottersberg stellt der Bürgerrat am 29. Juni in einem öffentlichen Zukunftsforum vor. Auch die Kinder kommen übrigens zur Wort: Am 15. Juni gibt es eine eigene Zukunftswerkstatt mit Viertklässlern. Für September ist abschließend ein Workshop mit Politikbeteiligung geplant, um über die Umsetzung der Bürger-Empfehlungen zu beratschlagen.
Der Bürgerrat sei „eine tolle Gelegenheit, mal inhaltlich mitzuwirken und nicht nur alle paar Jahre sein Kreuzchen bei Wahlen zu machen“, sagt Nachhaltigkeitsforscher Oppold. Selbst wirksam zu sein in demokratischen Prozessen, gehört zu werden und mitzureden – dieses Erleben erhöhe nachweislich die Motivation von Menschen, sich für ihren Ort einzubringen.