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Wenn der Postmann keinmal klingelt: 70 Beschäftigte legen Arbeit nieder

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Von: Dennis Bartz

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Männer und Frauen, zum Teil in Post-Uniform, stehen vor einem Pavillon, einige halten ein Verdi-Banner hoch.
Etwa 70 Beschäftigte der Post legen Anfang der Woche ihre Arbeit nieder. Sie fordern 15 Prozent mehr Lohn. © Bartz

Beschäftigte der Post streiken für mehr Gehalt. Rund 70 Paket- und Postzusteller versammeln sich vor dem Verteilzentrum in Langwedel. Viele Briefkästen bleiben deshalb leer.

Langwedel/Landkreis – Ein Autofahrer hupt im Vorbeifahren und streckt den Daumen nach oben. Über diesen und weiteren Zuspruch freuten sich die rund 70 Paket- und Postzusteller, die am frühen Montagmorgen bei Temperaturen um den Gefrierpunkt vor dem Verteilzentrum in Langwedel ausharrten.

Die Gewerkschaft Verdi hatte zum Warnstreik aufgerufen, und aus allen Teilen des Landkreises waren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gekommen, um gemeinsam für mehr Lohn zu kämpfen. „Wir wollen vor der dritten Verhandlungsrunde am Mittwoch und Donnerstag ein Zeichen setzen. Der Postvorstand soll sehen: Wir sind hier und wir sind präsent. Wir haben uns für einen zentralen Platz entschieden, damit wir auch von der Öffentlichkeit wahrgenommen werden. An etwa 20 weiteren Standorten in Deutschland wird heute gestreikt“, berichtete Verdi-Vertreter Timo Wunram.

Die Gewerkschaft fordert für die Beschäftigten 15 Prozent mehr Gehalt, außerdem 200 Euro mehr für Auszubildende. Wunram dazu: „Unsere Forderungen sind berechtigt, denn im vergangenen Jahr betrug die Inflationsrate acht Prozent – die Prognose für dieses Jahr liegt bei weiteren sieben Prozent. Wir erwarten seitens der Post ein vernünftiges Angebot. Die Mitarbeiter haben mehr verdient und sollten das deutlich im Portemonnaie spüren.“

Die Beschäftigen sollten nach Ansicht der Gewerkschaft Verdi am profitablen Geschäft der Post beteiligt werden. „Der Konzern hat schließlich 8,3 Milliarden Euro Gewinn verbucht“, erklärt Verdi-Sprecher Wunram.

Bisher verdient ein großer Teil der Mitarbeiter in den Post- und Paketzentren sowie Zusteller nach Verdi-Angaben zwischen 2 000 bis 2 400 Euro brutto pro Monat. „Das reicht aber längst nicht mehr aus, um damit eine Familie zu ernähren. Die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander. Wir wollen keine amerikanischen Verhältnisse, in denen die Zusteller einen Zweit- und Drittjob brauchen, um über die Runde zu kommen“, kritisiert Wunram. Die Situation spiegele sich auch deutlich im zunehmend großen Arbeitskräftemangel wider.

Während vor wenigen Jahren noch die Bewerber darauf hoffen mussten, eine der wenigen freien Stellen zu bekommen, könne die Post nun froh sein, wenn sich überhaupt jemand darum bewirbt.

Die Post habe zwar zu Beginn der Pandemie noch davon partizipiert, dass die Gastronomie lahmgelegt war und sich ein Teil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter deshalb neue Jobs gesucht haben – aber nun spitze sich die Situation wieder zu.

Es mangele zunehmend auch an Nachwuchskräften, was nach Ansicht des Jugend- und Ausbildungsvertreters Furkan Aydinöz eine Gehaltsfrage ist. Denn nur etwa 930 Euro pro Monat erhalten die Auszubildenden zum Kaufmann für Kurier-, Express- und Postdienstleistungen, also die künftigen Zusteller, im ersten Lehrjahr. Mit 200 Euro mehr, so glaubt er, werden sich wieder mehr junge Menschen für eine Karriere bei der Post entscheiden. „Passiert das nicht, sehe ich die Zukunft des Unternehmens in Gefahr“, warnt Aydinöz.

Die Stimmung der bundesweit etwa 160 000 Beschäftigten sei zunehmend angespannt, hat Timo Wunram festgestellt. Das zeige sich auch darin, wie viele von ihnen den Warnstreik unterstützen. „Zahlreiche Mitarbeiter haben uns angeschrieben und wollten wissen, wann endlich gestreikt wird. Wir spüren eine große Rückendeckung der Kolleginnen und Kollegen“, freut sich Furkan Aydinöz. Das gelte genauso für die Bevölkerung, ergänzt Timo Wunram: „Die meisten Menschen kennen ihren Zusteller noch persönlich und haben Verständnis für seine Situation.“

Der Job habe sich stark gewandelt und sei nicht mehr mit der Situation in den 1980er-Jahren zu vergleichen: „Heute wird Zustellerinnen und Zustellern immer mehr abverlangt, und sie haben kaum noch Zeit für den einen oder anderen Schnack zwischendurch.“

Außerdem habe die Anzahl an Päckchen und Paketen stark zugenommen: „Es ist heute ein knallharter körperlicher Job, der den Kolleginnen und Kollegen alles abverlangt. Bei Wind und Wetter sind sie draußen unterwegs.“

Die beiden Verdi-Vertreter hoffen darauf, dass es bereits in dieser Woche ein Angebot der Post geben wird, über das dann abgestimmt werden kann. Der mögliche Abschluss sei dann wegweisend für die Verhandlungen im öffentlichen Dienst, die bald starten. „Die Öffentlichkeit schaut mit Argusaugen darauf, was hier passiert“, ist sich Timo Wunram sicher.

Der bundesweite Warnstreik wird Dienstag mit großen Kundgebungen unter anderem in Hannover, Hamburg und Osnabrück fortgesetzt – auch im Landkreis Verden soll noch einmal gestreikt werden. Für viele Menschen bedeutet das, dass ihr Briefkasten ein weiteres Mal leer bleibt. „Viele Menschen in der Region bekommen also zwei Tage lang keine Rechnungen und Mahnungen – aber leider auch keine Liebesbriefe“, sagt Verdi-Vertreter Timo Wunram.

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