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Brunsbrocker Abend mit dem ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff

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Von: Henning Leeske

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Im Lintler Krug begrüßten Bürgermeister Arne Jacobs (v.l.), Pfarrer Dieter Garlich und Ratsvorsitzender Wilhelm Hogrefe Bundespräsident a.D. Christian Wulff.
Im Lintler Krug begrüßten Bürgermeister Arne Jacobs (v.l.), Pfarrer Dieter Garlich und Ratsvorsitzender Wilhelm Hogrefe Bundespräsident a.D. Christian Wulff. © Leeske

Der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff legt viel Wert auf die persönliche Begegnung, was er mit seinem Vortrag am „Brunsbrocker Abend“ der SELK unter Beweis stellte. Die Selbständige Evangelisch- Lutherische Kirche Brunsbrock (SELK) hatte Wulff zum Thema „Hass und Liebe, Gedanken zur Demokratie“ gewinnen können.

Kirchlinteln – Pfarrer Dieter Garlich und Kirchenvorstand Ingrid Müller begrüßten den Niedersachsen vor vollen Rängen im Lintler Krug. Gleich zu Beginn lobte er das Konzept des Lintler Kruges, wo eben die persönliche Begegnung im Mittelpunkt stehe. Schließlich stünde der Lintler Krug allen Vereinen und Verbänden der Gemeinde offen, so der gut informierte Bundespräsident a.D., der sich als passionierter Leser dieser Zeitung outete. Als Präsident des Deutschen Chorverbands war er auch im Bilde über die Aktivitäten des Chores im Lintler Krug.

Der große persönliche Einsatz der vielen Ehrenamtler sei eine wichtige Basis für eine liebenswerte Heimat und folglich für eine standhafte Demokratie. „Die meisten sagen: in Deutschland funktioniert alles relativ gut“, blickte er auf seine vielen Auslandskontakte und Reisen zurück. So ortete er den Dezentralismus als einen Erfolgsgaranten im Vergleich mit zentralisierten Staaten, wie Frankreich und der Türkei. Der Föderalismus mit dem Wettbewerb unter den Bundesländern bis hin zur kommunalen Selbstverwaltung sei ein großes Plus für Deutschland. „Das eigenverantwortliche bürgerliche Engagement ist durch nichts zu ersetzen“, sagte er. In einem kurzen historischen Rückblick zeichnete er die schweren Schritte bis hin zur etablierten Demokratie auf. „In Krisenzeiten riskieren die Menschen die Demontage der Demokratie“, zog Wulff den Bogen zur aktuellen Situation.

Die lange Friedenszeit für Deutschland und seine Nachbarn, die seit 78 Jahren anhalte, sei eine riesige zivilisatorische Leistung und eben nicht Gott gegeben, was ein tägliches Ringen erfordere. Die aktuellen Kämpfe in der Ukraine würden zeigen, dass manche Menschen dies absolut nicht verstanden hätten und deswegen tausendfaches sinnloses Sterben in Europa geschehe. „Die Europäische Union ist unser Glücksfall angesichts der blutigen Geschichte“, so Wulff.

Der gebürtige Osnabrücker kam dann zum Kern der demokratischen Gesellschaft in dem Land, dessen höchster Repräsentant er für 598 Tage war. So sei der Zusammenhalt der Gesellschaft die wichtigste Aufgabe für alle gewählten Politiker.

Heute sei das Stimmungsbild ganz anders als früher, als es dem Land viel schlechter ging. „Die Lage ist grundsätzlich gut, aber die Stimmung schlecht.“ Das bedrücke ihn, weil der Lebensstandard heute so hoch wie noch nie in Deutschland sei. Daher sei die Entfremdung von der Demokratie die größte Gefahr für die Demokratie selbst. „Die Demokratie klingelt nicht, wenn sie geht, sie ist einfach weg“, warnte er. Die massiv sinkende Mitgliederzahl der demokratischen Parteien sei ein Alarmzeichen. „Die Lage ist ernst“, sagte er. So glaubten ein Drittel der Deutschen, dass sie in einer Scheindemokratie leben würden. Umso wichtiger sei es, sich aktiv an der Demokratie zu beteiligen und nicht nur von außerhalb zu kritisieren. „Man darf Politik nicht so behandeln wie im Weserstadion. Die Tore können nur auf dem Feld erzielt werden, auch wenn auf der Tribüne alle wissen, wie sie es besser machen würden.“  

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