Tempo 30 an der Uphuser Heerstraße: Offene Fragen rund um den Lärmschutz

Das Zustandekommen der Tempo-30-Zone auf der Uphuser Heerstraße zwischen A1 und Thalenhorststraße im Jahr 2016 hat bei einer Leserin für Fragen gesorgt, die hier beantwortet werden sollen.
Im Nachgang des Artikels „Maximalforderung? – Nein, danke“ vom 20. Januar, in dem es um die in Achim politisch nicht gewollte flächendeckende Einführung von Tempo 30 als Höchstgeschwindigkeit auf Hauptstraßen ging, sind bei einer Leserin einerseits Fragen offen geblieben, andererseits hat der Text bei ihr für eine Irritation bezüglich eines dazu befragten Ratsmitglieds gesorgt, die sie gegenüber der Redaktion schriftlich vorgebracht hat.
Interessant, wie widersprüchlich alles in der Politik sein kann.
Konkret geht es der Leserin, die es vorzieht, nicht namentlich genannt zu werden, um die Uphuser Heerstraße, auf der zwischen der A1-Anschlussstelle und der Kreuzung mit der Thalenhorststraße aus Gründen des Lärmschutzes seit Sommer 2016 Tempo 30 gilt. Sie schreibt, sie finde es „interessant, wie widersprüchlich alles in der Politik sein kann“. Tempo 30 ist nach den Worten der Leserin „demnach auf Landesstraßen nicht von der Stadt Achim umsetzbar, da es nicht in ihre Zuständigkeit fällt. Es sei denn, die Stadt beschließt, dass es aus Lärmschutzgründen sein muss, dann scheint es rechtlich machbar. Da tut sich gleich die Frage auf, nach welchen Kriterien kann diese Lärmschutzmaßnahme von der Stadt beschlossen werden?“
Stadt Achim für Landesstraßen nicht zuständig
Zunächst zur Frage der Zuständigkeit: Dem Artikel vom 20. Januar war zu entnehmen, dass die Stadt Achim nicht in Eigenregie auf ihren Hauptstraßen eine Geschwindigkeitsreduzierung dort einführen kann, wo die städtische Politik und Verwaltung es für richtig und notwendig erachten, weil es sich bei diesen Straßen, zu denen auch die Uphuser Heerstraße mit der entsprechenden Bezeichnung „L 158“ gehört, um Landesstraßen handelt. Zuständig für diese ist die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr mit ihrem Geschäftsbereich Verden. Tempo 30 geht dort nur unter bestimmten Voraussetzungen – wie dem Schutz bestimmter Einrichtungen wie etwa Kindergärten, oder eben Lärmschutzgründen – und nur mit Zustimmung dieser Behörde, dem sogenannten Straßenbaulastträger. Auch im Falle der Uphuser Heerstraße hat die Stadt nicht eigenmächtig gehandelt, dies ist rechtlich nicht möglich.
Der Anstoß für solche Beschränkungen könne „grundsätzlich von Einwohnern, politischen Vertretern oder der Stadtverwaltung kommen“, teilt letztere auf Anfrage der Redaktion mit. In diesem Fall kam die Tempo-Begrenzung auf Initiative von Anwohnern zustande, die sich mit diesem Anliegen und einer Unterschriftenliste an die Achimer Verwaltung und die Politik gewandt hatten. Diese hatten die Situation daraufhin analysiert – dazu gleich mehr – und Stellungnahmen der Landesbehörde als Straßenbaulastträger sowie der Polizei eingeholt. Das Ergebnis war von dortiger Seite die Befürwortung der Einführung von Tempo 30. Nach Inkenntnissetzung der Mitglieder des zuständigen Fachausschusses forderte die Stadtverwaltung anschließend den Straßenbaulastträger mit Sitz in Verden auf, die Tempo-30-Schilder in Achim aufzustellen. Die Stadt hat die Einführung also nicht „beschlossen“, sondern die Situation zunächst untersucht, dann die zuständige Stelle nach ihrer Sicht gefragt und, sofern diese die Voraussetzungen als gegeben ansehen würde, was der Fall gewesen ist, um die Verringerung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gebeten.
Zu den Kriterien für die Einführung: Die Situation auf und um die Uphuser Heerstraße herum wurde 2015 und 2016 sehr genau untersucht. Bereits im Dezember 2015 führte ein Planungsbüro im Auftrag der Stadt Achim ein Lärmgutachten durch. Dafür wurde an sieben Messstellen rund um die Uphuser Heerstraße und die A1-Auf- und Abfahrt sowie auf dem angrenzenden Bereich der Landesstraße in Richtung Achim und auf der Thalenhorststraße die Verkehrsmenge gemessen, um diese in die entsprechende Lärmbelastung umzurechnen. So konnten zudem die Abschnitte verglichen und die Verkehrsströme aufgezeigt werden: „Die höchste Belastung wurde mit rund 20 450 Kraftfahrzeugen in 24 Stunden im Zuge der Uphuser Heerstraße im Abschnitt zwischen A1 und der Thalenhorststraße ermittelt“, heißt es im Gutachten, anschaulich bebildert mit einer entsprechenden Karte. Also an genau dem Abschnitt, auf dem später dann Tempo 30 eingeführt worden ist.
Eine der meistbelasteten Straßen Achims
Die L 158 in dem Bereich in Uphusen ist, wie aus dem Lärmaktionsplan der Stadt Achim in seiner aktuellsten Form – der Stufe 3 von April 2020 – hervorgeht, eine der meistbefahrenen Straßen im Stadtgebiet mit dem mit Abstand höchsten Schwerverkehrsanteil (Lastwagen und Busse) – abgesehen natürlich von den Autobahnen. Im Lärmaktionsplan wird darauf hingewiesen, dass ein Lkw bei Tempo 50 so viel Lärm verursacht wie 23 Pkw. Der Stadtteil Uphusen verzeichnete darüber hinaus seit der vorangegangenen Ausgabe des Lärmaktionsplans aus dem Jahr 2013 eine „deutlich gestiegene“ Verkehrsbelastung. Zudem gibt es an der Straße viele direkt betroffene Anwohner, und im Vergleich mit anderen viel befahrenen Strecken stehen dort Gebäude teils sehr nah an der Straße. Diese Gründe führen dazu, dass die Uphuser Heerstraße im Lärmaktionsplan mit der Priorität 1 gelistet ist, im Vergleich die Uesener Feldstraße (L 156) beispielsweise zwar mit ebenfalls hohen Verkehrsbelastungen, aber deutlich weniger Schwerverkehr und auch einer geringeren Zahl von direkt und besonders stark betroffenen Anwohnern nur als Priorität 3.
Am 7. Juni 2016 stand das Thema Tempo 30 auf der Uphuser Heerstraße auf der Tagesordnung des Ausschusses für Wirtschaft, Stadtentwicklung, Umwelt und Verkehr. In der Mitteilungsvorlage zu diesem Punkt wurde unter anderem auf Lärmkarten des Landes Niedersachsen Bezug genommen, nach denen dort „erheblicher Handlungsbedarf“ bestehe: „Es wurde festgestellt, dass die Immissionsgrenzwerte der Lärmschutz-Richtlinien an einigen direkt an der Uphuser Heerstraße gelegenen Wohngebäuden überschritten werden“, heißt es darin. Würde Tempo 30 dort eingeführt, würden die zulässigen Lärmgrenzwerte an 14 von 15 zuvor tagsüber besonders belasteten Gebäuden nicht mehr überschritten, in der Nacht immerhin an 10 von 24. Die Ausschussmitglieder wurden in der Sitzung auch über die positiven Stellungnahmen von Polizei und Straßenbaulastträger zur Einführung der geringeren zulässigen Höchstgeschwindigkeit unterrichtet. Diese Stellungnahmen wie die gesamte Mitteilungsvorlage wurden laut Sitzungsprotokoll zur Kenntnis genommen, somit ging die Sache dann ihren Gang nach Verden und die Landesbehörde stellte die Schilder auf.
Haltlose Vorwürfe gegen Ratsherr Herfried Meyer
„Sehr irritierend“ findet die eingangs genannte Leserin des Textes über Tempo 30 in Achim aus dem Januar darüber hinaus, „dass es diese einzige Maßnahme (aus Lärmschutzgründen, Anm. d. Red.) lediglich auf der Uphuser Heerstraße auf einem kleinen Streckenabschnitt vor dem Wohnhaus des Abgeordneten Meyer gibt.“ Was hier mitschwingt, ist ein Verdacht gegenüber dem langjährigen Ratsmitglied und Anwohner der Uphuser Heerstraße Herfried Meyer (SPD), sein politisches Mandat zum eigenen Vorteil als Anwohner genutzt zu haben.
Dazu sei gesagt, dass dieser Verdacht haltlos ist. Zum einen liegt die finale Entscheidung über Tempo 30 in diesem Fall, wie beschrieben, nicht bei politischen Funktionsträgern und Gremien der Stadt Achim, sondern bei einer übergeordneten Verkehrsbehörde. Zum anderen bezeichnet sich Herfried Meyer selbst, angesprochen auf diese Gemengelage, nicht als treibende Kraft in der Uphuser Anwohnerschaft, die damals den Tempo-30-Stein ins Rollen gebracht hat. „Ich hatte damit nichts zu tun“, sagt Meyer, und verweist stattdessen auf Mario Gerloff als entsprechend engagiertem Bürger, der ebenfalls in dem Bereich wohnt. Dieser bestätigt auf Nachfrage, dass Herfried Meyer in die Sache nicht involviert war. „Das war ich alleine. Mit Herrn Meyer habe ich darüber nie gesprochen“, sagt Gerloff und schickt gleich noch seine damalige schriftliche Korrespondenz mit der Verwaltung im Rathaus in die Redaktion. Darin taucht Meyers Name nicht auf, ebenso wenig wie in der Mitteilungsvorlage für die betreffende Fachausschusssitzung. In dieser wird namentlich lediglich auf Gerloffs Schriftverkehr Bezug genommen. Abschließend sei ergänzt, dass Herfried Meyer nie Mitglied dieses Fachausschusses gewesen ist. Er sitzt zwar seit 2004 im Stadtrat, dort wurde das Thema Tempo 30 in Uphusen aber nie behandelt.
Von Christian Walter