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Lebenslustig und freiheitsliebend

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Johanna Kunze (links) erzählt als Cato Bontjes van Beek ihrer Freundin Ruth Wolf, dargestellt von Frauke Geyken, dass sie im Widerstand aktiv ist.
Johanna Kunze (links) erzählt als Cato Bontjes van Beek ihrer Freundin Ruth Wolf, dargestellt von Frauke Geyken, dass sie im Widerstand aktiv ist. © LEIPOLD

Achim – Es ist das Jahr 1949. Olga Bontjes van Beek hat ihre Entnazifizierung durchlaufen. Sie hofft, endlich die Entschädigung für die Inhaftierung ihrer Tochter Cato und die Aufhebung des Todesurteils bescheinigt zu bekommen. Doch die Hoffnung wird schnell zerstört.

Es bedarf einer weiteren Prüfung, erst müsse ein Entnazifizierungsverfahren gegen Cato eingeleitet werden. Zu diesem Zeitpunkt ist Cato Bontjes van Beek bereits seit sechs Jahren tot, hingerichtet durch das Fallbeil, weil sie Beihilfe zur Vorbereitung des Hochverrats geleistet haben soll. „Absurd“, ruft Olga Bontjes van Beek aus, die von Johanna Kunze auf der Bühne verkörpert wird.

In der Aula des Cato-Bontjes-van-Beek-Gymnasiums erzählt die Regisseurin und Theaterpädagogin gemeinsam mit der Autorin und Historikern Frauke Geyken in der szenischen Lesung „Lerne mit dem Herzen denken“, einer Produktion der Theaterinitiative Bühnensturm, die Geschichte zweier ungewöhnlicher Frauen, die während des Naziregimes im Widerstand waren und dafür im Alter von 21 beziehungsweise 22 Jahren ihr Leben verloren. Auf der einen Seite ist Cato, die Namensgeberin der Schule, die in Fischerhude in einer Künstlerfamilie aufwächst, ihre Konfirmation als Akt des Widerstandes gegen die Nazis sieht und sich ihren Traum vom Fliegen erfüllt. Sie lebt in Berlin und arbeitet als Keramikerin, als sie auf Harro und Libertas Schulze-Boysen trifft und Teil der „Roten Kapelle“ wird. Gemeinsam mit ihrem Partner und Schriftsteller Heinz Strelow verbreitet sie Flugblätter, auf denen sie die Verweigerung des Gehorsams und der Pflichterfüllung fordert.

Auf der anderen Seite ist Sophie Scholl, kaum jünger als Cato, die mit ihren Geschwistern zunächst blind für die Ideologie der Nazis ist, bis ihr und ihren Geschwistern unterstellt wird, sie würden in ihren Gruppen nicht ideologisch einwandfrei arbeiten und von ihren Aufgaben entbunden werden. Sie wird Kindergärtnerin, studiert Biologie und Philosophie und setzt sich als Mitglied der „Weißen Rose“ ebenfalls mittels Flugblättern gegen das Regime ein.

Beide Frauen sind lebenslustig, freiheitsliebend. Sie sind im Widerstand, obwohl sie wissen, dass es sie das Leben kosten kann. „Doch was bedeutet Widerstand?“, fragte Kunze in den Saal und blickte auf die Jahrgangsstufen zehn und elf. „Ist es das Verstecken und Versorgen von Verfolgten?“

„Das wird oft nicht als politisch begriffen, obwohl es das ist“, sagte Geyken. „Sich dem Absolutheitsanspruch zu widersetzen ist eine Form des Widerstandes, Voraussetzung ist der Wille, dem Staat zu schaden“, erklärte sie.

Während Sophie Scholl nach dem Ende des Dritten Reichs zum Gesicht des Widerstands wird, kämpft Catos Mutter jahrelang um eine ähnliche Anerkennung ihrer Tochter, erduldet Schikanen und Demütigungen. Die „Rote Kapelle“ wurde als kommunistische Widerstandsgruppe dargestellt, ihre Tochter als Spionin abgestempelt und als passives Anhängsel bezeichnet. Dabei war sie eine eigenständig denkende Frau, die sich vorgestellt hat, nach einem reichen Leben auf ihrem Totenbett von einem Blumenmeer im Kreis ihrer Kinder und Enkel umgeben zu sein. In ihrem letzten Brief an ihre Mutter schrieb sie: „Ich bin sehr gefasst und habe mich mit meinem Schicksal ausgesöhnt.“

Mit Tonbandaufnahmen des vor Gericht herrisch und menschenverachtend agierenden Richters Roland Freisler, Briefen, Tagebucheinträgen und kurzen, gespielten Szenen erschaffen Kunze und Geyken eine bedrückende Atmosphäre. Sie zeigen, wie sich die beiden Frauen, die nur ein paar Jahre älter waren als die Schüler, im Alltag gegen Lügen, Ungerechtigkeiten und Grausamkeiten einsetzten: „Gar nichts tun, das ist schlimmer“, soll Cato zu ihrer Freundin Ruth Wolf gesagt haben. „Sie haben abends gefeiert, die Party unterbrochen, wenn jemand vorbeikam und Hilfe brauchte, und dann weitergefeiert“, beschrieb Kunze, dass der Widerstand nicht bedeutete, sich heimlich und konspirativ als Gruppe zu treffen. „Wir sollten uns heute noch immer überprüfen, wo wir Zivilcourage leisten sollten.“

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