„Achim-West“: CDU-Kreistagsfraktionschef fordert, Finanzierung und Gestaltung fix zu klären

Achim – Das Riesenprojekt „Achim-West“, das vor allem von der Wirtschaft herbeigesehnt wird, aufgrund der ungeklärten Finanzierung und der vorgesehenen Flächenversiegelung aber in der Kritik steht, gerät zeitlich weiter in Verzug. Der vom Landkreis Verden für diesen Februar angedachte Erörterungstermin zu von Einzelpersonen und Institutionen vorgebrachten Einwänden gegen das geplante 90 Hektar große Gewerbegebiet südlich des Bremer Kreuzes mit eigener, neuer Anschlussstelle an der Autobahn 27 rückt nach hinten.
„Er soll nun Ende April oder Anfang Mai stattfinden“, teilte Daniel Moos, Projektleiter und Erster Stadtrat in Achim, am Donnerstag auf Nachfrage mit. Damit dürfte sich auch der Planfeststellungsbeschluss des Landkreises, den Rat und Verwaltung ursprünglich bereits im Frühjahr 2021 erwartet hatten und mit dem Bürgermeister Rainer Ditzfeld zuletzt „spätestens im Spätsommer dieses Jahres“ gerechnet hat, erneut verzögern. Nun ist im Kreishaus eher vom Herbst oder gar Winter die Rede. Denn inzwischen sei eine neue Kraft mit dem Verfahren befasst, die sich jedoch erst noch in die komplexe wie komplizierte Materie „Achim-West“ einarbeiten müsse.
Wilhelm Hogrefe, Vorsitzender der CDU-Kreistagsfraktion, hält den zeitlichen Verzug indes für kein Drama. „Ohne Finanzierungskonzept brauchen wir keinen Planfeststellungsbeschluss“, sagt er. Wenn die SPD jetzt via Pressebericht ein „klares Bekenntnis“ zu „Achim-West“ abgebe, sei das zwar schön und gut, es reiche allerdings längst nicht aus, um das Projekt, dessen Infrastrukturkosten die Stadt zuletzt auf 153 Millionen Euro taxiert hat, auch realisieren zu können. Dafür bedürfe es einer Menge mehr, meldet sich Hogrefe zu Wort und erläutert im Gespräch mit dieser Zeitung, was er meint.
Die Herausforderung sei gewaltig: „Eine Finanzierungslücke von 50 bis 60 Millionen Euro muss geschlossen werden.“ Aber wer soll dieses Riesenloch ausfüllen? Der Landkreis beteilige sich mit 20 Prozent an der Projektgesellschaft, bei der Achim und Bremen mit je 40 Prozent Anteilseigner sind, und leiste damit bereits einen „nicht üblichen Beitrag“ in Sachen Gewerbegebietserschließung, denn die sei Aufgabe der Gemeinden. Für Hogrefe ist klar: „Wegen der Inflation, die zu weiteren Kostensteigerungen bei dem Projekt führt, müssen der Bund, das Land Niedersachsen und Bremen mehr Geld geben.“
Vornehmlich die Hansestadt nimmt der Christdemokrat ins Visier. „Bremen macht nur magere Finanzierungsangebote“, bemängelt er. Und wirft dem großen Nachbarn vor, sich in der Angelegenheit mehr als überheblich zu verhalten: „Bremen behandelt Achim wie eine Kolonie.“ Das betreffe nicht nur die politischen Akteure.
„Die Wirtschaft dort sagt immer nur, dass sie Achim-West gerne hätte, bringt sich aber nicht ein.“ Wenn Unternehmen im bestehenden Gewerbegebiet am Bremer Kreuz unter Staus und räumlicher Enge litten und deshalb Entlastungsstraßen und neue Flächen auf niedersächsischem Gebiet verlangten, müssten sie bereit sein, dafür auch Geld in die Hand zu nehmen, findet Wilhelm Hogrefe. Mit wohlfeilen Worten, wie zuletzt bei einem Treffen zu dem Thema in der Bremer Handelskammer sei es nicht getan.
Der CDU-Kreistagsfraktionschef hält darüber hinaus einen baldigen „Beschluss zur ökologischen Ausrichtung“ des geplanten Gewerbegebiets für notwendig. Aus seiner Sicht macht es zum Beispiel keinen Sinn, einer auf der anderen Seite der A 1 ansässigen Spedition, die Erweiterungsfläche benötigt, ein Drittel der 90 Hektar zu geben. „Die Ansiedlung eines Logistikers ist nicht ökologisch, sie bringt nur wenig Arbeitsplätze, und die Lkw fahren dann auch noch die neuen Straßen schneller kaputt“, erläutert Hogrefe.
Für ein Finanz- und ein ökologisches Konzept für das Projekt müssten sich „alle an einen Tisch setzen“, fordert er. „Dann hätte die Politik in Achim eine bessere Entscheidungsgrundlage. Den Ratsmitgliedern ist nicht zuzumuten, ein Verschuldungskonzept zu beschließen.“
Gerade die Achimer CDU, die „Achim-West“ – anders als die meisten Parteifreunde im Kreis – zumindest in der bisherigen Form ablehnt, argumentiert ja damit, dass das Vorhaben die Stadt in eine Schuldenfalle treiben würde. Und wie die Grünen, die ebenso dagegen sind, kritisieren die örtlichen Christdemokraten die angedachte großflächige Versiegelung.
Die von Wilhelm Hogrefe aufgeworfenen Fragen schon jetzt zu klären, davon hält Projektleiter Moos nichts. „Wenn der Planfeststellungsbeschluss vorliegt, sollten die Sachentscheidungen getroffen werden“, sagt er auf Nachfrage. „Für die grundsätzliche Beratung brauchen wir den.“
Viele Daten aus dem Prognos-Gutachten zu „Achim-West“ von 2019 seien inzwischen überholt. „Wir müssen den Zeit- und den Finanzplan überarbeiten.“ Die Erschließung des Gewerbegebiets in der zum Teil sumpfigen Uphusener Feldmark samt Anbindung ans benachbarte Straßennetz und an die Autobahn 27 dürfte laut Moos zu „Mehrkosten“ gegenüber dem bisherigen Ansatz von 153 Millionen Euro führen. „Die Baupreise sind erheblich gestiegen, auch wenn sie jetzt teilweise wieder zurückgehen.“ Aufgrund der Teuerungsrate seien auf der anderen Seite aber auch höhere Steuereinnahmen durch das Gewerbegebiet zu erwarten.
Die Finanzierungslücke beziffert der Projektleiter auf 32 Millionen Euro, „nach dem jetzigen Stand“. Dazu kämen dann allerdings noch die in diese Berechnung nicht mit einbezogenen Kosten für den Bau des Autobahnanschlusses und die Verlängerung der Theodor-Barth-Straße über die A 1 hinweg sowie für die Planung. Dann könne man wie Hogrefe vielleicht auf eine etwa doppelt so hohe Summe kommen.
Die von dem CDU-Mann geäußerte harsche Kritik am Nachbarn und Projektpartner mag Moos, Vizechef der Achimer Stadtverwaltung, nicht teilen. „Wir haben bisher mit Bremen partnerschaftlich zusammengearbeitet.“ Dafür nimmt er andere Protagonisten in die Pflicht. „Wir wünschen uns, dass der Bund und das Land Niedersachsen sich bei dem Projekt von überregionaler Bedeutung stärker beteiligen.“
Über die Gestaltung eines Gewerbegebiets „Achim-West“ sei noch nicht gesprochen worden. Aber angesichts der jüngsten Entwicklungen halte sicherlich nicht nur er eine „klimaneutrale oder zumindest klimaschonende Ausrichtung“ für sinnvoll, betont Daniel Moos und verspricht: „In Sachen regenerative Energien, speziell Wasserstoff, werden wir uns speziell Gedanken machen.“