Hoop-Kirche startet durch

Achim – Die evangelische und die katholische Kirche geraten immer mehr ins Hintertreffen. Fortschreitende Säkularisierung der Gesellschaft, veraltete Gottesdienstformen, mangelnde demokratische Strukturen und überholtes Amtsverständnis, die Missbrauchsskandale begünstigen, zählen zu den Gründen. Ungeachtet dessen suchen viele Menschen Halt im Glauben, nach Spiritualität, nach Gemeinschaft.
Was sie in den sogenannten Volkskirchen, die sie immer weniger sind, oft nicht finden. Aber es gibt Alternativen, die anziehend wirken. Freikirchen verzeichnen großen Zulauf. Was auch im Achimer Stadtbild deutlich wird. Auf dem lange verwaisten Riesengrundstück an der Ecke Uesener Feldstraße / Steuben-Allee steht seit Kurzem der wuchtige Bau der Hoop-Kirche.
Das größte Gemeindezentrum weit und breit wird an diesem Wochenende mit einem großen Fest offiziell eingeweiht. Hoop-Kirche? Die meisten in der Weserstadt und umzu können damit vermutlich nichts anfangen.
„Sie ist aus der Freien Christengemeinde Achim und der Reset Church, wie sie seit 2015 hieß, hervorgegangen“, erklärt Pastor Matthias Wiebe im Gespräch mit dieser Zeitung. Die Kirche mit dem Namen „Hoop“ (plattdeutsch: „Hoffnung“) existiere in Bremen seit etwa 90 Jahren, Gemeinden gebe es außerdem in Bremerhaven, Verden und nun eben auch in Achim. Die an der Brückenstraße 19a, gegenüber der Grundschule Uesen, beheimatete Reset Church habe an der alten Adresse unter Enge gelitten und sich 2020 für ein Weitermachen unter neuen Vorzeichen ausgesprochen.
„Wir waren schon vorher freundschaftlich verbunden und kommen aus demselben Bund, dem evangelisch-freikirchlichen“, erläutert Wiebe. „Wir haben dieselben Werte: Vor allem Gott und Menschen lieben.“ Auch die Art, Gottesdienst zu feiern, sei ähnlich, nämlich mit viel Musik. Im Gegensatz zur evangelischen und katholischen Kirche taufe „Hoop“ keine Kinder, sondern nur religionsmündige Gläubige, „also mindestens 14-Jährige. Die Menschen sollen selbst entscheiden, ob sie einer Kirche angehören wollen.“
Pastor Wiebe steht einer vor, die sich äußerst modern präsentiert. Sein Vorgänger Benjamin Sawadsky hat dafür das Feld bereitet. Der langjährige Leiter der Reset Church, jetzt Oberpastor der Hoop-Kirche Bremen, habe 2014 für die Achimer Gemeinde das 14 000 Quadratmeter große Grundstück am Rand des ehemaligen Kasernengeländes mit der Postanschrift Alte Finien 20 erworben, berichtet Wiebe. Der erste Spatenstich für den vom Achimer Architekturbüro GME konzipierten zweigeschossigen Neubau mit 2 000 Quadratmetern Nutzfläche sei allerdings erst Anfang 2020 erfolgt. Jetzt ist das imposante Gebäude mit sandsteinfarbener / beige-grauer Fassade und Flachdach bis auf Details bei der Inneneinrichtung weitgehend fertig.
Gerne führt Matthias Wiebe durch die zeitgemäßen, großzügig und einladend gestalteten Räume. Wer die Kirche, die überhaupt nicht wie eine Kirche aussieht, durch den Haupteingang betritt, gelangt zunächst in das geräumige Foyer mit Café samt Theke. Dort sollen bald nicht allein Gemeindemitglieder Platz nehmen. „Wir haben vor, das Café mit einer Außenterrasse, die noch dazu kommt, und einem angrenzenden Spielplatz voraussichtlich vom kommenden Jahr an für die Allgemeinheit zu öffnen“, erzählt Wiebe. Der Vorplatz, der zusammen mit dem gewaltigen Baukörper einer Steinwüste gleicht, solle noch begrünt werden, ergänzt er.
Im Erdgeschoss des Gebäudes befindet sich außerdem der Gottesdienstsaal, der wenig mit herkömmlichen Kirchenräumen gemein hat. „Er erinnert eher an einen Konzertsaal“, sagt der Pastor mit Blick auf die schmucklose, modern-nüchtern wirkende Einrichtung.
Auch eine Küche samt Lager, Toiletten und ein Raum für Kinder bis drei Jahre sind unten im Haus zu finden. Noch oben führen nicht nur Treppen und bald zusätzlich ein Fahrstuhl, sondern zumindest für den Nachwuchs auch ein Kletterturm, umgekehrt können die Kleinen auf einer Rutsche sausen.
Im ersten Obergeschoss gibt es drei Räume für jüngere Gemeindemitglieder. 14-tägig treffen sich dort zwei Kinder- und Jugendgruppen unterschiedlichen Alters, um die sich Jugendleiter Jonathan Müller kümmert. Zu den Nutzern gehören daneben Eltern mit Kleinkindern, unter anderem ein Kreis, der sich „Milchcafé“ nennt. Auch in der Galerie mit Küche und Sitzmöglichkeiten herrsche mitunter Trubel. „Sonntags sind 50 bis 70 Kinder hier“, sagt Wiebe und lässt aber auch den Seniorentreff nicht unerwähnt.
230 Mitglieder habe die Hoop-Kirche in Achim. Der Altersdurchschnitt sei nicht besonders hoch. „Wir sind in Achim eine sehr junge Gemeinde, wir haben hier viele Familien mit Kindern“, betont Matthias Wiebe (36) und fügt hinzu: „Unser Ziel ist es, eine Kirche für alle zu sein.“ Der „Campus-Pastor“, wie sich der „Hoop“-Geistliche nennt, hat im Obergeschoss auch sein Büro, und nebenan steht ein Besprechungsraum zur Verfügung.
Die Freikirche, die das Grundstück an der Brückenstraße gerne veräußern würde, hat für den Umzug in das angesagte Stadtwaldviertel eine Menge Geld in die Hand genommen. 2,8 Millionen Euro habe der Kauf des Grundstücks und der Neubau gekostet, verrät Wiebe. „Das ist vornehmlich durch Spenden finanziert worden.“ Die Gemeindemitglieder zahlten freiwillig Beiträge, verpflichtet sei dazu niemand. Die Hoop-Kirche, merkt der Seelsorger an, unterstütze auch soziale Projekte im Ausland, etwa den Bau von Waisenhäusern auf den Philippinen.

Matthias Wiebe, der im Lipperland in einer evangelisch-freikirchlichen Familie aufwuchs, Industriekaufmann gelernt hat und mit seiner Frau und den zwei Jungs in Bierden wohnt, fiebert nun dem Festwochenende entgegen. Freitag um 18 Uhr geht es mit einem „Lobpreisabend“ mit Band und Aftershowparty los, am Samstag um 19 Uhr folgt ein Jugendgottesdienst. Hauptfeiertag ist der Sonntag. Nach dem Gottesdienst um 10 Uhr können die Besucher auf dem Gelände Mittag essen, an einer Gebäudeführung teilnehmen, auch gibt es Spiel und Spaß für Kinder.

Apropos Kinder: Eventuell werde die Gemeinde auf dem Grundstück noch einen Kindergarten bauen, gibt Wiebe preis. „Wir sind mit der Stadt in Gesprächen.“