Tierliebe, Fleischpreise und der Wolf: Ehepaar gibt Einblick in Landwirtschaft

Auf dem Hof Steller Berg von Norbert und Tanja Strübl geht Tierliebe vor Massenzucht. Im Interviel sprechen die beiden auch über ihr Zucht und den Wolf.
Badenermoor – Die Sonne geht auf über den Feldern und dem benachbarten Moorgebiet. Pferde warten in ihren Boxen darauf, dass sie auf die Weiden gelassen werden. Nebenan grast eine Herde Galloways. Dieser idyllische Morgen bringt neues Leben auf den Hof Steller Berg in Badenermoor: Ein Kalb ist geboren. Nachdem das Jungtier versorgt und der lästige, aber notwendige Schreibkram wie die Anmeldung ins Herkunftssicherungs- und Informationssystem für Tiere, kurz: HI-Tier, erledigt ist, haben Norbert und Tanja Strübl Zeit, um bei einem Kaffee über Freud und Leid in der Landwirtschaft zu sprechen.
Herr und Frau Strübl, Sie sind bereits seit fast 40 Jahren in der Landwirtschaft aktiv. Ist die Geburt eines Kalbes da überhaupt noch etwas Besonderes?
Auf jeden Fall. Das ist für uns immer ein schöner Moment. Und dafür nehmen wir es auch gerne in Kauf, dass darunter oft die Zeit für andere Dinge leidet. Landwirtschaft bedeutet schließlich, immer 24/7 im Einsatz zu sein. Für uns als Inhaber des Familienbetriebs macht es keinen Unterschied, ob Weihnachten oder ein normaler Montag ist. Die Tiere müssen jeden Tag versorgt werden.
Wie hat sich Ihr Betrieb in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt?
1986 ging es mit einem Hektar Land und drei Schafen los. Inzwischen haben wir 50 Galloway-Rinder, zwei Esel, ein paar Ziegen, dazu den Reitbetrieb. Wir bewirtschaften inzwischen fast 50 Hektar – in Achim, dazu auch Naturschutzflächen an der Wümme in Waffensen im Landkreis Rotenburg.

Wie werden Ihre Tiere gehalten?
Wir betreiben keine Intensivmast und verzichten bei der Fütterung auf Maissilage und Kraftfutter. Stattdessen setzen wir nur auf Heu und Grassilage. Dadurch wachsen die Tiere nicht so schnell und haben am Ende einen kleineren Schlachtkörper, aber dafür haben sie einen gesunden Körperbau und die Qualität der Produkte ist deutlich höher. Das Fleisch ist durch den hohen Anteil an Omega-3-Fettsäuren auch bekömmlicher und es bleibt in der Pfanne zudem genauso groß wie es war.
Leidet darunter nicht der Profit? Sie könnten sicher mehr verdienen …
Das stimmt. Das stellen wir besonders bei den Ochsen fest, die bis zu zwölf Monate länger brauchen, um ihr Schlachtgewicht zu erreichen. Bei uns werden sie etwa drei Jahre alt. Und in dieser Zeit, das können wir aus Überzeugung sagen, haben sie ein richtig gutes Leben: Sie werden auf der Weide geboren und am Euter ihrer Mutter acht bis neun Monate aufgezogen. Wenn sie ihr Schlachtgewicht erreicht haben, hatten sie drei Jahre lang Gras und Erde unter den Klauen. Im Sommer sorgen wir dafür, dass die Rinder Schatten haben, weil Hitze für Galloways sehr anstrengend ist.
Sie bieten Ihr Fleisch im Hofladen an. Wie läuft der Verkauf?
Die Direktvermarktung ist schwierig und zeitaufwendig. Wir sind immer darauf angewiesen, neue Kontakte zu knüpfen und durch Mund-zu-Mund-Propaganda empfohlen zu werden. Dafür muss man immer wieder etwas tun, sonst schwächt die Kurve irgendwann ab.
Spüren Sie die Folgen der Energiekrise?
Die schwierige Situation auf dem Markt macht sich bemerkbar. Die Menschen leisten sich zwar immer noch einen teuren Weber- oder Napoleon-Grill, aber das Fleisch soll möglichst billig sein.
Merken Sie das auch in der Kasse?
Ja, besonders die Monate Januar und Februar sind grundsätzlich mau. Nach Weihnachten und dieses Jahr besonders wegen der Energiekrise müssen viele Menschen in der Region auf ihr Geld achten. Am Anfang des Jahres sind zudem viele Versicherungen fällig. In dieser Zeit fehlt uns nicht unerheblicher Umsatz.
Sie haben sich für die Schlachtung per Weideschuss entschieden. Welchen Vorteil sehen Sie darin?
Es geht für uns dabei um das Wohl der Tiere. Sie müssen nicht transportiert werden und haben dadurch keinen Stress. Und anders als etwa bei einem Bolzenschuss werden sie auch nicht fixiert. Wir arbeiten eng mit einem Schlachter aus Posthausen zusammen, der für uns ein echter Glücksfall ist.
Wie läuft die Schlachtung per Weideschuss in der Praxis ab?
Das Tier bleibt in seiner bekannten Umgebung und Herde auf der Weide und wird durch einen Kugelschuss, und nicht etwa mit einem Bolzenschussaparat, geschossen. Das geht so schnell, dass das Rind nicht einmal den Knall hört. Es fällt einfach um und ist sofort tot. Das ist wie Licht ausschalten. Es ist unserer festen Meinung nach der humanste Weg, den es gibt. Trotzdem fällt es uns jedes Mal wieder schwer.
Weil Sie eine enge Bindung zu Ihren Galloways haben?
Genau. Wenn jemand auf seine Tiere aufpasst und sie behütet, dann fällt es ihm einfach schwer, ein Tier zu schlachten. Wir wissen immer, wie es jedem einzelnen unserer Tiere geht. Jedes hat einen Namen. Aber genau das ist unsere Philosophie. Von der extensiven Tierhaltung profitieren die Galloways. Andere Rinder, die intensiv gehalten werden, müssen nur die etwa 18 bis 20 Monate, die sie leben, auf Betonspalten stehen. Unsere Tiere nicht. Sie nehmen im Winter durchaus bis zu einen Zentner ab, weil sie aufgrund der kalten Witterung mehr Energie verbrauchen. In der Wildnis ist das ganz genauso.
Wie viele Schlachtungen gibt es auf Ihrem Hof pro Jahr?
Etwa acht bis zehn. Die Termine werden bis zu ein Jahr im Vorfeld vereinbart. Wir schlachten nur dann, wenn wir das gesamte Fleisch verkauft haben. Wir versuchen immer, alles zu verarbeiten – leider ist es wegen der hohen Energiekosten heute kaum noch möglich, aus dem Schlund, der Milz und einem Teil der Innereien Hundewurst machen zu lassen. Das ist eigentlich ein Skandal.
Warum haben Sie sich gegen die intensive Tierhaltung entschieden?
Wir sind zwar nicht einmal ein Fettauge auf der Suppe des gesamten Rindfleischmarktes – aber wir wollen zumindest unseren kleinen Anteil für mehr Tierwohl und Biodiversität durch Beweidung und dadurch strukturreicheres Grünland leisten.
Achten Sie bei Ihrer eigenen Ernährung auch auf Herkunft und Haltung?
Ja sicher, wir essen deshalb selbst kaum noch Fleisch, bei dem wir nicht wissen, wie die Tiere gehalten wurden beziehungsweise bei dem wir nicht ganz genau wissen, wo es herkommt. Wir trinken auch nur Kuhmilch direkt von einem Milchviehbetrieb in der Nachbarschaft, bei dem wir sicher wissen, dass die Kühe im Sommer noch auf die Weide kommen. Diese Milch ist nur gefiltert, nicht homogenisiert oder ähnliches. Die mochten schon unsere Kinder lieber. Als wir einmal herkömmliche Milch gekauft haben, ist die Flasche in hohen Bogen aus dem Kinderbett geflogen. Frische Milch hat viel mehr Geschmack und Sahneanteil, wenn sie nicht verarbeitet wird. Außerdem kaufen wir andere Lebensmittel, wann immer es geht, regional, zum Beispiel Bollener Kartoffeln und Bio-Sonnenblumenöl aus dem Umland.
Der Wolf erhitzt derzeit viele Gemüter. Wie sehr beschäftigt sie dieses Thema?
Das ist sehr präsent, denn auch hier wurden bereits Wölfe gesehen beziehungsweise im Moor mit einer Wildkamera gefilmt. Bislang haben wir zum Glück selbst keine Schäden. Damit das so bleibt, haben wir mit Fördergeldern Weiden einzäunen lassen. Es wird zwar das Material vom Land Niedersachsen bezahlt, nicht aber die Arbeitsstunden für den Bau des Zauns, und das auch nur dann, wenn es innerhalb von zwölf Monaten im Umkreis von 30 Kilometern drei oder mehr nachgewiesene Wolfsrisse gab. Die Antragstellung ist komplex und der Bescheid ist nur sechs Monate gültig.
Welche Wünsche haben Sie in Bezug auf den Umgang mit dem Wolf?
Wir sind ausdrücklich keine Wolfsgegner, sprechen uns aber für eine regulierte Bejagung, wie es bei allem anderen Raubwild geschieht, aus, wenn sich der Wolf außerhalb seines natürlichen Refugiums, also nahe an Dörfern und Städten, bewegt. Er hat zweifellos seine Daseinsberechtigung, aber eine Bestandsregulierung ist inzwischen dringend notwendig, weil es jedes Jahr ein Drittel mehr Wölfe gibt. Wir sind für Biodiversität und erfreuen uns an jedem Vogel, jedem Insekt und jedem Lurch. Beim Wolf wurde es jedoch leider versäumt, frühzeitig zu handeln.
Soll Ihr Betrieb weiter wachsen?
Das ist aktuell nicht geplant. Und unsere Philosophie lässt sich auch nicht so leicht auf einen größeren Hof übertragen. Wir warten mal ab, was unsere Kinder planen. Auch Nils, 21 Jahre, Landmaschinenmechatroniker, und Tine, 19 Jahre, Azubi als Landwirtin, haben sich für den landwirtschaftlichen Berufszweig entschieden...
Kontakt und Infos
Wer Interesse an Fleisch, Bratwurst, Hamburger-Paddys, Mettwurst oder eine der anderen Spezialitäten vom Hof Steller Berg in Badenermoor hat, meldet sich per E-Mail an struebl@hofstellerberg.de.
Am Samstag, 27. Mai, findet auf dem Hof die vom Bundesverband deutscher Gallowayzüchter, kurz BDG, veranstaltete Jungtierschau Nord statt. Jungtiere bis 24 Monate stellen sich den kritischen Blicken der Richter, werden beurteilt und anschließend prämiert. Besucher sind willkommen. Es sind auch einige Ausstellungsstände von Zaunbau-Profis und Landmaschinenhändlern vor Ort. Dazu werden auch Galloway-Bratwürste angeboten.