1. Startseite
  2. Lokales
  3. Landkreis Verden
  4. Achim

64-Jährige aus Achim erleidet viele Schicksalsschläge: „Herz aus Gold“

Erstellt:

Von: Dennis Bartz

Kommentare

Sabine Botzek (Bildmitte) ist den Schwestern Birgit Ketscher (rechts) und Simone Falldorf dankbar für alles, was sie getan haben. Die 64-Jährige hat sich an die Zeitung gewandt, weil sie die beiden mit einem Urlaub überraschen möchte.
Sabine Botzek (Bildmitte) ist den Schwestern Birgit Ketscher (rechts) und Simone Falldorf dankbar für alles, was sie getan haben. Die 64-Jährige hat sich an die Zeitung gewandt, weil sie die beiden mit einem Urlaub überraschen möchte. © BArtz

Wenn Sabine Botzek aus ihrem Leben erzählt, fragt sich der Zuhörer früher oder später: Wie erträgt ein Mensch so viele Schicksalsschläge, ohne daran kaputt zu gehen?

Die 64-jährige Achimerin hat eine simple Erklärung dafür, warum sie den Lebensmut trotz allem nicht verloren hat. Ihr Blick huscht kurz nach links und rechts, ehe sie erklärt: „Es sind die beiden Frauen, die hier neben mir auf dem Sofa sitzen, die mir in den vergangenen Jahren Kraft gegeben haben. Sie haben beide ein Herz aus Gold und sind immer für mich da.“

Gemeint sind die Schwestern Birgit Ketscher und Simone Falldorf, die seit Langem mit Sabine Botzek befreundet sind. Sie haben die schwer erkrankte Frau vor etwa vier Monaten nun sogar bei sich aufgenommen, weil diese in ihrer eigenen Wohnung derzeit nicht mehr alleine leben kann. „Mein Arzt hat mir davon abgeraten, weil die Gefahr, dass ich stürze, sehr groß ist“, erklärt die Sabine Botzek, die betont: „Ich bin ihnen unglaublich dankbar, dass ich hier sein kann und ich unterstütze sie im Haushalt, wenn es meine Gesundheit zulässt.“

64-Jährige aus Achim erleidet viele Schicksalsschläge: „Sie haben ein Herz aus Gold“

Doch Hilfe dieser Art, genauso wie ein Dankeschön, erwarten Birgit Ketscher und Simone Falldorf eigentlich nicht für ihre Bereitschaft, die Wohnung zu teilen: „Es ist selbstverständlich für uns. Sie kann so lange bleiben, wie sie uns braucht. Denn wir lieben sie wie eine Mutter. Und auch für unseren Vermieter ist das kein Problem“, so Birgit Ketscher, die genau weiß, was ihre Freundin durchmachen musste.

Sabine Botzek wuchs in der ehemaligen DDR auf und hatte dort keine einfache Kindheit. Durch eine Zwangsadoption landete sie bei Pflegeeltern. Ihr Pflegevater, „ein herzensguter Mensch“, starb früh an Leukämie, zu ihrer Pflegemutter hatte sie kein gutes Verhältnis. „Sie gab mir die Schuld an seinem Tod“, berichtet Sabine Botzek, die nach eigenen Worten in ihrer Kindheit viel arbeiten musste: „Ich habe gelebt wie Aschenputtel.“ Aber anders als das Mädchen in dem Märchen erlebte Sabine Botzek kein Happy End mit Traumhochzeit: „Mein Partner ist kurz vor unserer geplanten Hochzeit ermordet worden.“

Um Kindern möglichst eine unbeschwerte Jugend zu ermöglichen, machte Botzek eine Ausbildung zur Erzieherin und arbeitete anschließend für einige Jahre in einem Heim. „Ich war wie eine Mutti für die Kinder dort“, erzählt die Achimerin, die fast zwei Jahre in Untersuchungshaft verbrachte. Der Vorwurf gegen sie: Republikflucht. Die Haftbedingungen damals in dem Magdeburger Gefängnis waren schlecht, erinnerte sie sich: „Wir mussten uns sogar mal vor einer Wand aufstellen und wurden mit Gewehren bedroht.“

Auch nach ihrer Entlassung erlebte sie keine gute Zeit. Zwei Mal wurde sie Opfer sexueller Übergriffe. Der Täter: ein Mann, der vorgab, ein Freund zu sein. Aus Angst um ihr Leben und vor weiteren Taten traute sich die junge Frau damals nicht, ihn anzuzeigen. Stattdessen griff sie zum Alkohol und wurde abhängig. „Ich habe es aber alleine geschafft, die Sucht zu besiegen. Inzwischen bin ich seit 30 Jahren trocken“, berichtet Sabine Botzek stolz.

Doch ihr harter Weg hin zu einem gesünderen Leben wurde nicht belohnt: Im Jahr 2004 erkrankte sie an Nasen- und Rachenkrebs, der ihren Körper gezeichnet hat. 2018 erhielt sie die Diagnose Brustkrebs und kürzlich erfuhr sie, dass nun auch ihr Darm betroffen ist. „Meine Zeit läuft“, stellt sie klar.

Wegen einer schweren Blutvergiftung lag sie Ende vergangenen Jahres sogar bereits im Sterben – aber sie kämpfte sich ins Leben zurück. Mut machten ihr auch damals die Schwestern Birgit Ketscher und Simone Falldorf, die auch in diesen Tagen für ihre Freundin da sein müssen. Denn plötzlich ging es schlecht: „Ich bin wegen einer Entzündung wieder im Krankenhaus in Rotenburg“, erzählt Sabine Botzek in einem Telefonat mit der Redaktion.

Dabei hatte sie eigentlich gehofft, dass 2023 ein besseres Jahr werden würde und sie bald das Geld bekommt, dass ihr nach dem Opferentschädigungsgesetz wegen der sexuellen Übergriffe zusteht. Damit möchte sie etwas Gutes tun: „Ich möchte mit Simone und Birgit als Dankeschön für alles, was sie für mich getan haben, einige Tage an die Ostsee fahren. Am liebsten nach Warnemünde. Ich liebe das Meer.“

Wegen ihrer neuerlichen Erkrankung macht sich Sabine Botzek nun aber große Sorgen, ob ihr noch genug Zeit bleibt, um auf die Bewilligung ihres Antrages zu warten.

Sie hat sich an diese Zeitung gewandt, in der Hoffnung, dass sich jemand bei der Redaktion meldet, der den Dreien womöglich eine Ferienwohnung oder ein Hotelzimmer an der Ostsee zur Verfügung stellen kann – beispielsweise rund um den Geburtstag von Simone Falldorf am 23. Juni.

Außerdem möchte sie ihre Wohnung im Ortsteil Baden aufgeben und sucht stattdessen eine kleine Wohnung in der Nähe der Schwestern, die innenstadtnah wohnen. „Dann sind die Wege für mich nicht so weit, wenn es mir irgendwann wieder etwas besser gehen sollte“, erklärt Sabine Botzek. Wer die Möglichkeit hat, die Achimerin zu unterstützen, schreibt eine E-Mail an dennis.bartz@kreiszeitung.de.

Auch interessant

Kommentare