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Damit sein Gesang nicht für immer verhallt: Traditionsreicher Schubertchor sucht dringend neue Mitglieder

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Von: Dennis Bartz

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Die Chormitglieder sind mit Freude dabei. Zahlreiche Plätze bleiben bei der Probe am Donnerstag im Blauen Saal des Kulturhauses Alter Schützenhof jedoch inzwischen leer.
Die Chormitglieder sind mit Freude dabei. Zahlreiche Plätze bleiben bei der Probe am Donnerstag im Blauen Saal des Kulturhauses Alter Schützenhof jedoch inzwischen leer. © BARTZ

Achim – „Mi-hi-ja-a-mi-hi-ja-a-mi“ und „Ri-sa-ro-sa-ri-sa“ hallt es jeden Donnerstagabend ab 19.30 Uhr durch den Blauen Saal des Achimer Kulturhauses Alter Schützenhof (Kasch). Was für den Laien zunächst merkwürdig klingt, nennt sich Stimmbildung. Auf diese Weise trainieren die Sängerinnen und Sänger des traditionsreichen Achimer Schubertchores ihr „Instrument“. Chorleiter Max Börner spielt dazu am Klavier, greift immer wieder ein, gibt Tipps, erklärt und lobt.

Bereits seit 1949 gibt es den weit über Achim hinaus bekannten Chor, dem seit drei Jahren Dagmar Bendzmira vorsteht. Doch wenn die 70-Jährige den Blick durch die Sitzreihen des Saals schweifen lässt, zwischen denen sich die Chormitglieder aufgestellt haben, wird ihr bewusst, dass dringend etwas passieren muss. 90 aktive Sängerinnen und Sänger hatte der Schubertchor zu seiner Hochzeit Mitte der 1990er-Jahre. Inzwischen sind es nur noch 30 – und viele von ihnen sind bereits über 80 Jahre alt.

Dagmar Bendzmira hatte als Nachfolgerin von Manfred Rabe einen denkbar schwierigen Start als Vorsitzende: „Meine erste Amtshandlung bestand darin, nach Ausbruch der Corona-Pandemie alle Proben, Konzerte, unser Chorwochenende und das Sommerfest abzusagen“, erinnert sie sich an das Frühjahr 2020.

Sie habe zwar in der Folgezeit den Kontakt zu den Mitgliedern bestmöglich gehalten und viele von ihnen waren sofort wieder da, als das Infektionsgeschehen einen Re-Start ermöglichte. Aber die zweieinhalb Jahre Pause spiegeln sich dennoch in der geringen Anzahl der aktiven Sänger wider: „Corona hat den Chor stark getroffen. Aufgrund des hohen Alters mussten einige Sängerinnen und Sänger aufhören – während der Corona-Krise konnten wir auch keine neuen werben“, bedauert Bendzmira, die selbst bereits seit 40 Jahren Chormitglied ist.

Die Achimerin macht sich inzwischen große Sorgen um die Zukunft des Schubertchores und sagt: „Ich will nicht die letzte Vorsitzende sein.“ Was die Chorgröße angeht, sei man bereits am unteren Limit angekommen und Bendzmira mag sich nicht vorstellen, wie die Situation in ein paar Jahren ist ...

Lieber erinnert sie an die zahlreichen gefeierten Auftritte in den vergangenen Jahrzehnten, beispielsweise bei Konzerten in der Aula des Cato-Bontjes-van-Beek-Gymnasiums und der Laurentius-Kirche, aber auch mit einem Orchester in der Bremer Glocke. Vorsitzender damals war der inzwischen verstorbene Detlef Wülbers.

Zurzeit probt der Schubertchor die Messe D-Dur von Antonín Dvorák. „Das Konzert wird voraussichtlich im Frühjahr 2024 sein“, kündigt Dagmar Bendzmira an, die über sich selbst sagt: „Ich habe das Singen im Blut. Wenn ich zu Hause das Lied ,Das Mädchen von Haithabu‘ von Santiano anstimme, singen meine Enkelinnen begeistert mit.“

Die Vorsitzende hat sich viele Gedanken darüber gemacht, wie der Chor neue Mitglieder finden kann. Früher sei das nicht nötig gewesen: „Damals hatten sich viele Schülerinnen und Schüler für das Singen in einem klassischen Chor interessiert, die Kinder der Chormitglieder hatten wie meine Tochter ungeduldig darauf gewartet, dass sie endlich alt genug sind. Heute kommen Jugendliche nicht mehr so häufig in Berührung mit klassischer Musik – sie interessieren sich mehr für Modernes.“

Viele sehr anspruchsvolle Oratorien und Messen hat der Schubertchor in seiner Geschichte gesungen. „Nachdem wir ,Ode an die Freude‘ von Ludwig van Beethoven gesungen hatten, war ich drei Wochen heiser“, berichtet Dagmar Bendzmira, für die ein weiterer Höhepunkt die Kantate „Carmina Burana“ von Carl Orff war. „Wir sind mit einem Orchester, einem Mädchenchor und Solisten aufgetreten – eine tolle Erfahrung.“

Ähnlich anspruchsvolle Stücke wie dieses seien derzeit aber nicht möglich, weil die zumeist älteren Sängerinnen und Sänger nicht mehr dieselbe Kraft wie früher in ihren Stimmen haben. „Unsere jüngste Sängerin ist zwar erst Ende 40, aber im Schnitt sind wir über 70 Jahre“, erklärt Dagmar Bendzmira, die auf diesem Wege neue Mitglieder finden will: „Wir sind immer offen für neue Sängerinnen und brauchen vor allem ganz dringend Männerstimmen.“

Die Vorsitzende macht Interessierten Mut, es einfach mal zu probieren: „Es sind keinerlei Vorkenntnisse erforderlich. Bei uns muss auch niemand vorsingen. Nicht einmal Notenkenntnisse müssen vorhanden sein. Jeder kann singen lernen – und wir unterstützen neue Mitglieder dabei“, verspricht Dagmar Bendzmira.

Sie ist froh, mit Max Dörner, selbst erst Mitte 30, im Mai vergangenen Jahres einen jungen Chorleiter gefunden zu haben: „Er war beim Dresdener Kreuzchor und ist ausgebildeter Sänger. Er bringt frischen Wind rein.“

Zusätzlich zu den wöchentlichen Chorproben und etwa zwei Konzerten pro Jahr nimmt die Gesellschaft seit jeher einen wichtigen Raum ein: „Wir treffen uns an unserem Stammtisch, haben viele Chorwochenenden verbracht und sind sogar bereits nach Rom gereist. So etwas möchte ich wieder aufleben lassen, wenn sich uns wieder mehr Jüngere anschließen.“

Wer Teil des Schubertchores werden möchte, kommt heute zur Probe, informiert sich unter www.schubert-chor-achim.de oder meldet sich bei Dagmar Bendzmira unter Telefon 04202/2060.

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