Zukunft der Innenstadt als Zankapfel

Achim – Ist die Achimer Innenstadt, die außerhalb der Wochenmarktzeiten oft wie ausgestorben wirkt, noch zu retten? Diese Frage wird immer mehr zu einem politischen Zankapfel. Während Rot-Grün im Stadtrat an dem Ziel festhält, mehr Läden und Leben in die Fußgängerzone und umzu zu bekommen und deshalb die Ansiedlung weiteren Einzelhandels mit sogenannten zentrenrelevanten Sortimenten außerhalb dieses Bereichs strikt ablehnt, erachtet Schwarz-Gelb es durchaus als erstrebenswert, neue konkurrierende Angebote auch außerhalb der kleinen City zuzulassen.
In der Sitzung des Ratsausschusses für Wirtschaft, Stadtentwicklung und Klimaschutz am Dienstag im Ratssaal prallten die unterschiedlichen Meinungen der beiden politischen Lager in dieser Angelegenheit aufeinander.
„Wie lange wollen wir denn das tote Pferd noch reiten?“, fragte Volker Wrede (CDU) und meinte damit die Achimer Innenstadt. Er spielte damit auf die von der Verwaltung vorgeschlagene Veränderungssperre und die Aufstellung eines Bebauungsplans für das Gewerbeareal am Fritz-Lieken-Eck an. In der Beschlussvorlage für die Sitzung heißt es dazu: „Die wesentlichen Ziele der Planung sind die Sicherung eines Gewerbestandortes in zentraler, verkehrsgünstiger Lage sowie die Steuerung der zentren- und nahversorgungsrelevanten Einzelhandelsnutzungen zugunsten der Achimer Innenstadt.“
Wrede und sein Fraktionskollege Martin Puls schüttelten darüber den Kopf. Neue Läden am Fritz-Lieken-Eck wären doch für die Bewohner des ganz in der Nähe entstehenden Lieken-Quartiers bequem zu erreichen und sollten von der Stadt nicht verhindert werden, äußerten sie.
Hans Baum (FDP) schlug in dieselbe Kerbe. „Ich habe den Eindruck, dass wir paar hundert Meter Obernstraße in der Fußgängerzone verteidigen – dorthin soll sich alles zentrieren.“ Dabei bekomme die Mini-City allerdings nicht die gewünschte Frequenz und Anzahl zugkräftiger Anbieter. „Ist die Innenstadt noch das Geschäftszentrum?“, fragte Baum und forderte: „Wir müssen uns neuen Ansätzen öffnen.“
Joachim Munderloh (AfD) nickte zustimmend. Er unterstütze das von seinen Vorrednern Gesagte.
Kontra kam dagegen von Werner Wippler (SPD). „Wir sollten jetzt nicht resignieren und Einzelhandel überall zulassen“, entgegnete er Baum, Wrede und Co.
Jürgen Kenning (Grüne) schloss sich dieser Haltung an und formulierte drastisch: „Auch wenn CDU und FDP die Innenstadt aufgegeben haben, wir kämpfen weiter für sie.“
Selbst Steffen Zorn, Leiter des Fachbereichs Bauen und Stadtentwicklung im Rathaus, kritisierte die Position der Christlichen und Freien Demokraten in der Sache. „Wir senden fatale Signale für die Innenstadtentwicklung“, gab der führende Verwaltungsmitarbeiter zu bedenken.
Am Ende gab es relativ deutliche Mehrheiten für die Instrumente, mit denen die Stadt verhindern will, dass zwei bestehende Gewerbebetriebe am Fritz-Lieken-Eck aufgegeben und in Standorte für Einzelhandel umgewandelt werden. Für die Aufstellung eines Bebauungsplans für das Areal stimmte neben drei SPD-Vertretern und zwei Grünen auch FDP-Mann Baum, während Puls (CDU) dagegen war und seine Parteifreunde Wrede und Annameta Rippich sich der Stimme enthielten. Rippich votierte neben Rot-Grün jedoch mit für die Veränderungssperre, Baum und Puls sagten hier „nein“, bei Enthaltung von Wrede.
Die Entscheidung über die siebte Änderung des Bebauungsplans „Planstraße“, hinter dem sich der vorgesehene Umbau des Sparkassengebäudes in der Fußgängerzone verbirgt, wurde dagegen auf Antrag der Grünen und mit den Stimmen der SPD vertagt. Die von der Verwaltung erstellte Synopse mit 91 Seiten vorgebrachter Anregungen und Hinweise zu dem Vorhaben sei erst nach der jüngsten Fraktionssitzung am vorigen Mittwoch eingegangen, beklagte Jürgen Kenning. Er und die übrigen Feierabendpolitiker der Grünen hätten nicht genügend Zeit gehabt, sich tief genug in die Materie reinzuknien.
Aber vieles davon sei doch hinreichend bekannt, erwiderte Volker Wrede. Über 21 Seiten erstrecke sich allein die Stellungnahme des Nabu zu dem Projekt, merkte er an.
Auch Fachbereichsleiter Zorn warnte davor, den Beschluss über den Sparkassenumbau auf Sitzungen im Frühsommer zu verschieben. Das könnte dort dann zu Leerstand führen.
Unliebsamen Verzögerungen bei diesem Punkt der Innenstadtentwicklung könne doch vorgebaut werden, hakte Werner Wippler ein. Der Sozialdemokrat schlug vor, über die eingegangenen Stellungnahmen und die Satzung für den B-Plan am 13. April im Verwaltungsausschuss und eine Woche später abschließend im Stadtrat abzustimmen.

Der Fachausschuss befürwortete diese Vorgehensweise einhellig und beauftragte darüber hinaus die Verwaltung, eine Vereinbarung mit dem Vorhabenträger abzuschließen sowie Gespräche mit dem Eigentümer der Marktpassage zu führen. Letzterer habe bisher kein Interesse daran, das Einkaufszentrum in Richtung der beabsichtigten Ladenzeile im Sparkassengebäude zu erweitern, informierte Stadtplanerin Layla Smorra.
Insgesamt zehn Wohnungen, zwischen 50 und 100 Quadratmeter groß, in drei Geschossen sollen gegenüber vom Rathaus entstehen, berichtete Tobias Grashoff vom Vorhabenträger GMD-Architekten aus Bremen. „Zwei Drittel der Fassaden sollen begrünt werden.“ Das Energiekonzept sehe den Betrieb von Wärmepumpen, ergänzt durch Fotovoltaikanlagen auf dem Dach, vor. Mit den Achimer Stadtwerken liefen Gespräche, ob eventuell die bis zum Rathaus reichende Fernwärmeleitung verlängert werden könnte.
Offen ließ Grashoff, was aus der 150 Jahre alten Buche auf dem Parkplatz hinter dem Gebäude wird. „Der Baum steht relativ ungünstig da. Die Krone würde über den geplanten Neubau hinwegreichen“, äußerte der Planer.
„Der Baum ließe sich ohne Weiteres erhalten“, entgegnete Sven Adamietz (Nabu). „Die Krone müsste nur etwas gestutzt werden.“ Es sei nicht geplant, die Buche leichtfertig zu opfern, versicherte Investor Kai Amir-Sehhi.
Werner Wippler fragte Bürgermeister Rainer Ditzfeld schließlich noch nach der Zukunft der Marktpassage. Rossmann wolle ja bekanntlich aufs Lieken-Gelände umziehen. Und ob Rewe an dem Standort bleibe, sei unklar. „Wir haben ja schon genug Leerstände hier“, stellte Wippler fest. Ditzfeld blieb eine Antwort schuldig.