1. Startseite
  2. Lokales
  3. Landkreis Verden
  4. Achim

Serie „Achim – Gestern & Heute“: Jörg Karaschewski erinnert an das Café Kläning in Achim

Erstellt:

Von: Dennis Bartz

Kommentare

Das Café Kläning war bis Mitte der 1990er-Jahre ein beliebter Treffpunkt.
Das Café Kläning war bis Mitte der 1990er-Jahre ein beliebter Treffpunkt. © PRIVAT

Achim – In dieser Folge der Serie „Achim – Gestern & Heute“ erinnert der Heimatforscher und Administrator der gleichnamigen Facebook-Gruppe, Jörg Karaschewski, an die bewegte Geschichte des Gebäudes mit der Hausnummer 66 an der Obernstraße in Achim.

Manche Gebäude sind den Menschen aus völlig unterschiedlichen Gründen in guter Erinnerung, berichtet er. Dort, wo heute an der Obernstraße 66 im Erdgeschoss die Buchhandlung Hoffmann residiert, waren in den Jahren davor drei unterschiedliche Lokalitäten, von denen ältere Achimer noch erzählen können.

Während im Erdgeschoss über viele Jahre ein Spar-Markt eine zeittypische regionale Einkaufsmöglichkeit bot, beherbergte das Obergeschoss mit seinen auffälligen Panoramafenstern nacheinander zwei heute kaum noch bekannte Lokale: zunächst Anfang der 1970er-Jahre das Saskatchewan, das über eine verhältnismäßig enge Treppe erreichbar war. Das „Sas“, wie es genannt wurde, war eine der ersten Discos in Achim. Es öffnete bereits um 16 Uhr.

Dort fanden auch Live-Auftritte mal mehr, mal weniger bekannter Künstler statt. Unter anderem stand Schlagersänger Ricky Shayne, heute 78 Jahre alt, dort auf der Bühne. Zeitzeugen erinnern sich an viel Alkohol, vorzugsweise Persiko, und vereinzelt auch Handgreiflichkeiten, die auf der engen Treppe endeten.

Mitte der 1970er-Jahre wurde das Konzept leicht geändert und der Name „Whisky a Gogo – Abendlokal“ zierte die von der Jever-Brauerei finanzierte Leuchtwerbung, sie verdrängte damit das Ahornblatt des Saskatchewan.

Eine Musicbox, ein Airhockey-Tisch und ein Flipper-Automat sorgten für entspannte Atmosphäre hinter dicken roten Samtvorhängen, die auch schon das Saskatchewan nutzte.

Es wird berichtet, dass die Musicbox auch schon mal die Treppe heruntergeworfen wurde, um einem Polizeieinsatzkommando, das aus Verden wegen einer Schlägerei gerufen wurde, den Zugang zu versperren.

In dem Gebäude an der Obernstraße ist heute die Buchhandlung Hoffmann beheimatet.
In dem Gebäude an der Obernstraße ist heute die Buchhandlung Hoffmann beheimatet. © BARTZ

Im Februar 1979 kam der Bäckermeister Karsten Kläning aus Bremen nach Achim und eröffnete im Gebäude ein Café. Und das entwickelte sich schnell zu einem der beliebtesten Treffpunkte für Schüler mit Freistunden (oder wie auch immer sie das Schwänzen nannten). Aber auch andere Gäste, die sich mittags oder nachmittags zum Kaffee treffen wollten, sowie alle, die schauen wollten, was in der Stadt so los war, kehrten dort gern ein.

Der Keller beherbergte die Backstube. Gäste betraten das Café über den Verkaufsraum im Erdgeschoss. Dort konnte man sich das selbst produzierte Backwerk, aber auch Kaffee und Süßes kaufen. Wer länger bleiben wollte, suchte sich am Tresen Kuchen aus und stieg über eine Treppe in das Obergeschoss. Dort gab es insgesamt 120 Plätze – die Tische und Stühle an den Panoramafenstern waren immer als erstes besetzt. Dort saß man warm und trocken und konnte beobachten, wer so in der Stadt unterwegs war.

Im Café Kläning wurde Nachhaltigkeit betrieben, bevor es das Wort überhaupt gab. Gerade die Schüler liebten das verbilligte Gedeck mit Backwaren vom Vortrag. Der Käsekuchen war nach einem Tag eigentlich besser als am Vortag. Baguettes, Rumkugeln, Apfelkuchen und Sorbets – jeder, der sich an das Café erinnert, hatte sein Lieblingsessen. Das Schülerfrühstück mit einem Matschbrötchen und Getränk war bereits für eine Deutsche Mark zu haben.

Saß man oben am Fenster, hatte man die vorbeieilenden Menschen im Blick. Man sah, wer zu Serafin ging oder von dort eisschleckend in die Stadt lief.

Im heute nicht mehr existierenden Gebäude gegenüber befand sich ein Buchladen, ein Reformhaus und für die jüngeren Leute ein Laden, der nicht nur Krims-Krams hieß, sondern auch solchen verkaufte.

Es war interessant zu beobachten, wer dort ein- und ausging, beladen mit Orangen- oder Erdbeertee, Patchouli-Duft, günstigem chinesischen Teeservice, Lipgloss mit Erdbeerduft, preiswertem Geschmeide für die erste Freundin oder auch Räucherstäbchen. War man irgendwo zum Geburtstag eingeladen, fand man dort immer ein passendes Mitbringsel. Nach der Stadtsanierung und dem Bau der innerstädtischen Umgehungsstraße war das Café Kläning von der Entwicklung der Innenstadt abgehängt – und irgendwie gab es von oben auch gar nicht mehr so viel zu gucken, mit Ausnahme des zunehmenden Autoverkehrs. Mitte der 1990er-Jahre schloss das Café. Die Handwerksbäckerei Kläning betrieb in Achim drei Filialen, 2018 schlossen sie aus gesundheitlichen Gründen des Inhabers.

Auch interessant

Kommentare