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Tarnzonen und andere Gefahren: Gründe gegen Kompromiss bei der Nachtabschaltung

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Von: Christian Walter

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An den Kreiseln mit ihren Zebrastreifen, wie hier am Freibad, leuchten alle Laternen die ganze Nacht. Ein Kompromiss für andere Bereiche, nur jede zweite Lampe auszuschalten, ist wegen der Verkehrssicherheit keine Option.
An den Kreiseln mit ihren Zebrastreifen, wie hier am Freibad, leuchten alle Laternen die ganze Nacht. Ein Kompromiss für andere Bereiche, nur jede zweite Lampe auszuschalten, ist wegen der Verkehrssicherheit keine Option. © Christian Walter

In Achim gibt es Bürgerinnen und Bürger, die sich einen Kompromiss bei der nächtlichen Straßenbeleuchtung wünschen. Jede zweite Lampe leuchten zu lassen, ist wegen der Verkehrssicherheit allerdings keine Option.

Schon seit vielen Jahren geübte Praxis, dass es nachts auf den Straßen dunkel bleibt, ist es beispielsweise in Langwedel oder den Gemeinden links der Weser. In Achim und Verden wurde die Nachtabschaltung der Straßenbeleuchtung erst im vergangenen Jahr als Reaktion auf hohe Energiepreise infolge des Krieges in der Ukraine beschlossen. Unterdessen lässt Oyten alle Lampen leuchten, weil die Kosten für eine nötige Umrüstung wegen der dreiadrigen Kabel den Nutzen übersteigen würden (wir berichteten).

So uneinheitlich die Nachtabschaltung der Laternen in den Kommunen im Landkreis Verden gehandhabt wird, so uneinheitlich sind auch die Meinungen in der Bevölkerung dazu, gerade dort, wo die Abschaltung noch neu und ungewohnt ist, wie auch in Achim. Die einen befürworten die Energie- und Kosteneinsparung, andere fürchten nachts um ihre Sicherheit, ob unterwegs auf den Straßen oder zu Hause wegen möglicher Einbrecher, und die dritte Fraktion hätte gerne einen Kompromiss gesehen und jede zweite Lampe eingeschaltet gelassen. Doch so einfach wie das klingt, ist das nicht – aus technischen und weiteren Gründen.

Punktuelle Abschaltung bei fünfadrigen Stromleitungen theoretisch möglich

Was ohnehin gegeben sein muss, was ja auch umgesetzt wurde, und worüber auch niemand diskutiert, ist die nächtliche Beleuchtung von Fußgängerüberwegen oder Tunneln. Die Grundvoraussetzung dafür, die Hälfte der restlichen rund 4 500 Achimer Straßenlaternen weiterhin leuchten zu lassen, beispielsweise jede zweite Laterne, um nicht ganze Straßenzüge im Dunkeln liegen zu lassen, sind entsprechende fünfadrige Stromleitungen im Boden entlang der Straßen. In Oyten gibt es diese, wie erwähnt, nicht. In großen Teilen Achims schon, allerdings nicht flächendeckend.

Werden einzelne Leuchten ausgeschaltet, entstehen gefährliche dunkle Bereiche, sogenannte „Tarnzonen“. Sie erhöhen die Unfallgefahr deutlich.

Janina Neuhaus, Stadtwerke Achim

Rein theoretisch könnte in Teilen der Stadt also nur jede zweite Lampe ausgeschaltet werden, wie die Stadtwerke Achim auf Nachfrage bestätigen: „Technisch gesehen bieten fünf Adern, wenn verlegt, die Möglichkeit, einzelne Leuchten beziehungsweise auch jede zweite Straßenlampe leuchten zu lassen.“ Sogleich folgt in der Antwort allerdings ein gewichtiges „Aber“, und zwar in Sachen Verkehrssicherheit: „Werden einzelne Leuchten ausgeschaltet, entstehen gefährliche dunkle Bereiche, sogenannte ,Tarnzonen‘. Sie erhöhen die Unfallgefahr deutlich, da ein Kraftfahrer andere Verkehrsteilnehmer in diesen Dunkelzonen zu spät erkennen kann. Damit würde die Fahrspur die Anforderungen im Hinblick auf gleichmäßige Verteilung der Leuchtdichte beziehungsweise Beleuchtungsstärke nicht erfüllen, und die Verkehrssicherung wäre nicht gewährleistet“, schreibt Janina Neuhaus von den Stadtwerken dazu. Der örtliche Energieversorger betreibt die Straßenbeleuchtung im Auftrag und nach den Vorgaben der Stadt Achim, bei der die Verkehrssicherungspflicht liegt.

Die allermeisten Straßenlaternen in der Stadt werden seit dem 9. November nachts ausgeschaltet, um Energie zu sparen. Gekennzeichnet ist das mit rot-weißen Banderolen.
Die allermeisten Straßenlaternen in der Stadt werden seit dem 9. November nachts ausgeschaltet, um Energie zu sparen. Gekennzeichnet ist das mit rot-weißen Banderolen. © Christian Walter

„Wir haben in Achim vor der nächtlichen Abschaltung der Straßenbeleuchtung sehr gewissenhaft geprüft, worauf zu achten ist“, teilt Rathaussprecher Kai Purschke auf Anfrage mit, und nennt drei große Aspekte: Einerseits die Markierung der betroffenen Laternen mit den rot-weißen Banderolen, die die Nachtabschaltung signalisieren, zum Zweiten die ständige Beleuchtung von Fußgängerüberwegen und drittens die Einhaltung der sogenannten „DIN-Norm 13201“. Diese regelt die Anforderungen an die Straßenbeleuchtung, beispielsweise auch im Hinblick auf Gleichmäßigkeit und Lichtstärke, abgestimmt auf den jeweiligen Einsatzort, also die Art der Straßen und gegebenenfalls Wege, die sie bestrahlen, oder auch Umgebungslicht und die Zusammensetzung des Verkehrs. Auf die Einhaltung dieser DIN-Norm berufen sich auch die Stadtwerke.

Man spricht von Hell-Dunkel-Feldern und ständigen Hell-Dunkel-Effekten, die für Verkehrsteilnehmende irritierend und verwirrend sein können und das Unfallrisiko erhöhen können.

Kai Purschke, Sprecher Stadt Achim

Kai Purschke formuliert das Problem mit der Ungleichmäßigkeit der Straßenbeleuchtung so: „Die Verkehrssicherheit wäre gefährdet, wenn jede zweite Lampe nachts brennen würde und sich in einem der dunklen Bereiche zum Beispiel eine Einmündung, Kreuzung oder eine Kurve befindet. Man spricht von Hell-Dunkel-Feldern und ständigen Hell-Dunkel-Effekten, die für Verkehrsteilnehmende irritierend und verwirrend sein können und das Unfallrisiko erhöhen können.“

Fährt ein Autofahrer also nicht über gleichmäßig beleuchtete Straßen – ob nun einheitlich hell oder einheitlich dunkel – wäre der Lichtkontrast zu groß, gerade beim regelmäßigen Wechsel von einer beleuchteten Stelle in den Bereich dahinter. In diesen „Tarnzonen“ würden Objekte wie geparkte Autos oder auch Personen sich nicht mehr deutlich genug von der Umgebung abheben, wie der Fahrbahn selbst oder den Straßenrändern. Grob zusammengefasst könnte man also sagen: Ganz dunkel ist in Bezug auf den Straßenverkehr immer noch sicherer als halb dunkel.

Erhöhung von Kriminalität statistisch nicht nachweisbar

Über den Sicherheitsaspekt in Sachen Kriminalität im Zusammenhang mit der Nachtabschaltung sprach die Achimer Kontaktpolizistin Katja Brammer kürzlich bei einem Treffen der Achimer Landfrauen. Demnach gebe es „keine statistischen Zahlen“, die einen entsprechenden Anstieg belegen würden, „auch nicht in anderen Städten, die das schon seit 10 oder 15 Jahren machen“.

Und: So uneinheitlich die Meinungen der Bürgerinnen und Bürger über Kosten, Energie, Klimaschutz und Sicherheit sind, so uneinheitlich wäre bei einer halbierten Beleuchtung sicherlich auch das Gerechtigkeitsempfinden, von den unzähligen individuellen Gegebenheiten an den Grenzen zwischen Grundstücken und öffentlichen Straßen ganz zu schweigen. Das Stichwort „Gleichbehandlung“ gehört bei dem Thema zur Wahrheit ohne Frage auch dazu.

Von Christian Walter

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