Fehmarn: „Missstände“ in der Kita „Gänsewiese“ beschäftigen Staatsanwaltschaft

Die Kita „Gänsewiese“ in Petersdorf ist für U 3-Kinder geschlossen. „Misstände“ beschäftigen die Staatsanwaltschaft.
- Ermittlungen zum angezeigten Sachverhalt dauern an.
- In Eigenregie eine Kinderbetreuung im Pastorat errichet.
- Fünf Kinder dürfen maximal 15 Stunden in der Woche durch Ehrenamtliche betreut werden.
Fehmarn – Wer morgens früh mit der Arbeit beginnt, hat im Vorwege schon einiges zu erledigen. Zum Beispiel müssen die Kinder in die Kita gebracht werden. Im Idealfall können sich zwei Elternteile um den jungen Nachwuchs kümmern. Doch was ist, wenn die Kita plötzlich schließt und es inselweit keine weiteren Möglichkeiten für eine Unterbringung gibt?
Seit 16. Januar geschlossen
„Es gibt Nächte, da schlafe ich kaum noch, weil mir das Thema Kita nicht aus dem Kopf geht.“ Das sagt Michael Beddig, ein besorgter Vater, dessen Kind in der Kita „Gänsewiese“ in Petersdorf untergebracht ist – theoretisch. Es ist jedoch die Realität, die den jungen Familienvater nicht schlafen lässt. Bereits zum 25. November 2022 wurden die Eltern über eine bevorstehende Schließung der „Sonnengruppe“ für die unter Dreijährigen informiert. Zum 16. Januar musste dies letztendlich umgesetzt werden. Grund dafür seien „einige Missstände, die dringend behoben werden müssen“, beschreibt Marco Heinen, Pressesprecher des Kirchenkreises Ostholstein, die aktuelle Lage in einer Stellungnahme. Konkreter wird er nicht.
Die Not der Eltern, aber vor allem die in der Öffentlichkeit nicht näher beschriebenen vermeintlichen Missstände beschäftigen in der Zwischenzeit nicht nur den Träger der Einrichtung, sondern auch die Staatsanwaltschaft Lübeck. Dr. Jens Buscher, Oberstaatsanwalt und Pressesprecher, bestätigt auf Nachfrage, dass bei der Staatsanwaltschaft Lübeck ein entsprechendes Verfahren geführt werde. Die Ermittlungen zu dem angezeigten Sachverhalt würden gegenwärtig andauern. Die Kirchengemeinde bestätigte ihrerseits die Klärung von Rechtsfragen.
Die Kirchengemeinde ist Träger der Kita „Gänsewiese“. Dieser sei gegenüber der Stadt vertraglich dazu verpflichtet, 20 Regelplätze (fünf Stunden), 15 altersgemischte (6,5 Stunden) und fünf Tagespflegeplätze am Nachmittag (fünf Stunden) anzubieten. Dies kann aktuell nicht erfüllt werden.
Bislang keine befriedigende Lösung
Michael Beddig hat daraufhin das Gespräch gesucht, doch an der prekären Betreuungssituation habe sich aufgrund des vorherrschenden Krankenstandes grundlegend nichts verändert. Zwar sei man weiter im Gespräch, eine befriedigende Lösung habe sich aber nicht ergeben, so Beddig. „Der seit 1. Januar tätige neue Kirchengemeinderat und der ebenfalls seit 1. Januar im Amt befindliche Pastor Noel-Hendrik Klentze bemühen sich in Zusammenarbeit mit dem Kita-Werk und dem Kirchenkreis Ostholstein sowie im engen Austausch mit der Stadt Fehmarn und dem Kreis um eine Aufarbeitung und rasche Verbesserung der Situation im Interesse der Kinder und der Eltern. Dennoch ist offensichtlich, dass die Situation für einen Teil der Elternschaft derzeit höchst unbefriedigend ist“, erkennt auch die Kirchengemeinde die Not der Eltern. Erschwerend hinzu komme, dass eine Mitarbeiterin der „Regenbogengruppe“, in der die über Dreijährigen untergebracht sind, zum April dieses Jahres die Arbeitsstätte verlassen wird, ergänzt Beddig. „Einige Eltern haben in beiden Gruppen Kinder, sodass diese jetzt doppelt betroffen sind.“
Seitdem stehen die Eltern vor einer Fülle von Problemen. „Es sind richtige Existenzängste entstanden, aktuell können wir uns noch gegenseitig helfen, aber die Saison steht vor der Tür, dann sind gerade Selbstständige wieder stärker im Beruf eingebunden. Einige Eltern mussten sich für die Betreuung freistellen lassen“, so der Elternvertreter Beddig.
Auch Oma und Opa können nicht den ganzen Tag – die Kita hatte von 7.30 bis 14 Uhr geöffnet – die Rasselbande hüten.
Auch die Räumlichkeiten der Kita könnten die Eltern nicht nutzen. Stattdessen haben sie in Eigenregie das Mobiliar und diverse Spielzeuge, Matten, Rutschen und vieles mehr ins Pastorat in Petersdorf umgeräumt, um wenigstens für 15 Stunden eine geeignete Unterbringung vorweisen zu können. Das Pastorat als Übergangslösung hat der Träger zur Verfügung gestellt, um den Versicherungsschutz zu gewährleisten. „Das sind nur zwei Tage in der Woche. Diese Zeiten sind natürlich bei Weitem nicht ausreichend“, so Michael Beddig. „Auch Oma und Opa können nicht den ganzen Tag – die Kita hatte von 7.30 bis 14 Uhr geöffnet – die Rasselbande hüten. Einige haben auch keine Verwandtschaft auf Fehmarn.“ Aus der Not heraus haben die Eltern sich dazu entschlossen, entsprechendes Personal zu suchen. Mit einer Dame sei der Träger im Gespräch.
„Wir suchen dringend Unterstützung. Wir suchen Personen mit erzieherischem Hintergrund, die Lust und Zeit haben, uns zu helfen. Die Räumlichkeiten sind in Petersdorf vorhanden, versichert ist auch alles“, so Beddig.
Vor allem rechtlich gelte es, so einiges zu beachten. Viele der Eltern wechselten sich mit dem „Babysitten“ ab, doch als ehrenamtlich Tätige würden sie maximal fünf Kinder für 15 Stunden in der Woche betreuen dürfen, sagt Michael Beddig.
Angespannte Situation und Wartelisten
Wie Björn Maier von der Stadt Fehmarn jüngst im Ausschuss für Kultur, Schule, Sport und Soziales mitteilte, habe die Stadt eine neue Bedarfsplanung seitens des Kreises erhalten. Daraus gehe hervor, dass die Versorgungslage in den sieben Kitas auf Fehmarn bei den unter Dreijährigen angespannt sei und es Wartelisten gebe. Maier habe bereits auf die ernste Lage vor Ort hingewiesen, denn erst im vergangenen Jahr sei eine kleine Gruppe in Puttgarden weggefallen. „Zu sagen, die Lage sei angespannt, ist meines Erachtens nach eine Frechheit“, so der Verwaltungsmitarbeiter. Und weiter: „Wir sind an dem Punkt, an dem wir ganz dringend etwas tun müssen.“ Auf eigene Faust könne die Stadt finanziell keine Kitas errichten. Bei den über Dreijährigen habe der Kreis eine sichere Versorgung bei hoher Auslastung festgestellt. „Da musste ich fast lachen. Diese Informationen würde ich gerne weitergeben an die Kitaleitungen, die lange Wartelisten haben.“ Die Telefone würden in den Kitas nicht stillstehen. Daher habe man auch die Kinder aus der Kita „Gänsewiese“ nicht anderenorts unterbringen können.
Die Kirche sollte sich in die Ecke stellen und sich schämen
In die als durchaus schlecht zu bezeichnende Stimmung stimmte auch der stellvertretende Bürgermeister Heinz Jürgen Fendt (SPD) in Richtung Petersdorf ein: „Wir sind dran, aber es ist nicht nur alleine unsere Aufgabe, es ist auch Sache der Kirche. Die Kirche sollte sich in die Ecke stellen und sich schämen.“
Zwar sei in dem geplanten Neubaugebiet in der Gorch-Fock-Straße eine Kindertagesstätte eingeplant, bis zur Fertigstellung müssten jedoch noch weitere Alternativen geschaffen werden.