Whatsapp ersetzt nicht den Freund

Visselhövede – Lieber Freunde treffen, statt Fifa auf der Playstation daddeln. Lieber Sport machen, statt sich stundenlang in irgendwelchen Whatsapp-Gruppen zu schreiben. Das sind einige Vorgaben, die Eltern ihren Kindern und Jugendlichen fast täglich aufs Brot schmieren. Was aber, wenn der Nachwuchs kein Sport machen und kaum Freunde treffen darf wie in den vergangenen Monaten.
„Dann bleibt halt nur das Handy oder das Tablet“, sagt Hauke Burgdorf vom Verein Smiley zur Förderung der Medienkompetenz aus Hannover.
Das sei ja zu Zeiten von Distanzunterricht und digitalem Lernen auch nicht weiter schlimm, aber: „Die jungen Menschen brauchen einfach Informationen über den gesunden Umgang mit Internet, Computerspielen und Handy.“ Und genau darum veranstaltet Burgdorf zurzeit einen Workshop mit den sechsten Klassen der Visselhöveder Oberschule – wegen des Wechselunterrichts natürlich in doppelter Ausführung.
Denn es ist für die Heranwachsenden nicht leicht, sich in der Welt von sozialen Netzwerken und Onlinespielen zurechtzufinden. „Vor allem geht es bei diesen Workshops um das Thema Sicherheit für sensible Daten, den Umgang mit der Datenflut und Cybermobbing“, erläutert Burgdorf, Mann der ersten Stunde des Vereins.
Nicht selten: Täglich 200 Nachrichten im Handy
Und der Diplom-Sozialarbeiter weiß, wovon er spricht: „Mehr als 200 Nachrichten am Tag in verschiedenen Whatsapp-Gruppen – die meisten im Klassenchat. Davon berichten die Schüler.“ Diese Zahl sei kaum zu bewältigen, darum müsse den Kindern und Jugendlichen die Sicherheit vermittelt werden, getrost viele dieser Nachrichten einfach zu ignorieren. „Die Frage nach den Hausaufgaben geht unter zwischen Emojis, lustigen Videos und verschiedenen Fotos, aber ein Verzicht auf Whatsapp zum Beispiel stellt für viele Schüler keine Alternative dar.“
Also müssten sie lernen, wie sie sich schützen, falls das Handy mal weg ist und man nicht möchte, dass Bilder Nachrichten und Adressen in falsche Hände geraten. „Ihnen muss auch bewusst sein, dass eine Kommunikation am Handy niemals ein persönliches Gespräch ersetzen kann. Weil Gestik, Mimik und Stimme komplett fehlen. Da können noch so viele lachende Emojis gesendet werden, sie ersetzen nicht die echten Gefühle“, vermittelt Burgdorf den Sechstklässlern spielerisch in einer Art Fernsehshow.
Auch mögliche Missverständnisse, das Teilen von Bildern und Nachrichten, das stundenlange Spielen am Bildschirm und was das mit den Menschen macht, wurden ausführlich thematisiert. Die Fachleute von Smiley stellen dabei aber auch immer wieder fest: „Das Bauchgefühl der Kinder ist großartig, nicht selten entstehen in konstruktiven Diskussionen großartige Strategien für das Miteinander online.“
Dabei gehe es nicht nur um Whatsapp, sondern um Antworten zu finden auf die Fragen: Wie wichtig sind Likes bei Instagram? Wie schütze ich meine Privatsphäre in sozialen Medien? Was veranlasst Menschen, stundenlang online zu spielen? Und nicht zuletzt: Was macht das Smartphone während der Hausaufgaben oder beim Schlafengehen?
In dem Klassenworkshop werde bedarfsgerecht und bedürfnisorientiert gemeinsam mit den Schülern ein gesunder Umgang mit Internet, Computerspielen und Handy erarbeitet, so Burgdorf. Natürlich werde auf die jeweilige Nutzungsart der Kinder geachtet.
„Wenn wir jetzt Stück für Stück in den Nach-Corona-Alltag zurückkehren, wird es für Eltern und für die Kinder natürlich etwas schwieriger, den mittlerweile gewohnten Bildschirm auszuschalten.
„Wenn wir jetzt Stück für Stück in den Nach-Corona-Alltag zurückkehren, wird es für Eltern und für die Kinder natürlich etwas schwieriger, den mittlerweile gewohnten Bildschirm auszuschalten“, weiß auch der Pädagoge von der Zwickmühle in der sich auch die Schulen befinden.
„Aber wir sind in regelmäßigem Austausch mit den Eltern und haben dabei auch dieses Themenfeld im Blick“, so Sinje Fitschen, die didaktische Leiterin der Oberschule, die gemeinsam mit dem Kollegium den Workshop organisiert hat, der aus dem Schuletat finanziert wird.
Von einer starren zeitlichen Begrenzung der Bildschirmaktivität der Kinder nach dem Alter gestaffelt, hält Hauke Burgdorf übrigens nichts: „Eltern müssen einfach darauf achten, dass sich alles im Rahmen hält, dass ihre Kinder Freunde noch real treffen, dass sie draußen sind und das sie sich bewegen. Computer sollten nie wichtiger werden als Freunde.“
Von Jens Wieters