Blutrache-Mordprozess in Verden: Verteidigung prüft Abschluss der Beweisaufnahme

Gibt es einen Alternativtäter im Fall des Blutrache-Mordprozesses? Die Verteidigung prüft den Abschluss der Beweisaufnahme.
Visselhövede/Verden – Nach 43 Verhandlungstagen ziehen die Verteidiger im Blutrache-Mordprozess am Landgericht Verden einen anderen Mann als ihren 36 Jahre alten Mandanten als Todesschützen in Betracht. Wenn sie weitere Akteninhalte geprüft haben, wollen sie entscheiden, ob weitere Beweisanträge folgen oder die Beweisaufnahme geschlossen werden kann.
Die Schwurgerichtskammer habe sich bereits mit der Frage möglicher Alternativtäter beschäftigt, betonte der Vorsitzende Richter Volker Stronczyk. Sollten die Verteidiger das Thema aber noch weiter angehen wollen, „dann nicht mit Überschleunigung, sondern mit Ruhe und Geduld“, betone der Vorsitzende.
Ich habe ein bisschen das Gefühl, dass in diesem Ermittlungsverfahren wirklich jeder Stein umgedreht worden ist.
Notwendigkeit für weitere Aufklärungsarbeit sieht der Vorsitzende offenbar nicht. „Ich habe ein bisschen das Gefühl, dass in diesem Ermittlungsverfahren wirklich jeder Stein umgedreht worden ist“, sagte Stronczyk. Aus den Akten ergebe sich nicht der Eindruck, dass „irgendwo etwas verheimlicht worden ist“. Rund 50 000 Seiten umfassen laut dem Vorsitzenden die Akten. Alles könne nicht in die Hauptverhandlung eingeführt werden. „Sonst würden wir noch in drei Jahren hier sitzen“, merkte er an.
Übers Wochenende wollten die Verteidiger des 36-Jährigen weitere Unterlagen prüfen, die sie allerdings am Freitagmorgen noch nicht komplett vorliegen hatten. Als Alternativtäter ziehen sie einen ehemaligen Mitbewohner des bislang einzigen verurteilten Mörders wegen der am 9. Januar 2017 verübten Tat in Betracht.
Handschuh mit DNA
Laut Anklage war es jedoch der 36 Jahre alte Angeklagte, der morgens vor einer Grundschule in Visselhövede auf das Opfer mehrer Schüsse abgefeuert hatte. Aus Rache, weil der 46-Jährige als Polizist und Security-Mitarbeiter einer Discothek am 30. Dezember 2011 in Albanien einen Bruder des heute 36-Jährigen getötet hatte. Ein weiterer Angeklagter im aktuellen Prozess soll damals das Opfer observiert haben.
Die Familie des 36-Jährige soll damals Blutrache geschworen und insbesondere der Angeklagte später jeglichen Schlichtungsversuch abgelehnt haben. Als Schützen benannt hat ihn im aktuellen Prozess sein bereits verurteilter Cousin. Dieser hatte der Polizei später gezeigt, wo in Bad Fallingbostel Tatwaffe und Täterkleidung verbuddelt worden waren. An einem Handschuh wurde die DNA des 36-Jährigen gesichert.