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Ralf Gebken im Interview: „Obrigkeitsdenken ist fatal“

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Auch äußerlich hat sich die Gemeinde Bötersen auf den Dorfwettbewerb vorbereitet. Eine Tafel an den Ortseingängen – wie hier in Höperhöfen – weißt auf „Unser Dorf hat Zukunft“ hin und lädt zur Bürgerbeteiligung. - Foto: Röhrs
Auch äußerlich hat sich die Gemeinde Bötersen auf den Dorfwettbewerb vorbereitet. Eine Tafel an den Ortseingängen – wie hier in Höperhöfen – weißt auf „Unser Dorf hat Zukunft“ hin und lädt zur Bürgerbeteiligung. © Röhrs

Hannover/Bötersen - Von Matthias Röhrs. Am Donnerstag wird es ernst in Bötersen. Die Gemeinde hat sich für den Landesentscheid des Wettbewerbs „Unser Dorf hat Zukunft“ qualifiziert. Eine Bewertungskommission ist ab 15.30 Uhr zu Gast, um sich die Kommune anzuschauen. Deren Vorsitzender ist Ralf Gebken.

Er ist tätig beim niedersächsischen Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und beschäftigt sich vornehmlich mit integrierter ländlicher Entwicklung und Dorfentwicklung. Im Interview haben wir mit ihm über den Wettbewerb gesprochen und darüber, wie ein Dorf lebenswert werden kann.

Herr Gebken, gerade laufen die Bereisungen für den Dorfwettbewerb. Was hat das überhaupt für einen Stellenwert für eine kleine Gemeinde?

Ralf Gebken: Der Stellenwert, den wir immer wieder wahrnehmen, liegt darin, dass die Gemeinden sich an den Inhalten des Wettbewerbs orientieren. Dabei setzen sie sich gezielt mit den Fragestellungen des Wettbewerbs auseinander und – ich sag es mal ganz vorsichtig – erfinden sich in Teilen auch neu. Uns haben Bürgermeister und Bürgerschaften gesagt, dass alleine die Teilnahme an und die Vorbereitung auf den Wettbewerb so viele Ideen hervorgebracht haben, dass der eine oder andere gesagt hat: „Hätten wir es nicht für den Wettbewerb getan, hätten wir es wahrscheinlich nie gemacht.“ Es entstehen schon durch die Teilnahme Ideen in den Dörfern.

Welche Notwendigkeit hat denn der Wettbewerb? Theoretisch kann sich ein Dorf ja auch ohne diesen Stein des Anstoßes mit den Fragen zu seiner Zukunft beschäftigen, oder?Ralf Gebken

Ralf Gebken
Ralf Gebken

Gebken: Der Wettbewerb als solches richtet mit seiner inhaltlichen Ausgestaltung den Fokus auf bestimmte Themen. Er ist eher der zeitliche Anlass – konkret in einem zeitlichen Rahmen –, alles einer Prüfung zu unterziehen. An welchem Punkt steht das Dorf? Was gibt es in der Dorfgemeinschaft? Wo kann man mit anderen kooperieren, wenn bestimmte Dinge fehlen? Ich vergleiche den Wettbewerb gerne mit der Leichtathletik. Viele Menschen gehen laufen, aber irgendwann will man vielleicht mal einen Wettkampf mitmachen, um zu sehen, wo man im Vergleich mit anderen steht. Außerdem gibt die Teilnahme am Dorfwettbewerb auch eine gewisse mediale Aufmerksamkeit. Alleine durch die Berichterstattung – wie auch in Ihrer Zeitung – rückt das Dorf in die Öffentlichkeit, und die Bewohner können mit ihren Maßnahmen ein Stück weit für sich Werbung machen.

Besteht denn nicht die Gefahr, dass andere, umliegende Dörfer abgehängt werden?

Gebken: Es gibt ja keine Beschränkung, was die Teilnahme am Dorfwettbewerb anbelangt. Jedem Dorf ist es freigestellt, sich – zunächst auf Kreisebene – dafür zu bewerben. Und wer dann mitmacht, hat dann erst mal seine – zwar zunächst regional begrenzte – Aufmerksamkeit. Das versuchen wir immer ein bisschen hervorzuheben. Aber wir wollen ja keine Gewinner und Verlierer herausarbeiten, sondern wollen Prozesse und Initiativen würdigen und positiv herausstellen, welche guten Ideen und Projekte entstanden sind.

Was braucht ein Dorf denn, um eine Zukunft zu haben?

Gebken: Eine engagierte Bürgerschaft, gute Ideen, Selbstbewusstsein und die Selbstständigkeit, sich um das eine oder andere selbst zu kümmern. Wichtig ist ebenfalls eine Mitnahme der Kompetenzen im Dorf. Dass man wirklich alle mitnimmt, die einen positiven Beitrag im Ort leisten können – und dass man denen, die etwas leisten, Anerkennung zukommen lässt. Zudem braucht es eine Gemeindeverwaltung, die Eigeninitiative zulässt.

Gibt es Fehler, die eine Dorfgemeinschaft machen kann, wenn sie sich für die Zukunft rüstet? Welche Themen werden da häufig unterschätzt?

Gebken: Das Schlimmste, was man machen kann, ist nichts zu tun.

Das habe ich mir schon gedacht ...

Gebken: Ich rede ungern über Fehler, ich spreche lieber über gute Beispiele. Zum Beispiel, wo eine Gemeinde in einem gewissen Rahmen die Ortsgestaltung in Eigenverantwortung des Dorfes zulässt. Also, dass man miteinander redet oder im Umkehrschluss nicht miteinander redet. Räte, Interessensgemeinschaften oder Vereine müssen miteinander sprechen und sich abstimmen, wer etwas tut und wer sich um etwas kümmert. Eine Gemeinde muss auch Ideen anderer zulassen. Obrigkeitsdenken wäre das Fatalste, das den Geist des Wettbewerbs zunichte machen kann. Sprich, wenn das Gefühl vermittelt wird, dass die Kompetenzen, die in einem Dorf schlummern, nicht aktiviert werden, weil man von oben sagen muss, was zu tun oder zu lassen ist. Es muss eine verlässliche Kommunikation stattfinden.

Was kann denn ein Dorf außerhalb des Wettbewerbs tun, um im Kleinen größere Schritte für die Zukunft zu machen?

Gebken: Wichtig ist, dass die Menschen in einem Dorf miteinander ins Gespräch kommen. Dass sie sich vielleicht mal auf einem Samstagnachmittag treffen und eine Idee für ihr Dorf entwickeln. Sie sollten einfach überlegen, was denn gut wäre, wenn man es hätte. Oder: was fehlt und um was müsste man sich mal kümmern? Man kann so etwas auch erst mal für sich selbst tun. Der Wettbewerb soll ja ein Appell sein, sich zu zeigen mit dem, was man sowieso tut. Uns ist es immer wichtig festzustellen, dass wir unheimlich viele aktive Dorfgemeinschaften in Niedersachsen haben. Darüber hinaus geht es darum, dass sie sich aus Anlass des Wettbewerbs mit seinem Leitfaden strukturiert mit den Fragen nach der Zukunft auseinandersetzen und über das Dorf nachdenkt. Dass sie sozusagen ihr eigenes, tägliches bürgerschaftliches Engagement strukturieren. Und aus dieser Struktur entstehen dann neue Ideen.

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