Ein Haus zieht um

Sottrum – Ein lautes Klopfen hallt durch den Hof. Es stammt von einem Haus, das hier zwischen den Kuhställen steht. Oder zumindest das, was noch davon übrig ist. Es ist nur noch ein Gerippe zu sehen. Vier Männer sind dabei, es Stück für Stück abzubauen. Die Backsteine sind größtenteils schon in Container verladen oder auf Paletten abgepackt worden. Auch das Dach ist schon weg. Nun sind die Zimmerer von der Firma Bischoff dabei, das Fachwerk Stück für Stück auseinanderzunehmen.

Seit 1778 hat das alte Häuslingshaus an dieser Stelle auf einem Bauernhof bei Osterholz-Scharmbeck gestanden. Nun findet es eine neue Heimat in Sottrum. Der Heimatverein will das Ensemble auf dem Heimathausgelände erweitern. In diesem alten Fachwerkhaus, rund fünf Jahre älter als das Ende der 1990er-Jahre von Hassendorf nach Sottrum überführte Heimathaus, soll das „Europäische Heimat- und Kulturhaus“ entstehen. Doch bis es soweit ist, dauert es noch. Die Mitgliederversammlung des Heimatvereins und der Sottrumer Rat müssen noch finale Beschlüsse fassen. Bis dahin haben Zimmermeister Malte Figger und sein Team das alte Haus längst in die Wiestegemeinde geschafft – zunächst auf das Bauhof-Gelände zur Zwischenlagerung.

„Das ist schon sehr speziell, das macht man nicht alle Tage“, sagt Figger. Er hat gerade den Kran in Position gebracht, ein Teil der Dachkonstruktion soll bald abgenommen werden. Alle Balken wurden mit einem kurzen Zahlencode versehen, der im Bauplan vermerkt ist. Wer auch immer das Gebäude wieder zusammensetzt, soll später alles genau nachvollziehen können. Denn, wen wundert’s, vergleichbar mit einem Neubau ist dieser Auftrag nicht. Die Balken passen oft nur auf ihre angestammten Plätze. Von genormten Bauteilen kann nicht die Rede sein.

Zwei von Figgers Kollegen sind gerade dabei, Bolzen, die hier alles zusammenhalten, vorsichtig aus dem Holz zu schlagen. Während einer ein Stück Metall in die Öffnung hält, schlägt der andere mit dem Lehmann von unten nach oben immer wieder zu. Viel Kraft kann man dabei nicht aufwenden, aber Sorgfalt ist ohnehin geboten. Der Bolzen ist mittlerweile schon sichtbar, steckt aber nach wie vor fest. „Mach nochmal 20 Schläge“, sagt Figger. Doch danach sieht die Lage nicht besser aus.

Wenn das Haus einmal in Sottrum steht, soll es viele Funktionen haben. Vornehmlich wird es eine Begegnungsstätte, so Hermann Pape und Hans-Jürgen Krahn vom Vorstand des Heimatvereins. Im Obergeschoss gibt es dann ein Büro und ein Dokumentationszentrum, im Untergeschoss eine Küche, Technikräume und ein großer Raum, der für kleine Veranstaltungen, Ausstellungen und allem anderen genutzt werden kann – auf welche Ideen die Sottrumer auch immer kommen werden. „Es ist eine Ergänzung zum Heimathaus, das immer für Veranstaltungen frei sein muss“, so Krahn. Es soll ein Haus für alle in der Gemeinde sein. Die Fäden laufen zwar beim Heimatverein zusammen, doch ist es für alle Interessierten nutzbar. Rund eine halbe Million Euro lässt sich der Heimatverein diesen Traum kosten. Das Geld kommt aus öffentlichen Kassen, aus Fördermitteln, Erbschaften und einem nicht genannten Mäzen. Für Pape und Krahn ist es die Komplettierung des Areals rund um die St.-Georg-Straße mit Heimathausgelände, dem Restaurant, der Kirche mit Vorplatz, Rathaus und Eichpark, der ja auch vor einer Umgestaltung stehe.

Zurück nach Osterholz-Scharmbeck: Der feste Balken macht immer noch Ärger. Die Handwerker Balancieren auf dem Gerüst herum, überlegen sich Lösungen für den Bolzen. „Die Balkenlage ist sehr gut“, attestiert Figger. Dass das Holz bricht, befürchtet er nicht – auch wenn es schon sehr alt ist. Der Zimmermeister bemüht ein Sprichwort: „Holz spricht, bevor es bricht.“ Wenn man es knacken hören würde, würde man sich in Sicherheit bringen.

Mittlerweile ist der Balken mit dem Kran verkettet. Es nützt nichts, der Bolzen will nicht raus, nun muss Kraft her. Während das Seil langsam in die Höhe geht, wird mit dem Hammer immer wieder auf den Balken geschlagen, um alles aufzulockern. Eine Staubwolke bildet sich, und nach einigen Momenten schwebt das Holz in der Luft. Vorsichtig lässt Figger den Balken absenken. Später soll er auf einen kleinen Lkw verladen werden, um bei Feierabend dann mit den anderen Materialen nach Sottrum gebracht zu werden.
Dort will man in den kommenden Wochen einen realistischen Fahrplan zum weiteren Vorgehen ausarbeiten, so Krahn. Er und Pape befürchten Verzögerungen, am Ziel hält man aber fest. Noch in diesem Jahr soll der Wiederaufbau beginnen, im kommenden folgt dann die Eröffnung. So der Plan.