Mit gutem Geschmack an die Spitze

Ahausen - Von Bettina Diercks. Ausgerechnet in einer Region, die nicht typisch für Weinanbau ist, lebt einer der ersten fünf Weinkulturexperten Deutschlands: Carsten Kaßburg aus Ahausen hat an der entsprechenden Fortbildung der Industrie- und Handelskammer Koblenz teilgenommen – und bestanden.
Die Fachweiterbildung ist die von Sommelieren (Weinkellner) gleichwertig. „Ein Sommelier bin ich bislang nicht“, sagt der 48-jährige Kaßburg mit einem Augenzwinkern. Seine Liebe zum Wein hat sich langsam entwickelt: „Ich bin überhaupt kein Biertrinker. Irgendwann habe ich angefangen, Wein zu trinken und habe gemerkt, jeder Wein schmeckt anders.“
Kaßburg reist gerne um die Welt. Dabei hat er es sich mittlerweile zur Angewohnheit gemacht, überall regionale Weine zu verkosten und deren Anbaugebiete anzusehen. Etwa 2000 fing er an, sich intensiver mit dem Getränk zu beschäftigen. „Der Umgang mit Spirituosen wie Bränden und Whisky fällt mir deutlich schwerer. Und ja, mal ein Bier zum Durstlöschen. Ich bin auf der Weinseite zuhause“, sagt der Experte.
Etwa vier Jahre hat er bis zu seinem Abschluss am Gastronomischen Bildungszentrum Koblenz (GBZ) benötigt. Tiefergehende Fortbildungen wie „Wein und Atmosphäre“, Exkursionen in verschiedene Weinanbaugebiete, zum Teil auf eigene Faust, und Verkostungen bei Spitzenwinzern, die Mitglied beim „VDP. Die Prädikatsweingüter“ sind, gehören in der berufsbegleitenden Ausbildung dazu.
„Um zu bestehen, musste ich eine Facharbeit erstellen. Das Thema war frei wählbar“, sagt Kaßburg. Er schrieb eine Abhandlung darüber, ob eine Einführung von hochpreisigen Weinen in Supermärkten sinnvoll ist. Dort ist Kaßburg ebenfalls vom Fach. Früher hatte der Einzelhandelskaufmann den Sparmarkt in Rotenburg, dann war er 15 Jahre beim V-Markt tätig. Jetzt schult er die Auszubildenden der Großhandelskette Edeka in Mathe, Warenkunde und Betriebswirtschaftslehre. Außerdem hält er für die Edeka-Mitarbeiter alle Weinseminare und bietet solche auch privat an sowie Weinreisen.
Herausgekommen ist bei seiner Arbeit, dass der Fachhandelsbereich es immer schwerer hat und immer kleiner wird. „Die Winzer kämpfen darum, ihre Weine persönlich an den Mann zu bringen. Hochwertige Supermärkte profitieren davon, wenn die Betreiber ein Herz dafür haben“, sagt Kaßburg.
Über Lagerung und Verkostungszeitpunkt der Weine aus dem Supermarkt müssen sich Kunden keine Gedanken machen. „Alle dort verkauften Weine haben ihre Trinkreife“, versichert der Unternehmer. Aufgrund seiner Qualifikation ist er für die Sommelier Union vorgeschlagen und dort aufgenommen worden. Derzeit ist er Student beim „Wine & Spirit Education Trust“ (WSET). Für sein Diplom „Wein und Spirituosen“ (Level vier von vier angebotenen) muss er noch drei von insgesamt sechs Prüfungen ablegen. Der Weinkulturexperte hofft, 2017 damit fertig zu werden. Dann darf er seinem Namen „DipWSET“ beifügen und das zugehörige WSET-Zertifikationslogo für seine Arbeit verwenden. Themen des Studiums sind laut WSET „Wein- und Spirituosenherstellung, Weinregionen und -arten und der weltweite Handel mit Weinen und Spirituosen“. Wenn Kaßburg dann noch höher hinaus will, kann er den „Master of Wine“ machen. Außerdem bildet sich der Einzelhandelskaufmann derzeit zum Fachsommelier Champagne weiter.
Auf die Frage, ob an der Aue bald die ersten Reben stehen werden, sagt der Experte: „Weinanbau wäre in Ahausen zwar grundsätzlich möglich, allerdings sind die Bedingungen nicht ideal und nur für ,Hobbywinzer‘ geeignet. Die Bodenbeschaffenheiten und auch die Anzahl an Sonnenstunden pro Jahr sind nicht entsprechend für die Reben.“ Es gebe zwar schon Versuche mit einigen neuen Rebsorten, die unter diesen Bedingungen einigermaßen klar kommen, „aber richtig gute Ergebnisse habe ich noch nicht getrunken. Aber wer weiß, wie sich das Klima weiterentwickelt, dann sieht es vielleicht in 10 bis 20 Jahren anders aus“, sagt Kaßburg.
Weitere Informationen gibt es unter www.weinbegegnung.info