Simon Schumacher ist seit fünf Jahren Kreiskantor

Simon Schumacher ist seit fünf Jahren Kreiskantor. In einem Interview wirft er einen Blick zurück, spricht aber auch über die aktuellen Planungen.
Rotenburg – Seit März 2018 ist Simon Schumacher Kirchenmusiker in Rotenburg und damit Kreiskantor an der Stadtkirche. Vor fünf Jahren löste er Vorgänger Karl-Heinz Voßmeier ab. Ein kleines Jubiläum, auf das zurückgeschaut werden kann, aber auch Ausblicke nach vorn zulässt.
Fünf Jahre sind noch keine Ära, bieten aber Anlass, eine Zwischenbilanz zu ziehen. Nach Ihrer Ankunft wurde schnell klar, dass mit dem Wechsel von Voßmeier zu Schumacher eine aktuell viel zitierte „Zeitenwende“ eingesetzt hat. Besucher Ihrer Konzerte merkten, dass ein anderer Wind weht. Würden Sie erklären, aus welcher Richtung der Wind kommt?
Musik ist nur eine von vielen Sprachen. Jeder Musiker hat seinen Dialekt, seinen Charakter. Beim Orgelspiel spürt das der Zuhörer ebenso wie bei der Konzeption einer Konzertreihe. Da wir einen zeitlich nahtlosen Übergang geschaffen hatten, prallte das für den einen ein wenig aufeinander, für den anderen war es ein frischer Wind. Es darf bemerkt sein, dass nicht weniger als ein Generationswechsel stattgefunden hat!
Sie kamen damals aus der Lübecker von-Bodelschwingh-Gemeinde. Wie war Ihr erster Eindruck in Rotenburg von Kirche, Orgel und Gemeinde?
Die Stadtkirche Rotenburg ist ein Juwel! Klanglich, optisch, atmosphärisch, von unserer Küsterin immer liebevoll gestaltet – ein Arbeitsplatz und liturgischer Raum zum Wohlfühlen. Zwar wurde erst mit der Zeit deutlich, an welchen Stellen der Investitionsbedarf vielleicht doch größer und dringender ist als zunächst dargestellt – die Klais-Orgel ist über 20 Jahre nach ihrer letzten Reinigung in keinem guten Zustand! Jedoch haben wir spätestens mit unserer neuen Pastorin wieder ein komplettes Team, in dem Mitarbeiter und Kirchenvorsteher Hand in Hand die großen Projekte angehen.
Zwei Jahre nach ihrem Amtsantritt, im März 2020, hat Sie die Corona-Pandemie eiskalt erwischt. Plötzlich ging nichts mehr. Wie sind Sie als Kirchenmusiker damit umgegangen?
Das war hart. Kirchenmusik lebt vom Kontakt mit Menschen, vom Miteinander, von Kontinuität, langfristiger Planung. Denken Sie nur an die Sänger der Stadtkantorei, denen plötzlich das physische Training für das Singen fehlte! Wie ein Sportler nach einer Verletzung mussten wir uns schrittweise wieder leistungsfähig machen, und wir sind noch längst nicht wieder da, wo wir qualitativ und quantitativ hinwollen. Aber unsere Passion, unsere Leidenschaft für das Verkündigen durch Musik war immer da, und gemeinsam mit verantwortungsbewussten Entscheidungsträgern konnten wir Möglichkeiten schaffen: vom reinen Streaming-Konzert eines instrumentalen Mozart-Requiems über eine Hybrid-Aufführung unserer aufgenommenen Singstimmen zur Live-Orgelmusik bis zum Singen im Quartett mit großem Abstand; viele haben sich was getraut, sind stimmlich und menschlich selbstbewusster geworden.
Nun scheint die Pandemie fast vorüber, jedenfalls beginnt das Konzertleben wieder zu erwachen. Haben Sie den Eindruck, dass damit alles Problematische vom Tisch ist, können Sie getrost wieder loslegen?
Schön wär’s! Dazu hat die Pandemie im Kulturleben unserer Stadt zu viel durcheinander gewirbelt. Mir erscheint es klug, stärker als zuvor Synergien zu nutzen und vernetzter zu agieren, sich auf allen Ebenen besser abzusprechen und bewährtes Digitales zu implementieren; dabei helfen etwa der „Runde Tisch Kultur & Musik“ im Rathaus oder die neuen Grundstandards der Kirchenkreissynode. Vor allem aber müssen wir den Blick nach vorne richten, um nicht in eine verklärte Rückschau mit schief angelegten Maßstäben zu geraten. Gerade für mich persönlich begreife ich dieses Jahr 2023 zum Neu- und Durchstarten.
Neben Ihnen gibt es noch einen Musiker, der in diesem Jahr Jubiläum hat, Max Regers 150. Todestag rückt in den Fokus. Er hat der Musikwelt beeindruckende Werke vor allem für Orgel und Chor hinterlassen. Wie wollen Sie sich ihm widmen?
Regers Musik ist anspruchsvoll, gleichwohl für die Interpreten wie für die Zuhörer. Sie wird im Konzertprogramm immer flankiert vorkommen, etwa am kommenden Sonntag, 19. März, wenn eine Reger-Kantate mit der Stadtkantorei einem barocken Instrumentalstück gegenübergestellt wird und am Dienstag, 21. März, Regers Orgelwerke auf Bachs Pendant treffen.
In Rotenburg gibt es eine Tradition, die Sie von Ihrem Vorgänger übernommen haben. Bachs Geburtstag am 21. März wird jedes Jahr musikalisch begangen. Max Reger äußerte einmal über den Leipziger Thomas-Kantor, er sei „Anfang und Ende aller Musik“. Was hat er damit gemeint und teilen Sie seine Ansicht?
Die Tonfolge B-A-C-H wurde in allen Musikepochen seit Johann Sebastian vertont, was auch aus meiner Sicht im Genius von Bach, seiner Art der Verkündigung durch Musik und der Ausgereiftheit seiner barocken Musik liegt. Ich teile Regers Sicht, und in unserem Wohnzimmer hängt sogar ein entsprechendes Fensterbild. Auch Regers Bedeutung für die Kirchenmusik und das Ausreizen der Kompositionsmöglichkeiten seiner Epoche stellen ihn auf einen hohen Sockel, weshalb die beiden am 21. März nebeneinandergestellt werden.
Werfen Sie mit uns einen weiteren Blick ins Jahr 2023. Was haben Sie noch geplant?
Die großen Konzerte werden dieses Jahr am 1. Juli mit einem „Konzert für den Frieden“ und Mozarts Requiem sowie am 1. Dezember mit einem Adventskonzert und Bachs Magnificat stattfinden. Darüber hinaus haben wir im Laufe des gesamten Jahres in der Stadtkirche für jeden etwas dabei, von spanischer Renaissance bis Hardrock.
Die Konzerte
Am Sonntag stellt die Stadtkantorei ab 17 Uhr in der Stadtkirche die Werke von Max Reger und Johann Sebastian Bach gegenüber. Am Dienstag ab 19 Uhr feiert Simon Schumacher dann solo an der Orgel Bachs Geburtstag. Beide Konzerte dauern rund eine Stunde, Eintritt frei.