Scheeßel und Ortsrat Wohlsdorf erörtern Pläne für mehr Windräder und PV-Anlagen

Über eine Energiewende nach dem Motto „Bitte mit Augenmaß“ informierte Ulrike Jungemann, Bürgermeisterin in Scheeßel, jüngst auf der Wohlsdorfer Ortratssitzung. Anschließend wurde diskutiert.
Wohlsdorf – Die Energiewende ist in aller Munde – so auch in der jüngsten Sitzung des Ortsrats Wohlsdorf. Und das aus gutem Grund, hat der Paradigmenwechsel der Bundesregierung hin zu mehr erneuerbaren Energien doch auch unmittelbare Auswirkungen auf den Landkreis und die Gemeinde Scheeßel. Was das konkret für Wohlsdorf bedeuten könnte, erläuterte Ulrike Jungemann im Rahmen des Tagesordnungspunkts „Bericht der Bürgermeisterin“.
Zum einen geht es um Freiflächen für Photovoltaikanlagen. Nach aktuellem Stand ist anhand von Leitlinien des Landes und des Landkreises ein Konzept zu erarbeiten, nach dem niedersachsenweit 0,47 Prozent der Landesfläche für PV-Anlagen bereitgestellt werden sollen, „das würde 75 bis 80 Hektar für die Gemeinde bedeuten“, so Jungemann. Sie könnte sich auch vorstellen, mehr Fläche zuzulassen, „aber wir müssen erstmal schauen, was das Gutachten der beauftragten externen Firma ergibt“.
75 bis 80 Hektar Land der Gemeinde Scheeßel für PV-Anlagen
Bei den Vorgaben handele es sich nur um Empfehlungen, die aber kreisweit möglichst eingehalten werden sollten, „damit wir uns nicht angreifbar machen“. Vorrangig plädiert sie jedoch für die Auslotung bereits versiegelter Flächen und Dächer. In diesem Zusammenhang erinnerte ein Einwohner an die Vorbildfunktion der Gemeinde: „Beim Bau des neuen Feuerwehrhauses hätte man die Ausrichtung im Hinblick auf eine PV-Anlage berücksichtigen können.“ Jungemann versicherte, dass die Gemeinde die eigenen Liegenschaften dahingehend prüfe, „manchmal passt es aber brandschutztechnisch oder von der Statik her einfach nicht“.
Ein anderer Bürger warnte vor möglichen steuerlichen Auswirkungen der Vermietung von Flächen an gewerbliche Investoren, wieder andere warben für kleine, dezentrale Flächen statt einer Bündelung, die die Belastung an einer Stelle in der Gemeinde konzentriere. Jungemann wies darauf hin, dass lediglich ein 200-Meter-Streifen an der Bahntrasse privilegiert sei, „für alles andere muss der Bebauungsplan geändert werden“.
Ein weiterer heiß erörterter Punkt: Die Ausweisung von Windenergiestandorten. Im Regionalen Raumordnungsprogramm des Landkreises von 2020 seien einige weitere Gebiete ausgewiesen worden. Mit der erst vor wenigen Wochen bekannt gewordenen Vorgabe des Landes Niedersachsen, dass der Landkreis Rotenburg bis 2026 4,89 Prozent der Kreisfläche für Windkraftanlagen ausweisen muss, käme hier nun Bewegung ins Spiel. „Ich als langjährige Regionalplanerin kann mir das nicht vorstellen“, so Bürgermeisterin Jungemann.
Ich als langjährige Regionalplanerin kann mir das nicht vorstellen.
Auch den Termin 2026 hielt sie für nicht realistisch, „denn dann würden ja alle gleichzeitig loslegen und es gäbe Engpässe bei den Kartierern, Ornithologen, Planern“. Auch die Herabsetzung des Abstands zu bebauten Gebieten von 1 000 auf 800 Meter „kann schon recht viel für Scheeßel werden.“ Grundsätzlich sei die Energiewende zu unterstützen, „aber bitte mit Augenmaß und gleich verteilt“ – in Anspielung auf die Flächenvorgaben von unter einem Prozent für einige küstennahe Landkreise.
Großer Redebedarf
Der Redebedarf der Wohlsdorfer war groß. Die Äußerungen reichten von der Frage nach Konzepten zur Bürgerbeteiligung („Man ist wohlwollender, wenn das Rad sich auch für einen selbst dreht“, so ein Anwohner.) über Bedenken wegen Infraschall und schädliche Auswirkungen auf Mensch und Tier bis zur Kritik an den Vorgaben, die nicht die bereits hier erzeugte Menge erneuerbarer Energie berücksichtige und nur von der Fläche, nicht aber der erzeugten Leistung ausgehe. Jungemann plädierte für Transparenz und möchte schon frühzeitig für Akzeptanz werben: „Wir müssen jetzt mit der Situation umgehen und brauchen eine gute Kommunikation und sächliche Argumente – ein ‚Ich möchte das nicht‘ reicht nicht mehr aus!“