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Scheeßel: „Tweede Hand“ und Eichenschülerin erschließen neue jugendliche Zielgruppe

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Von: Ulla Heyne

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Johanna Sparr nutzte ihr sozialdiakonisches Praktikum für den Aufbau eines „Shops im Shop“ für ein jüngeres Klientel.
Johanna Sparr nutzte ihr sozialdiakonisches Praktikum für den Aufbau eines „Shops im Shop“ für ein jüngeres Klientel. © Heyne

Der Second-Hand-Laden „Tweede Hand“ in Scheeßel und eine Eichenschülerin erschließen sich gemeinsam neue Wege.

Scheeßel – Die „magische Marke“ der Spenden in fünfstelliger Höhe ist geknackt – in den rund zwei Jahren ihres Bestehens hat die Second-Hand-Boutique „Tweede Hand“ insgesamt sage und schreibe 10 000 Euro aus dem Verkauf ausrangierter Kleidung an unterschiedliche Vereine und Einrichtungen in der Region gespendet. Den jüngsten Geldsegen von je 500 Euro erhielten die „Klinikclowns“ und der Weiße Ring.

„Eine tolle Sache, dass eine gemeinnützige Organisation eine andere unterstützt“, stellte Außenstellenleiter des Landkreises Rotenburg für den Weißen Ring, Jürgen Schulz, bei der Spendenübergabe unlängst fest. Gerade in heutigen Zeiten sei die Opferhilfe-Organisation mehr denn je auf Spenden angewiesen. „Diejenigen, die spenden, sind in der Regel sehr großzügig, aber insgesamt ist das Spendenaufkommen doch deutlich zurückgegangen“, konstatiert der Rotenburger.

Die Sorge vieler, die Beträge würden „in den großen Topf“ fließen und nicht vor Ort ankommen, konnte er auch in diesem Fall entkräften. „Es ist nicht nur möglich, als Verwendungszweck ,Opferhilfe‘ oder ,PR‘ anzugeben. Denn auch, dass wir bei den Menschen im Hinterkopf bleiben, ist natürlich wichtig“, sondern auch eine Widmung der Spende für die regionale Außenstelle sei möglich. In diesem Fall geht ein Teil des Geldes an eine ukrainische Flüchtlingsfamilie, der bei einem Gartenfest ein Portemonnaie mit Scheckkarte und Ausweisen entwendet wurde und die hilft, die Gebühren für die Beantragung neuer Papiere zu decken.

Dies sei nur ein Beispiel für schnelle, unbürokratische Opferhilfe, „das Spektrum ist groß“. Gerade habe er in Jeersdorf ein Einbruchsopfer beraten und mit einem Gutschein für ein psychologisches Erstgespräch unterstützt. Der größte Bereich sei häusliche, oft sexualisierte Gewalt, entsprechend groß sei der Anteil der Frauen unter den Opfern. Deswegen sucht die Rotenburger Außenstelle händeringend weibliche Mitstreiterinnen, die sich engagieren möchten. „Eine tolle, wertvolle Aufgabe, wenn man gern mit Menschen zu tun hat“, wirbt er für das Ehrenamt. In seinem Beruf als Polizist, davon 20 Jahre als Schichtleiter in Zeven, habe er oft festgestellt, wie wenig Hilfemöglichkeiten für Opfer von staatlicher Seite zur Verfügung stünden. „Hier schließt der Weiße Ring eine Lücke.“

Jürgen Schulz (l.) vom Weißen Ring ist begeistert von der Arbeit des „Tweede-Hand“-Teams.
Jürgen Schulz (l.) vom Weißen Ring ist begeistert von der Arbeit des „Tweede-Hand“-Teams. © Ulla Heyne x

Begeistert zeigte sich Schulz auch von der „Tweeden Hand“, die er bislang nur vom Hörensagen kannte: „Phänomenal, wie liebevoll das alles hier eingerichtet ist und wie attraktiv die Kleidung“, um im Bereich „Junge Mode“ gleich für die eigene Tochter ein Schnäppchen zu machen. Für diesen neuen Bereich hiervon zeichnet die erst 17-jährige Johanna Sparr verantwortlich. Die Eichenschülerin setzte eine Art „Shop im Shop“ für eine jüngere potenzielle Zielgruppe um. Dabei geht das Engagement der Elftklässlerin weit über die für das sozialdiakonische Praktikum im Rahmen des Religionsunterrichts geforderten 25 Stunden hinaus.

Den Stein ins Rollen gebracht hatte ihre Mutter, selbst Kundin der Anlaufstelle für qualitativ hochwertige Gebrauchtmode am Helvesieker Weg. Als Johanna dann noch von „Tweede Hand“-Mitstreiterin und Eichenschullehrerin Heike Buchhaupt von freien Praktikumsplätzen gehört habe, war ihr klar: „Das ist genau mein Ding.“ Beim Aussuchen und Zusammenstellung der Kleidung, die für Jugendliche infrage kommen könnte, verließ sie sich auf ihr Bauchgefühl: „Ich habe mir einfach Leute aus in meinem Umfeld vorgestellt und was die wohl tragen würden.“

Doch damit beließ es die an Mode interessierte Schülerin, die selbst versucht, möglichst viel Second Hand zu kaufen, nicht. In den nächsten Tagen geht unter den Schülern des Gymnasiums in freier Trägerschaft ein Fragebogen online, in dem sie die Kaufgewohnheiten und den Wert abfragt, den ihre Mitschüler Mode beimessen. Mit Fragen wie „Wie viel gibst Du Kleidung aus?“ oder „Wie oft kaufst Du Markenkleidung?“ will Sparr einerseits Erkenntnisse darüber gewinnen, ob und wie man die „Junge Mode“ vor Ort attraktiv gestalten kann. Doch es geht ihr auch um Aufklärungsarbeit, „darum, das eigene Konsumverhalten zu hinterfragen“ und nicht zuletzt darum, die „Tweede Hand“ als lokale Alternative zu Online-Plattformen wie „Vinted“ stärker bekannt zu machen.

Und auch für die Zukunft schmiedet die Oberstufenschülerin schon Pläne: Beim nächsten Callisthenics-Camp am Weichelsee, wo die „Tweede Hand“ erneut als Kooperationspartner an Bord sein wird, plant sie einen Vortrag über nachhaltige Mode.

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