Wohnungen, Flüchtlingsunterkünfte, Sammelunterkünfte, Turnhallen – wo jetzt noch Platz sei, würden die Plätze bald komplett belegt sein. Dabei gehe es gar nicht nur darum, den Menschen ein Dach über den Kopf zu geben, sondern vor allem um Integration. „Große Herausforderungen für Landkreis und Kommunen sind dabei die Unterbringung, die Beschulung beziehungsweise Betreuung der Kinder in Schulen und Kitas, der Spracherwerb sowie die Vermittlung in Arbeit“, sagt Prietz.
Das koste viel Personal und damit viel Geld. „Allein im Jahr 2022 hat der Bund die Länder und Kommunen finanziell mit 3,5 Milliarden unterstützt, für dieses Jahr haben wir 2,75 Milliarden vereinbart“, heißt es von der Innenministerin. Vor Ort klingt es anders, wenn kritisiert wird, dass die eh schon gebeutelten Haushalte der Kommunen durch die Folgen von Krieg und Flucht auf der Welt zusätzlich stark belastetet werden.
Es gibt Konfliktpotenzial. Die Frage knapper werdenden Wohnraums wird eine dringlichere, weiß Prietz. Der Landkreis hat Ende 2022 sein Wohnraumversorgungskonzept vorgelegt. Gerade im Bereich Sozialwohnungen gibt es großen Nachholbedarf, landesweit ist kein Landkreis schlechter aufgestellt als Rotenburg, hat die Analyse ergeben. Diejenigen, die jetzt notdürftig untergebracht werden und bleiben wollen, suchen irgendwann eigene Wohnungen. Die Idee einer eigenen Wohnungsbaugesellschaft beschäftigt die Kreispolitik. Und auch wenn er weiß, dass er das schon öfter gesagt hat, betont Prietz: „Das alles wird uns weiter sehr beschäftigen.“
In der Stadtratssitzung am Donnerstag vergangener Woche hatte Rotenburgs Bürgermeister Torsten Oestmann noch von einem „Blick in die Glaskugel“ gesprochen, was die Entwicklung der Flüchtlingszahlen in der Kreisstadt betrifft, jetzt haben er und seine Kollegen in den 13 Kommunen des Kreises Gewissheit. Bis Ende Mai erwartet der Landkreis rund 700 weitere Geflüchtete. Das hat Landrat Marco Prietz (CDU) in der wöchentlichen Videokonferenz mit den Hauptverwaltungsbeamten mitgeteilt. 175 geflüchtete Menschen leben derzeit in Häusern und Wohnungen der Stadt Rotenburg, 63 davon aus der Ukraine. Viele Ukrainer seien aber auch privat untergebracht und würden entsprechend gar nicht in der Statistik erfasst werden, hieß es vergangene Woche. 87 Geflüchtete leben im Campus Unterstedt, 26 im Containerdorf auf dem ehemaligen Rathsmann-Grundstück am Glummweg.
Knapp 90 Wohncontainer hatte die Stadt durch vorausschauende Planung gemietet und im November auf dem Areal, das irgendwann Wohngebiet werden soll, aufstellen lassen. Anders als zum Beispiel in Zeven mussten in Rotenburg dadurch keine Turnhallen als Notunterkünfte hergerichtet werden. Zudem gibt es ja den Campus auf dem Gelände der ehemaligen Lungenklinik in Unterstedt. Sah es Ende des vergangenen Jahres noch so aus, dass die Kapazitäten gar nicht gebraucht werden, betont Oestmann nun: „Wir sind sehr froh, dass wir die Container haben.“ Bleibe es bei den erwarteten Zahlen, seien Campus und Containerdorf bald komplett belegt.
Wie Landrat Prietz sieht Oestmann die Kommunen bei Unterbringung und Integration von Bund und Land nicht ausreichend unterstützt. Geld für Logistik, Sicherheitsdienst und Sozialkräfte gebe es deutlich zu wenig: „Wir werden da im Regen stehen gelassen.“
Es wird aber auch wieder um die allererste Hilfe gehen. Und dabei bleiben Notunterkünfte im Blickfeld, die die Landesaufnahmestellen entlasten. Die Wohnblöcke in der Visselhöveder Lehnsheide, in den früher Soldaten gelebt haben und die in den vergangenen Monaten vor allem Flüchtlingen aus der Ukraine eine vorübergehende Heimat als Notunterkunft geboten haben, sind aktuell ein wenig verwaist. Wo sonst Kinderlachen zu hören war, ist es aktuell sehr still. Nur ab und an sieht man Menschen durch die Gänge huschen. Aktuell leben dort noch rund ein Dutzend Menschen. Der DRK-Kreisverband Bremervörde betreut diese. „Da das Flüchtlingsaufkommen aktuell eher gering ist, hat das DRK in Absprache mit dem Landkreis die Zahl der Beschäftigten auf acht bis zehn Kräfte reduziert. Ehrenamtliche sind vor Ort nicht tätig“, berichtet Kreissprecherin Christine Huchzermeier auf Nachfrage. Die Mietverträge mit der Firma JBS für die Gebäude sei unbefristet abgeschlossen, können aber von beiden Seiten mit einer monatlichen Kündigungsfrist beendet werden. Der Landkreis, betont Huchzermeier, sei JBS für die erneute schnelle und unkomplizierte Zusage für die Unterkunft sehr dankbar. Wie lange diese noch betrieben wird, sei unklar: „Der Vertrag mit dem DRK-Kreisverband Bremervörde läuft noch bis zum 30. Juni dieses Jahres. Sollte die Notunterkunft im Anschluss bestehen bleiben, findet gemäß des geltenden Vergaberechts für öffentlich Aufträge ein öffentliches Ausschreibungsverfahren statt.“ Eine Nachnutzung der Gebäude durch den Landkreis für einen anderen Zweck sei allerdings nicht vorgesehen.
Überwiegend seien es auch heute noch Frauen und Kinder sowie ältere und gesundheitliche eingeschränkte Männer, die als Geflüchtete ankommen. Da Niedersachsen aber in den vergangenen Wochen überproportional viele Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen hat, würden diese aktuell auf andere Bundesländer verteilt. Das bedeutet, dass zurzeit nur Ukrainer in den Landkreis kommen, die bereits Familienangehörige vor Ort haben. Huchzermeier: „Der Krieg dauert an und keiner weiß, wann und wie er endet, insofern ist nicht vorhersehbar, wie sich die Lage weiter entwickeln wird.“ Dass die alte Kaserne erneut als Notunterkunft genutzt wird, sei auch bei zwischenzeitlich geringer Auslastung kein Fehler. „Das Betreiben einer Notunterkunft war aus damaliger und jetziger Sicht genau richtig, um den rasch ansteigenden Flüchtlingsstrom zu bewältigen und die Kommunen bei der Unterbringung der Geflüchteten zu unterstützen.“