Mit Anspruch und Glück: Wümmphoniker spielen erstes Konzert nach der Pandemie

Die Wümmphoniker – das Blasorchester der Kontaktstelle Musik im Landkreis Rotenburg – sind aus der Pandemiepause zurück und starten am kommenden Wochenende mit dem Probenbetrieb. Wie das klingt, lässt sich beim Konzert am 26. Februar, 16 Uhr, im Lucia-Schäfer-Saal erleben.
Rotenburg – Lange Zeit war es still um die Wümmphoniker, das instrumentale Aushängeschild der Kontaktstelle Musik. Nun ist das Orchester für sinfonische Blasmusik wieder da, und das mit einem Programm, das sich gewaschen hat. Ein erstes Konzert ist am 26. Februar in Rotenburg. Die Arbeitsphase 2020, nur wenige Tage vor dem flächendeckenden Corona-Ausbruch im Land, war für lange Zeit die letzte. Dieses Schicksal teilen viele Ensembles; bei nur zwei Probenphasen pro Jahr ist es allerdings umso schwieriger, anschließend an alte Zeiten anzuknüpfen und die personellen Lücken zu schließen.
Ein Lied davon kann Daniela Kolkmann singen, die für die Kontaktstelle Musik die Organisation der Proben-Wochenenden übernimmt. Ihre Sorge, ein Orchester von ursprünglich an die 50 Musikern wieder zu alter Spielstärke zu führen, sollte sich als nicht ganz unbegründet erweisen: „Bei der Anmeldung zur ersten Probe im November fehlten in einigen Registern doch etliche unserer alten Mitspieler“, so die Westervesederin. Mit einiger Mundpropaganda habe man zu „alter Größe“ zurückgefunden, und das nicht nur quantitativ. Unter den „Neuen“, die ein knappes Viertel der Bläser aus dem gesamten Landkreis und darüber hinaus ausmachen, sind etliche Semi-Profis und sogar einige, die mit Musik ihren Unterhalt verdient haben. Was macht für sie den Reiz aus, bei den Wümmphonikern zu spielen?

Einer, der erst seit drei Monaten dabei ist, ist der Scheeßeler Hendrik Porthmann. Der Gymnasiallehrer hatte seit Längerem nach einer Möglichkeit gesucht, an alte Zeiten anzuknüpfen. Seine musikalische Laufbahn in Soltau begann ganz klassisch mit der Blockflöte. Im Alter von Neun folgte die Trompete, auf den Posaunenchor der Bläserkreis der Musikschule, damals die direkte Konkurrenz. Die Konzertreisen mit dem Ensemble in die USA im Alter von 15, später in unterschiedlichen Konstellationen nach Australien und Argentinien: „Für junge Leute ist das natürlich der Burner.“
Dass die berufliche Reise eher in Richtung Naturwissenschaften und letztlich Lehramt gehen sollte, war dem heute 49-Jährigen früh klar. Das für Berufsmusiker obligatorische zweite Instrument, „dazu hatte ich keine Lust“. Also verpflichtete er sich für zwei Jahre beim Bund, um seinen Wehrdienst beim Heeresmusikkorps in Hannover-Langenhagen abzuleisten. Später trat die Trompete in den Hintergrund. Diverse Ensembles lösten sich auf, die Mitstreiter durch ihre Jobs verstreut, die Zeit in den jungen Familien knapp. Immer mal wieder engagierte er sich, wie in der Delighted Blues Band „seiner“ Eichenschule oder in der Bigband in Bremen-Walle; „das war eine feine Gruppe, aber einfach zu viel Fahrerei“.
Über Mundpropaganda zum „Wilden Blech“
Nun, wo die drei Töchter „aus dem Gröbsten heraus“ sind, hielt er wieder Ausschau. Über Mundpropaganda landete er beim „Wilden Blech“, von dort aus war es zu den Wümmphonikern nur ein kurzer Weg, spielt doch eine Handvoll Musiker in beiden Ensembles. Er ist mehr als angetan: „Von der Warmherzigkeit, der herzlichen Atmosphäre und der äußerst konzentrierten Arbeitsatmosphäre, der gemeinsame Ehrgeiz gepaart mit Spaß“, das habe so noch nicht erlebt. „Noch nie habe ich bei anspruchsvollen Proben so viel gelacht.“ Überrascht war er auch, zwei ehemalige Kollegen vom Heeresmusikkorps hier zu treffen. „Posaunist Klaus ,Teddy‘ Breitkopf kannte ich noch aus meiner Dienstzeit, Uwe war zwei Jahre vor mir hier.“
Der Lauenbrücker Uwe Gerlach ist seit drei Arbeitsphasen dabei. Einige Jahre hatte er nur für sich im „stillen Kämmerlein“ geübt, „die Kontaktstelle Musik und die Wümmphoniker hatte ich irgendwie nie auf dem Schirm“. Für den gelernten Kommunikationselektroniker schien die musikalische Laufbahn lange vorgezeichnet: mit acht Jahren vom Posaunenchor in Schöppenstedt bei Wolfenbüttel über Marschmusik führte auch ihn die Leidenschaft für Musik zuerst zum Ausbildungsmusikkorps nach Hilden und dann ins Heeresmusikkorps – in dem übrigens auch Dirigent Christian „Church“ Kirchfeldt seinen Lebensunterhalt bestreitet.
Konzert
Das Programm, das die Besucher am Sonntag, 26. Februar, um 16 Uhr unter dem Titel „80er Kul(t)tour“ im Lucia-Schäfer-Saal in der Ahe erwartet, ist so ambitioniert und vielseitig wie eh und je: Neben Polkas und Märschen werden Filmmusiken und ein 80er-Jahre-Medley zu hören sein. Der Eintritt ist frei.
Gerlach bescherte es Reisen nach Schweden zur Musikparade der Nationen, Formationslaufen, aber auch klassischen Tanzmusik in mehreren Ensembles. Sein Talent sprach sich herum; nach den vier Jahren beim Bund wurde er unter anderem fürs VW-Werksorchester und fürs Flughafen-Tanzorchester rekrutiert, begleitete in kleinen Formationen Künstler wie Ireen Sheer, Chris Roberts oder Freddy Breck, spielte im Königlichen Hoforchester von Prinz Ernst August. Bei der Hochzeit der Tochter des Barons von Müchhausen wohnte er schon in Lauenbrück, trotz Lungenentzündung ließ er es sich nicht nehmen, ihrer Anfrage nachzukommen und während der kirchlichen Trauung zu spielen.
Irgendwann in den 1990ern war die Zeit der großen Gigs vorbei, „bei Feiern wurden zunehmend DJs gebucht“, er orientierte sich beruflich um. Über die gelegentliche Aushilfe beim Feuerwehrorchester Scheeßel und Einsätzen beim „Funny Blech“ wurde er nun durch die Familie Rudolph für die Wümmphoniker rekrutiert. Er ist von der guten Vorbereitung der Musiker und dem entsprechend hohen Niveau des gemeinsamen Musizierens begeistert: „Diese Gänsehaut hatte ich sonst nur beim Heeresmusikkorps bei der Nationalhymne – ein Glücksgefühl.“

Einer, dem die Wümmphoniker sogar ein Stück weit bei der Berufsfindung geholfen haben, ist Nico Marx. Dass der Spross einer Musikerfamilie Berufsmusiker werden wollte, stand für den heute 25-Jährigen schon früh fest. Wie lange er schon bei den Wümmphonikern dabei ist? „Keine Ahnung, sechs, sieben Jahre? Damals hieß es noch Kreisjugendblasorchester.“ Bei den Arbeitsphasen lernte er viele Militärmusiker unter den Dozenten des Heeresmusikkorps kennen. Sie gaben wichtige Tipps und die Erkenntnis: „Das ist genau das, was ich machen will.“ Gerade während der Unsicherheit freischaffender Künstler während der Pandemie. Als einer von 26 in seinem Lehrgang bereitete er sich in Hilden auf die Aufnahmeprüfung für das duale Studium vor, nächstes Jahr schließt der Schlagzeuger das vierjährige Studium im Ausbildungsmusikkorps ab, insgesamt hat er sich für zwölf Jahre beim Bund verpflichtet.
Trotzdem ist er beim Konzert Ende Februar in seiner Freizeit in Rotenburg dabei – „den Ensembles, in denen meine Wurzeln sind, halte ich, wo es irgend machbar ist, die Treue“. Außerdem sei er, versichert er schmunzelnd, genau dafür Orchestermusiker geworden: „60 Takte warten, bis ich meinen Paukenschlag spielen darf – das ist mein Leben.“ Und das ist nicht nur ein Scherz.