Rotenburger durch und durch: Spurensuche mit Claus Buhrfeind

Für unsere Serie „Unterwegs“ spazieren wir dieses Mal mit dem Rechtsanwalt und Notar a.D. Claus Buhrfeind auf Spurensuche durch Rotenburg.
Rotenburg – Um ein echter Ostfriese zu sein, muss man mindestens auf zwei Generationen zuvor zurückblicken, die dort im platten Land zu Hause waren. Sollte man analog dazu ein echter Rotenburger erst dann sein, wenn man in mindestens der dritten Generation hier lebt, könnte Claus Buhrfeind locker mitmischen. Der Mann gehört als langjähriger Rechtsanwalt und Notar zu den bekanntesten Wümmestädtern.
Sein Großvater war in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts Pastor und Vorsteher der Rotenburger Anstalten – später: Rotenburger Werke – und des Diakonissen-Mutterhauses, sein Vater Chefarzt am Rotenburger Krankenhaus. Mit so einem Stammbaum im Hintergrund mag eine gewisse Karriere schon fast vorgezeichnet sein. Es sollte allerdings nicht ganz so selbstverständlich werden, wie man spontan denken mag. Buhrfeinds Vater kam schwer gezeichnet aus russischer Kriegsgefangenschaft zurück. Er wurde zwar der erste Radiologe („Röntgenarzt“) am Rotenburger Krankenhaus, verstarb aber an den Folgen des Krieges bereits mit gerade einmal 56 Jahren. Claus Buhrfeind war eben 14 Jahre alt, seine Schwester, die seit Langem in der Schweiz lebt, noch ein Jahr jünger. Und da ist dann erst einmal nichts mehr selbstverständlich.
Straßenschild als Sonderanfertigung
Unseren gemeinsamen Spaziergang starten wir an seinem Wohnhaus in der Straße Zwischen den Wassern. Ein Original-Straßenschild „Buhrfeindstraße“ weist direkt an der Gartenpforte darauf hin, wer hier zu Hause ist. Seine Ehefrau Walheide hatte dieses zu einem Geburtstag mit Genehmigung der Stadt extra anfertigen lassen und dort direkt auf ihrem Grundstück aufgestellt. Die Empörung – bis hin zu diversen Leserbriefen – war seinerzeit trotzdem groß. Wie es angehen könne, dass ausgerechnet ein Rechtsanwalt, Arztsohn und Enkel von Pastor Buhrfeind sich ein geklautes Schild vor aller Augen in den Garten stellen könne? Heute kann er darüber lächeln. Alles legal, abgesprochen und selbst bezahlt!
Auf unserem Gang durch die Wasserfuhren folgen wir sozusagen den Spuren der Kindheit von Claus Buhrfeind: Seine Eltern hatten in der Buhrfeindstraße (die damals schon so hieß) ein Haus gebaut. 1963. Da stand das „neue“ Diakoniekrankenhaus noch nicht, und die gesamte Gegend war eher „wüst und leer“. Vorher hatten Buhrfeinds noch an der Lindenstraße gewohnt. In dem großen Haus mit der Nummer 5, heute eine Tagespflegeeinrichtung der Rotenburger Werke, hatte Dr. Buhrfeind jun. eine Wohnung bezogen.
Angemessener Umgang mit der Geschichte
Dessen Vater, Pastor und Vorsteher Johannes Buhrfeind, war übrigens, was vielen heute kaum noch bekannt sein dürfte, sowohl Pastor als auch Arzt und hatte auch in beiden Studiengängen promoviert. Er verstarb 1950. Dass dessen Sohn als Arzt im Rotenburger Krankenhaus anfing, war nicht etwa solide Vetternwirtschaft, sondern ein Glücksfall. Ärzte waren knapp in jenen Nachkriegsjahren, und Rotenburg war nicht unbedingt der Sehnsuchtsort vieler.
1953 wird Claus Buhrfeind geboren und wächst an der Lindenstraße auf. „Ein herrlicher Garten, unser Kindergarten direkt gegenüber, viele Spielkameraden ringsum – irgendwie eine heile Welt.“ Die Menschen mit Behinderungen gehören von Kindesbeinen an zu seinem Leben. Die schwierige Rolle, die sein Großvater in der Zeit des Nationalsozialismus gespielt hat, ist dem heute fast 70-Jährigen durchaus geläufig. Den kritischen Umgang, den Mutterhaus und Rotenburger Werke heute mit diesem Abschnitt ihrer Geschichte pflegen, empfindet er als angemessen.
Weder Arzt noch Pastor
Als es für ihn soweit ist, will Claus Buhrfeind weder Arzt noch Pastor werden. Mit dem Jurastudium, so vermutet er, gibt es später die meisten Optionen. So beginnt er sein Studium in Göttingen. Mit 300 Mark vom Versorgungsamt als Halbwaise durch Kriegsfolgen startet er 1973 sein Studium in der niedersächsischen Universitätsstadt. Nicht eben üppig, aber keinesfalls ungewöhnlich damals. Es ist eine politisch unruhige Zeit. Schon die Schulzeit am Rotenburger Ratsgymnasium war unruhig, die Unistadt Göttingen sowieso. Claus Buhrfeind spielt mit dem Gedanken, politisch aktiv zu werden. Immerhin war auch sein Vater schon 14 Jahre lang im Rotenburger Stadtrat. Aber dann kommt erst einmal das juristische Staatsexamen und die übliche Tour durch verschiedene Stationen im Referendariat. Irgendwie aber ist ihm immer klar, dass er wieder nach Rotenburg zurückwill. Dort hat er seine Wurzeln und vor allem viele Kontakte durch seine Sportbegeisterung. Aktiv beim Volleyball, aktiv im Tennisclub. „Schon als Schüler habe ich meiner Mutter gesagt, dass ich meine Schulbücher mit zum Tennis nähme, um dann dort Schularbeiten zu machen. Und so habe ich da meine Nachmittage verbracht.“ Zu vermuten ist allerdings, dass Mütter damals wie heute einzuschätzen wissen, wie solche Absichten umgesetzt wurden und werden.

Immerhin kommt ein bemerkenswertes zweites Staatsexamen dabei raus und Claus Buhrfeind steigt als junger Anwalt in eine Rotenburger Kanzlei an der Goethestraße ein. Dort ist bereits sein früherer Sportkamerad und Freund Holger Winkel tätig. Für beide eröffnet sich schon wenige Jahre später die Chance, als Notar tätig zu werden. Notare allerdings dürfen nicht als Angestellte arbeiten. Also ziehen beide ein paar Häuser in der Goethestraße weiter und eröffnen 1985 ihre eigene Kanzlei. Die nimmt sehr bald Fahrt auf und wird ständig größer. Neue Partner kommen dazu. 1998 erfolgt der Umzug in den Neubau an der Mühlenstraße, das heutige „Haus des Handwerks“. 2014 verstirbt der Mitgründer Holger Winkel plötzlich. Ein großer Schlag für Buhrfeind selbst und die Kanzlei. Heute sind zehn Anwälte und insgesamt weit mehr als 30 Mitarbeitende bei „Winkel, Buhrfeind & Partner“ (WB&P) tätig.
Mein Beruf hat mich stets fasziniert, wir haben trotz mancher Bauchschmerzen erhebliche Investitionen miteinander stemmen können, und auf meine Familie freue ich mich.
Claus Buhrfeind ist, so scheint es ihm, „ruck, zuck“ der Senior geworden. Zu Jahresbeginn hat er das Notariat aufgegeben, und langsam zieht er sich auch immer mehr als Anwalt zurück. „So etwa noch zwei bis drei Tage“ wird man ihn im Büro antreffen. Ansonsten will er „endlich mehr Zeit“ mit seiner Ehefrau und seiner Familie verbringen. Froh ist er, dass er bei dem „jetzigen elektronischen Zeitalter zwar noch ein bisschen mitreden“ könne, aber nicht mehr jede Nuance der Digitalisierung erforschen müsse. „Eine Welt ohne Papier-Akten“ – für ihn nur noch bedingt reizvoll. „Eigentlich habe ich alles richtig gemacht“, stellt er zum Schluss unseres Spaziergangs fest. „Mein Beruf hat mich stets fasziniert, wir haben trotz mancher Bauchschmerzen erhebliche Investitionen miteinander stemmen können, und auf meine Familie freue ich mich.“
Entgegen manchen Vermutungen stellt er übrigens fest, dass die Prozessfreudigkeit hierzulande deutlich gesunken sei. Auch die Zahl der Rechtsanwälte in der Wümmestadt sei „in den vergangenen 20 Jahren nicht größer geworden.“

Schließlich sind es fast sechs gemeinsame Stadt-Kilometer für uns geworden. Dass der Mann ein alter und bekannter Rotenburger ist, merkt man, wenn man mit ihm unterwegs ist: Jeden dritten begrüßt er mit Namen. Selten mal jemand, den er nicht kennt. Immerhin: Nicht nur als Anwalt und Notar ist er vielen geläufig, sondern „WB&P“ („Der Name wird bleiben, auch wenn ich raus bin“) ist als Sponsor in unserer Region nicht mehr wegzudenken: Zu den „Hurricanes“, zu Triathleten und Spitzenradfahrern, zum Kunstverein bis zur Cohn-Scheune und zum Jazzclub ist mancher Euro geflossen. Auf unserer Spurensuche in seinen ureigensten Heimatgefilden haben wir tatsächlich auch noch Dinge entdeckt, die ihm unbekannt waren: Der Psalmengarten am Mutterhaus etwa und die Gräber ehemaliger Vorsteher an der Kirche Zum Guten Hirten. Da lernt auch ein alter Rotenburger noch dazu.