Rotenburg Grundlage für die Verkehrsentwicklung: Diskussionen sind programmiert

Eigentlich hatte das Thema Verkehrsentwicklungsplan im Rotenburger Stadtrat einen formellen Hintergrund. Doch es kam erneut zur inhaltlichen Debatte. Dennoch ist er nun die Grundlage aller verkehrsspezifischen Entscheidungen.
Rotenburg – Der im vergangenen Jahr fertiggestellte Verkehrsentwicklungsplan (VEP) für die Stadt Rotenburg habe lediglich empfehlenden Charakter. Die einzelnen Maßnahmen setzten eine gesonderte Entscheidung des Stadtrates voraus. Genau darauf hat Bürgermeister Torsten Oestmann am Donnerstag im Stadtrat hingewiesen.
Wer allerdings geglaubt hatte, der Rat würde geräuschlos eben diesen VEP als grundsätzlich maßgeblichen Rahmen- und Maßnahmenplan für die weitere Entwicklung der Kernstadt im Bereich Verkehr und Mobilität beschließen, sah sich getäuscht. „Der Verkehrsentwicklungsplan kann in dieser Form keine Zustimmung finden – meine findet er jedenfalls nicht“, so Klaus Rinck (CDU), und das gelte auch für weitere Kollegen aus seiner Fraktion. Am Ende gibt es dennoch grünes Licht – bei vier Nein-Stimmen und sechs Enthaltungen.
Zuvor war genau das passiert, was Oestmann eigentlich vermeiden wollte: eine inhaltliche Diskussion über den VEP. Doch die hat Rinck ganz offensichtlich als erforderlich angesehen. Er sprach von einem „massiven Eingriff in die Verkehrsinfrastruktur, der so nicht realisierbar ist“. Das könne man daher nicht beschließen.
Oestmann wiederum hat gleich zu Beginn auf den zweiten Satz der Beschlussempfehlung hingewiesen. Danach bedürften einzelne im VEP enthaltene Maßnahmen der gesonderten Beschlussfassung. „Es heißt, der VEP sei unverbindlich, doch es wird ein Standard geschaffen. Dazu brauchen wir bis zum Ende durchdachte Ideen“, entgegnete der Christdemokrat Rinck. Er ging auf Fragen zur Parkplatzsituation ein, auf die Situation an der Goethestraße sowie auf Querungen auf wesentlichen Hauptverkehrsadern. Damit, so Rinck, sei kein flüssiger Verkehr mehr möglich. Man sollte vorher überlegen, was wo wirklich gewollt ist, und eben keine Verunsicherung erzeugen.
„Sie steigen jetzt in Themen ein, um die wir uns erst noch kümmern müssen“, erklärte Oestmann dazu. Man brauche eine Grundlage für einen Startschuss. Er bat um Zustimmung, „damit wir endlich in die Puschen kommen“. Die Einschätzung des vorliegenden VEP fällt im Lager der Grünen und der SPD ganz anders aus. „Die eröffnete Möglichkeit der Städtebauförderung in Form nicht rückzahlbarer Zuschüsse durch den Bund und das Land in Höhe von 30 Millionen Euro innerhalb der kommenden 15 Jahre geben uns eine Handlungsfreiheit auch für die Umsetzung von Verkehrsprojekten, die wir vorher so niemals gehabt hätten“, sagte Andreas Weber (SPD).
Er verwies auf „viele positive Aspekte der Entwicklung in Rotenburg“ während der vergangenen zehn Jahre – mit zusätzlichen Rad- und Gehwegen abseits der Hauptverkehrsstraßen sowie einer intensiven Werbung für umweltfreundliche „Verkehrsträger“, besseren Abstellmöglichkeiten für Fahrräder in der Innenstadt und der Einführung von zwei Fahrradstraßen. Stärkung des Fußgänger- und Fahrradverkehrs sowie einen attraktiveren ÖPNV bei gleichzeitiger Vermeidung unnötigen Kfz-Verkehrs – darum soll es gehen, betont Weber.
Stefan Klingbeil (Die Linke) reagierte auf Klaus Rinck etwas anders: „Viele Behauptungen, keine Fakten.“ Diese müssten ohnehin erst noch erarbeitet werden. Volker Emshoff (CDU) sieht es noch einmal anders: „Wir brauchen keinen Verkehrsentwicklungsplan. Ich kann Ihnen so sagen, was gemacht werden muss.“ Er sprach von einer „Stauwüste“, die sich auf der Fahrt von Unterstedt nach Rotenburg regelmäßig auftue. „Ich verstehe das, Sie wollen einen Startschuss.“ Aber ihn rege das auf. „Es können doch nicht alle mit dem Fahrrad fahren.“
Oestmann wollte nicht auf inhaltliche Fragen eingehen, verdeutlichte aber, dass auch er zu einzelnen Punkten des VEP seine ganz eigene Auffassung habe. „Doch das sage ich dann, wenn wir darüber diskutieren.“ Weber unterstrich bei seinem Signal der Zustimmung die „fachlich fundierten Empfehlungen“, die auf Basis von Verkehrszählunge und -analysen sowie aus wissenschaftlichen Studienergebnissen heraus entstanden seien. Günter Scheunemann (Freie Wähler) hegt an eben diesen Daten allerdings seine Zweifel: „Warum ist die Analyse in der Coronazeit vorgenommen worden?“ Da ja sei phasenweise kein normaler Straßenverkehr in der Rotenburger Innenstadt zu erleben gewesen.
„Ich bin begeistert von dieser angeregten Debatte“, erklärte Stefan Fuchs (Die Grünen). Auch, wenn es dafür noch nicht die richtige Zeit sei. Die eigentliche Diskussion ist aber programmiert.