Versicherung: Polizei Rotenburg beugt mit Kärtchen Straftaten vor

Am Lenkrad ein Zettelchen: Das kann schon große Wirkung haben. Die Polizei Rotenburg will damit an den kommenden Wechsel in den nächsten Versicherungszeitraum bei Kleinkrafträdern erinnern.
Rotenburg – Kleine Schildchen sollen der Strafzahlung vorbeugen – so in etwa lässt sich zusammenfassen, was die Polizei Rotenburg derzeit mit Blick auf den 1. März umsetzt: Zum Stichtag beginnt für alle zweirädrigen Kraftfahrzeuge mit einer Geschwindigkeit von bis zu 50 Stundenkilometern der neue Versicherungszeitraum. Und das geht mit einem Kennzeichenwechsel einher: „Aus grün wird schwarz“, heißt es deshalb auf den Kärtchen, die Kontaktbeamter Fred Krüger und seine Kollegen derzeit verteilen.
Entsprechend haben die Uniformierten derzeit Roller, Mofas und E-Scooter im Blick, deren Schrift noch in sattem Grün leuchtet – vor allem wenn die Beamten an Schulen wie den BBS oder dem Ratsgymnasium vorbeikommen, wo die Zweiräder gehäuft vorkommen. Bei Entdeckung eines betroffenen Fahrzeugs kommt ein Kärtchen mit Gummiband an den Lenker, auf dem steht: „Ihre Polizei rät. Denken Sie rechtzeitig daran, bis zum 1. März einen neuen Versicherungsvertrag für Ihr Fahrzeug abzuschließen“ – verbunden der freundlichen Aufforderung: „Fahren Sie vorsichtig“.
Aus Sicht der Rotenburger Kontaktbeamten kommt die Präventionsaktion bei den größtenteils jungen Fahrern der Vehikel gut an: „Bisher gab es viele positive Rückmeldungen“, berichtet Krüger. Die Polizisten befestigen nicht nur Kärtchen unter Sitzgurten und an Lenkern, sondern sprechen bei passender Gelegenheit die Jugendlichen auch direkt an. Das sorge zwar im ersten Augenblick für Irritation. Krüger: „Viele glauben erst mal, etwas falsch gemacht zu haben, wenn sie von einem Beamten angesprochen werden.“ Bei entsprechender Aufklärung stelle sich aber oft Dankbarkeit ein. Viele Angesprochene seien mit den Eigenschaften und Bedingungen der Versicherungspflicht nicht vertraut, sagt der Beamte mit Blick auf das Auslaufen am Stichtag 1. März.

Was ein kleines Kärtchen ist, ist allerdings Symbol für ein größeres Problem: Der ohnehin schon weithin ausgelastete Justizapparat sieht sich jedes Jahr zum Ende des Versicherungszeitraums mit einer Flut an Vorgängen konfrontiert. Die ist durchaus vermeidbar, findet Jörg Donhöfner. Der Beamte der Kriminalpolizei mit Hauptverantwortungsbereich Verkehrskriminalität weiß: Ein einzelner Vorgang sei in seiner Abteilung nicht viel Arbeit, da gehe ein Brief raus an die Staatsanwaltschaft – „das ist schnell gemacht. Aber die Masse macht’s.“ Statistisch gesehen sei die Zahl der schweren Verkehrsdelikte – dazu zählen neben dem Fahren ohne Versicherungsschutz unter anderem das ohne Fahrerlaubnis und das unter Einfluss von Drogen – seit 2017 um 15 Prozent gestiegen, sagt Donhöfner. Davon ausgenommen sind die Coronajahre 2020 und 2021, in denen nicht viel los war, weil es schlicht wenig lohnende Anfahrtsziele gab. Dennoch: Der Trend steige. „Und einen guten Teil davon dürften diese Vorgänge ausmachen, die beim Fahren ohne das richtige Kennzeichen entstehen“, verdeutlicht Donhöfner. Auch das inzwischen vermehrte Aufkommen von E-Scootern, die genau wie Roller und Mofas unter die Versicherungspflicht fallen, dürfte seinen Teil zur Statistik beitragen.
Dabei hat die Judikative durchaus noch andere Fälle, um die es sich zu kümmern gilt. So landen bekanntlich nicht nur unbelehrbare Wiederholungstäter vor dem Amtsgericht, die mehrfach ohne Versicherungsschutz aufgefallen sind. Daher habe die Staatsanwaltschaft Verden zu dem jährlichen Großaufkommen entsprechender Vorgänge bereits signalisiert, dass das den Betrieb „total aufhält“, wie Donhöfner weitergibt. Wie also verhindern, dass Menschen ohne Versicherungsschutz mit motorisierten Zweirädern unterwegs sind? Die Antwort dazu lieferte Krüger in Form der Kärtchen.
„Man darf nicht vergessen, dass das eine Straftat ist“, erinnert der Kontaktbeamte. „Und das kann schnell Probleme geben, wenn man später seinen Auto-Führerschein machen will“, fügt Kollege Donhöfner hinzu. Um die 600 Euro kann es kosten, von der Polizei ohne Versicherungsschutz erwischt zu werden. Von den astronomischen Summen, die Unfallverursacher ohne entsprechendes Nummernschild zu tragen haben, wenn ein Unfallopfer eine Behinderung davonträgt. „Dafür bezahlt man ein Leben lang“, sagt Donhöfner.
Kosten sind auch an anderer Stelle ein Stichwort: Der jährliche Wechsel der Versicherungskennzeichen für motorisierter Fahrzeuge bis 50 Stundenkilometer ist auch eine Frage des Umgangs mit Ressourcen. „Das erzeugt auch viel Müll. Deshalb haben wir mal beim Bundesumweltministerium angefragt, wie sie das bewerten“, sagt der Kontaktbeamte. Gerade mit dem Aufkommen der E-Scooter seien Städte doch überschwemmt mit den Fahrzeugen, die alle mit auszuwechselnden Kennzeichen ausgestattet sind. Sowohl er als auch Donhöfner fragen sich, warum es nicht ein ständiges Nummernschild gibt – wie beim Autofahren verbunden mit einer jährlichen Abbuchung.
Bis zum 1. März haben der Kontaktbeamte und seine Kollegen im Streifendienst die Versicherungsschilder noch mit wohlwollendem Blick im Auge – die Aktionskärtchen dabei stets griffbereit. Dass die Beamten mit dem Monatswechsel bei grünen Kennzeichen rot sehen, würde Krüger wohl nicht sagen. Aber die Lage ist dann durchaus ernster.