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CDU und Freie Wähler kritisieren „Maßlosigkeit“ bei Debatten um Umbenennungen

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Von: Michael Krüger

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Die Debatte, ob die Rotenburger Lent-Kaserne ihre Namen behalten kann, ist noch nicht abgeschlossen. Grundlage der Entscheidung des Verteidigungsministeriums dürfte der neue Traditionserlass sein. - Foto: Röhrs
Die Debatte, ob die Rotenburger Lent-Kaserne ihre Namen behalten kann, ist noch nicht abgeschlossen. Grundlage der Entscheidung des Verteidigungsministeriums dürfte der neue Traditionserlass sein. © Röhrs

Rotenburg - Von Michael Krüger. Lent-Kaserne, Buhrfeindstraße und Dr.-Walter-Mecke-Damm: Seit vielen Monaten wird in Rotenburg intensiv diskutiert, ob in den drei Fällen Umbenennungen notwendig sind – jeweils wegen möglicher Verfehlungen und etwaiger „dunkler Kapitel“ in der Zeit des Nationalsozialismus der Namensgeber.

Am Donnerstag steht im Rotenburger Stadtrat die Abstimmung über den Mecke-Damm auf der Tagesordnung – und ein neuer Traditionserlass bei der Bundeswehr könnte endlich bei der Kaserne für Klarheit sorgen. Der Rotenburger Stadtratsfraktion von CDU und Freien Wählern reicht das aber nicht.

Beide Parteien wollen die Debatten endlich beendet wissen. Fraktionschef Klaus Rinck spricht in einer Pressemitteilung von „links-grünen Schilderstürmern“, die in der Diskussion „jegliches Maß“ verlieren. Konkret bezieht sich Rinck dabei auf den ehemaligen Rotenburger Heilerziehungspfleger und laut Rinck „selbst ernannten Historiker“ Michael Quelle, der zuletzt am Montag in der Rotenburger Kreiszeitung für eine Umbenennung der Lent-Kaserne plädiert hatte. 

Er habe Dokumente ausgewertet, die endgültig belegten, dass Lent „fest auf dem Boden der nationalsozialistischen Weltanschauung“ gestanden habe. Quelle, Mitglied der Partei Die Linke: „Ich habe keinen Beleg gefunden, dass er dem Nationalsozialismus kritisch gegenüber stand. Ich würde ihn als führertreu bezeichnen.“

Lent-Debatte: Geduld ist am Ende 

Rinck dazu: „Unsere Geduld ist jetzt am Ende. Die Linke und Teile der Grünen verlieren jegliches Maß.“ Die Debatte um Lent sei in den vergangen vier Jahren umfassend geführt worden: „Die von Quelle ins Feld geführten beiden Zitate Lents waren bereits bekannt, sie sind beim politischen Meinungsbildungsprozess berücksichtigt worden und stellen insofern keine neuen Erkenntnisse dar.“

Die Herangehensweise Quelles empfindet Rinck als einseitig: „Es ist grotesk, dem Soldaten Lent seine militärische Tapferkeit zum Vorwurf zu machen. Seine Aufgabe bestand darin, als Nachtjäger zu verhindern, dass die deutsche Zivilbevölkerung von alliierten Bomberpiloten getötet wird. Zudem stellt ein neueres und umfangreicheres Gutachten des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr fest, dass Lent dem Nationalsozialismus aufgrund der starken Prägung durch sein christlich-protestantisches Elternhaus distanziert gegenüberstand.“ 

Wenn die Diskussion nun trotz klaren Votums des Stadtrates, des Kreistages und der in Rotenburg stationierten Soldaten für eine Beibehaltung des Namens von Linken und Teilen der Grünen weitergeführt werde, zeige dies vor allem einen Mangel an Demokratieverständnis: „Eine kleine Minderheit will der Politik und den anderen Bürgern mit Gewalt ihren Willen aufzwingen.“ 

Auch sei die Wahl der Ausdrucksmittel bedenklich: „Wer eine Ratssitzung vom Pferdemarkt aus mit Megafon stört, Landrat Luttmann als ‚Lentrat‘ tituliert und Rotenburg als ‚braunen Sumpf‘ bezeichnet, muss sich fragen lassen, ob das noch moralisch vertretbar ist.“

Neuer Traditionserlass

Der schon Ende 2013 vom Bundesverteidigungsministerium angestoßene Prozess um eine mögliche Umbenennung der Kaserne könnte vielleicht schon in absehbarer Zeit abgeschlossen werden. Vor der Bundestagswahl hatte das Ministerium erklärt, noch in diesem Jahr über den Namen zu entscheiden, nun liegt laut Spiegel.de ein neuer Traditionserlass für die Bundeswehr vor, der ab Januar gelten könnte. 

„Für die Streitkräfte eines freiheitlichen demokratischen Rechtsstaates ist die Wehrmacht als Institution nicht sinnstiftend“, heißt es demzufolge in dem Papier. Lediglich eine „Beteiligung am militärischen Widerstand gegen das NS-Regime oder besondere Verdienste um den Aufbau der Bundeswehr“ seien Gründe für die Verehrung von Wehrmachtsoldaten. 

Nur „ein soldatisches Selbstverständnis mit Wertebindung, das sich nicht allein auf rein handwerkliches Können im Gefecht reduziert“, könne sinnstiftend sein für die Bundeswehr, so Spiegel.de am Dienstag. Was das im Fall Helmut Lent bedeutet, wird aber nicht konkretisiert.

Debatte mit politisch motivierten Zügen

Die Debatten um die Buhrfeindstraße und den Mecke-Damm weisen laut Rinck ähnlich politisch motivierte Züge auf. In beiden Fällen hätten historische Aufarbeitungen dazu geführt, die Namensgeber zu entlasten. Das hätten im Fall Mecke mittlerweile auch Rotenburgs Bürgermeister Andreas Weber (SPD) und seine Parteigenossen verstanden. Letztere wollten gegen Webers Vorschlag den Namen im Planungsausschuss noch tilgen lassen. 

Rinck rechnet damit, dass die Namensgebung bleibt und damit Meckes Wirken für die Errichtung des Dammes weiterhin sichtbar gewürdigt wird: „CDU und Freie Wähler freuen sich über den Sinneswandel unseres Bürgermeisters und werden ihm die notwendige Mehrheit für seinen Beschlussvorschlag verschaffen – auch wenn es sicherlich wieder einige umfangreiche Wortbeiträge und Gegenstimmen aus anderen Fraktionen auszuhalten gilt.“

Namensdebatten: Das richtige Maß ist längst abhanden

Ein Kommentar von Michael Krüger

Vielen Beteiligten sollte ein Lob ausgesprochen werden: Wie sich zahlreiche Rotenburger von verschiedenen Seiten in die Debatte einbringen und mit Inbrunst argumentieren, ist bemerkenswert. Nur sind es leider allzu oft die falschen Argumente und Mittel. Genauso falsch wie das Beleidigen von Ratsmitgliedern über Lautsprecheranlagen ist die emotionalisierte Streitkultur derer, die sich aus ganz anderen Gründen als der Sache selbst einmischen. 

Gelobt werden sollten vielmehr diejenigen im Diakonissen-Mutterhaus, die sich der schwierigen Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit angenommen haben. Dafür werden sie nun auch persönlich angegriffen; weil man doch Buhrfeind oder Mecke noch selbst kannte, weil sie feine Menschen waren, weil das so ins politische Weltbild passt, müsse alles bleiben, wie es ist. Das hat aber nichts mit wissenschaftlicher Aufarbeitung oder differenzierter Betrachtung zu tun. Das ist sentimentale Verklärung oder gar bewusste Ignoranz. 

Gelobt werden müssen diejenigen, die es zulassen, andere Meinungen zu vernehmen. Die nicht, weil ihnen der Parteiausweis des anderen stört oder man noch alte Rechnungen früherer politischer Fronten begleichen will, sofort abschalten und sich der Argumentation verschließen. Davon gibt es viele in Rotenburg, aber sie sind nicht immer die Lautstärksten. Und es gehören die gelobt, die Entscheidungen treffen und sich daran messen lassen, die Diskussion darüber aushalten. 

Das ist im Fall der Lent-Kaserne nach vier Jahren noch nicht passiert. Zuletzt war es politisches Zaudern im Wahlkampf, jetzt könnte die geschäftsführende Ministerin ohne Angst vor Prozentverlusten entscheiden. Sie könnte sich sogar gegen die Empfehlungen der Region stellen. Wenn es dafür gute Gründe gibt. Dann bekäme auch sie Lob.

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