Freiheitslyrik der Ukraine im Rotenburger Ratssaal

Der Rotenburger Förderverein Cohn-Scheune veranstaltet am 14. Februar im Saal des Rathauses eine Lesung ukrainischer Literatur.
Rotenburg – Jeden Tag sterben in der Ukraine Menschen aufgrund des von russischer Seite gestarteten Angriffskriegs. Eine Möglichkeit, daran zu erinnern, verwirklicht der Rotenburger Förderverein Cohn-Scheune am Dienstag, 14. Februar: Er hat das Literarische Quartier Bremen für eine Lesung ukrainischer Literatur im Rotenburger Ratssaal gewonnen. „Mag der nächste Frühling kommen“ heißt diese und ist laut Veranstalter „eine Reise durch die vielsprachige Literatur der Ukraine“.
Die russische Regierung bestreitet seit Langem das ukrainische Existenzrecht. Dazu gehört auch, dass der Ukraine die eigene Kultur in Abrede gestellt wird, inklusive Literatur. Deshalb reflektieren wir jetzt, was dazugehört, auch mit Blick auf Geschichte und Gesellschaft.
Freiheitsgedichte aus der Zarenzeit, Poesie und Romane der postsowjetischen Jahre und Werke der vom Krieg bestimmten Gegenwart: Insgesamt rund 170 Jahre ukrainische Geschichte will das Quartier anhand von Stichproben Revue passieren lassen. Der Hintergrund ist schnell erklärt: „Die russische Regierung bestreitet seit Langem das ukrainische Existenzrecht. Dazu gehört auch, dass der Ukraine die eigene Kultur in Abrede gestellt wird, inklusive Literatur. Deshalb reflektieren wir jetzt, was dazugehört, auch mit Blick auf Geschichte und Gesellschaft“, erläutert Claudia Koppert. Aus Sicht des Beiratsmitglieds des Fördervereins passe die Veranstaltung gut zum Vereinsprogramm: Immerhin hätten auch in Rotenburg viele Zuflucht vor dem Krieg gesucht – und auch die Geschichte des jüdischen Lebens, die der Verein im Gedächtnis halten möchte, ist eine von Flucht, Ausgrenzung und schließlich von Völkermord.
Knapp ein Jahr nach Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine liegt es daher in den Händen von Inge Buck und Barbara Alms, für eine historische Literaturlesung mit Tiefe zu sorgen, die gleichermaßen „relativ leicht zugänglich ist“, wie Koppert sagt. Alms, lange Jahre Direktorin eines Kunstmuseums, und Buck, ehemalige Kulturwissenschaftlerin an der Hochschule Bremen, mussten sich dazu erst einmal einarbeiten – und dafür bei Null anfangen: „Wir hatten ja gar keine Ahnung von ukrainischer Literatur. Das war für uns eine Leerstelle“, sagt Buck. Erste Anlaufstelle, um etwas über die Literatur des Landes zu lernen, war für sie das Buch „Graue Bienen“ von Andrej Kurkow. Der Roman erzählt die Geschichte einer östlichen Region des Landes im Winter 2016, die Schauplatz für Kämpfe der ukrainischen Armee und prorussischen Separatisten wird. Erzählt wird sie aus Sicht zweier Rentner, einer von ihnen ist Hobbybienenzüchter. Von diesem Werk aus arbeitet sich Buck von der Gegenwart in die Geschichte. Dabei stößt sie irgendwann auch auf Taras Schewtschenko, dessen literarisches Schaffen in der Mitte des 19. Jahrhunderts vor allem vom Freiheitsbegriff geprägt ist. „Und das zieht sich durch die ganze Lesung: Der Gedanke von Selbstbestimmung und Freiheit“, sagt Buck.

Sie lässt sich bei der Arbeit für das Programm von der FAZ-Redakteurin Annette Werberger inspirieren, die ihrerseits kurz vor Beginn des Ukraine-Kriegs einen Aufsatz zur Vielsprachigkeit ukrainischer Literatur veröffentlicht. Auch Alms kennt das Stück: „Das war eine große Hilfe. Diese Literatur ist aus deutscher Perspektive sonst nicht leicht zugänglich“, sagt sie. Für Alms liegt der Fokus eher auf der ukrainischen Lyrik: „Da gibt es ganz hinreißende Sachen“, schwärmt sie. Zum Beispiel Serhij Zhadan, dessen Zeilen den Titel der Veranstaltung stellen.
Strukturell wird es während der Lesung um verschiedene Stationen der ukrainischen Landesgeschichte von der Zarenzeit über die Sowjetunion bis in die Gegenwart gehen. Die Abordnung vom Literarischen Quartier macht die Zuhörer unter anderem mit Freiheitsgedichten aus der Zeit der Zarenherrschaft bekannt. Der Schwerpunkt liegt laut Förderverein allerdings „auf Werken der postsowjetischen Zeit und der Gegenwartsliteratur, die nicht zuletzt durch immer noch aktuelle Kampfhandlungen geprägt ist – von Schriftstellern und Poeten wie Juri Andruchowytsch, Ilya Kaminsky, Andrij Kurkow, Natalka Sniadanko, Jelena Saslawskaja und Serhij Zhadan.“
Start- und Endpunkt der Lesung bildet ein Zitat aus dem Gedicht von Serhij Zhadan: „Mag der nächste Frühling kommen.“ Aus Sicht der beiden Literaturkennerinnen stellt das Programm einerseits den aktuellen zeitlichen Bezug her – aktuell steht der Frühling bevor – und andererseits beschwöre der Poet mit der Erwähnung der Jahreszeit des Wiedererblühens etwas Hoffnung.
Die Lesung
Der Eintritt zu „Mag der nächste Frühling kommen“ am Dienstag, 14. Februar, ab 19 Uhr, kostet drei Euro. Schüler können sich die Lesung anhören, ohne Eintritt zu bezahlen. Ort des Geschehens ist der Ratsaal des Rathauses Rotenburg. Der Rotary Club Wümmeland unterstützt das Vorhaben finanziell. Die Organisatoren bitten um Spenden vor Ort.