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Konstante Fallzahlen

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Von: Wieland Bonath

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Jürgen Schulz, Leiter der Außenstelle Rotenburg des Weißen Rings, mit Fotos von Opfern häuslicher Gewalt. Foto: Bonath
Jürgen Schulz, Leiter der Außenstelle Rotenburg des Weißen Rings, mit Fotos von Opfern häuslicher Gewalt. Foto: Bonath

Rotenburg – Der Weiße Ring in Deutschland, die größte Hilfsorganisation für Opfer von Kriminalität, befürchtet deutlich mehr Fälle von häuslicher Gewalt aufgrund der Ausgangsbeschränkungen im Zusammenhang mit der Corona-Krise. Im Landkreis hat sich die Fallzahl seit dem 23. März, seitdem die Menschen erheblich in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt sind und zunächst bis zum 20. April große Teile der Tage in ihren Wohnungen leben müssen, nach Angaben des Leiters der Rotenburger Außenstelle, Jürgen Schulz, aber nicht erhöht. Noch nicht, wie er im Gespräch mit der Kreiszeitung erklärt. Auch die Polizei hat noch kein erhöhtes Aufkommen häuslicher Gewalt verzeichnen können.

Aber wie wird es weitergehen, wenn das Coronavirus auf unabsehbare Zeit weiter den Alltag beherrscht und existenzielle Sorgen mehr werden? Schulz: „Mir ist zur Zeit keine Steigerung der Fallzahlen in diesem Bereich bekannt. Das mag an der ländlichen Struktur des Landkreises Rotenburg mit seinen fehlenden Ballungsgebieten liegen. Es kann auch damit begründet sein, dass die Opfer noch isoliert sind und keine Gelegenheit und keinen Mut haben, sich an die Polizei oder Hilfseinrichtungen wie Weißer Ring oder Frauenhäuser zu wenden.”

Es sei schwer, in die Zukunft zu blicken und eine belastbare Prognose für diese indirekte Folge der Krise abzugeben. Schulz vermutet jedoch einen Anstieg der Fallzahlen, der sich erst später in unterschiedlicher Weise bemerkbar machen wird. Er appelliert in diesem Zusammenhang an die Pflicht zur Mitmenschlichkeit und bittet darum, sich bei konkreten Anlässen häuslicher Gewalt an die Polizei oder Hilfsorganisationen zu wenden. Die entsprechenden Telefonanschlüsse werden regelmäßig in der Zeitung veröffentlicht.

Nach Auskunft von Polizeisprecher Heiner van der Werp kam es im Januar 2020 im Landkreis zu 42 polizeibekannten Fällen häuslicher Gewalt. Im Februar seien es 38 und im März 42 Fälle gewesen, also ein monatlicher Durchschnitt von circa 40 Fällen. Van der Werp: „Wir können im Moment noch keinen außergewöhnlichen Anstieg der Fälle häuslicher Gewalt erkennen. Wir hoffen, dass es dabei bleibt.”

Wenig beruhigend wird hingegen die bundesweite Entwicklung von Jörg Ziercke, dem Bundesvorsitzenden des Weißen Rings, eingeschätzt. Ziercke in einer Pressemitteilung: „Wir müssen leider mit dem Schlimmsten rechnen.” Die Corona-Krise zwinge die Menschen, in der Familie zu bleiben, hinzu kämen Stressfaktoren wie finanzielle Sorgen und Zukunftsunsicherheit. Diese Spannung könne sich in Gewalt entladen, warnt Ziercke. „Unsere Opferhelfer kennen das von Festtagen wie Weihnachten: Wenn die Menschen tagelang zu Hause sind, gehen die Fallzahlen in die Höhe. Die Kontaktsperre wegen Corona dauert aber sehr viel länger als Weihnachten, die Stressfaktoren sind auch größer.”

Auch in „normalen” Zeiten ist häusliche Gewalt in Deutschland alltäglich: Mehr als 140 000 Fälle wurden 2018 bei der Polizei angezeigt. Statistisch wird demnach knapp alle vier Minuten ein Mensch Opfer von Gewalt in den privaten vier Wänden. Die Dunkelziffer ist allerdings erheblich. Der Weiße Ring geht insgesamt von mehr als einer Million Fälle pro Jahr aus. „In diesem Jahr” vermutet die Hilfsorganisation, „könnten es wegen der Corona-Maßnahmen deutlich mehr Opfer werden.”

Häusliche Gewalt, in sehr vielen Fällen sind Frauen die Betroffenen, wird in allen gesellschaftlichen Schichten registriert. Körperliche, sexuelle, psychische und wirtschaftliche Gewalt, die sich unter anderem gegen Ehepartner, Kinder und gegen ältere im Haushalt lebende Menschen richtet.

Weißer Ring

Die Rotenburger Außenstelle des Weißen Rings ist telefonisch unter der Nummer 04261 /83894 erreichbar. Mehr Informationen und Kontaktmöglichkeiten gibt es online unter www.weisser-ring.de.

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