Hegeringleiter Hans-Jürgen Ohlhoff zum Thema Wolf: „Bejagung muss sein“

Im Interview nimmt Visselhövedes Hegeringleiter Hans-Jürgen Ohlhoff Stellung zum Thema Wolf in der Region.
Nindorf – Nach dem jüngsten Vorfall mit drei Wölfen, die eine junge Frau auf ihrem Fahrrad bei Visselhövede verfolgt hatten, wird die Diskussion rund um die Raubtiere wieder intensiver geführt. Auch die Jägerschaft hat ihre Meinung dazu. Wir haben mit dem Nindorfer Hans-Jürgen Ohlhoff, Vorsitzender des Visselhöveder Hegerings, über das Thema gesprochen.
Gehen Sie noch ohne Angst in den Wald?
Ich gehe jetzt mit erheblich mehr Vorsicht durch den Wald als früher. Mittlerweile gehört eine Menge Respekt dazu.
Was hat sich verändert?
Das Leben in unserer freien Natur ist ein anderes als noch vor 20 Jahren. Vor dieser Zeit nämlich gab es über mehrere Dekaden in Deutschland keine Wölfe mehr. Als die ersten Wölfe sich Anfang des Jahrtausends in der Lausitz angesiedelt hatten, hieß es von Fachleuten: Ihr werdet Wölfe nie zu Gesicht bekommen. Sie sind viel zu scheu! Damals war die Aussage richtig. Diese Wölfe, die aus Osteuropa eingewandert waren, wurden dort bejagt und wussten genau, dass von den Menschen eine Gefahr für sie und die Mitglieder ihres Rudels ausging.
Das ist jetzt nicht mehr so?
Der Wolf ist in der EU das höchst geschützte Tier und darf bei uns nicht bejagt oder in anderer Form vertrieben oder beunruhigt werden. Die Tiere aus der Lausitz leben nicht mehr, jedoch immer mehr Nachkommen dieser Wölfe. Der Bestand an Wölfen in Deutschland wächst sehr dynamisch mit einer Zuwachsrate von etwa 30 Prozent pro Jahr. Und sie haben gelernt, dass für sie vom Menschen keine Gefahr mehr ausgeht. Wir sehen sie nun immer mehr am helllichten Tage in der Natur, mittlerweile auch auf oder in der Nähe einzeln gelegener Höfe, manchmal auch in Ortschaften.
Also auf dem Land eine reale Gefahr für Mensch und Nutztier?
Zunächst haben die Wölfe sich von Wildtieren ernährt, aber dann doch schnell gelernt, dass Schafe wesentlich leichter zu erbeuten sind. Mittlerweile haben die Wölfe ihr Beutespektrum erweitert und töten auch Rinder und Pferde. Jeder Wolf braucht zum Überleben jeden Tag drei Kilogramm Fleisch und das muss irgendwo herkommen.
Aber es wird doch alles dokumentiert und es gibt Ausgleichszahlungen?
Seit mehr als zehn Jahren wird von der Landesjägerschaft Niedersachsen das Wolfsmonitoring durchgeführt und Ergebnisse daraus über die Homepage veröffentlicht. Hier werden alle Nutztierrisse erfasst, soweit sie von den Haltern gemeldet werden, wenn möglich DNA-Proben gezogen und die Risse dann den entsprechenden Wölfen oder einem Rudel zugeordnet.
Das klingt so, als wäre alles geregelt?
Die Bereitschaft bei Tierhaltern und Jägern, Risse zu melden, hat leider erheblich nachgelassen. Das liegt in erster Linie daran, dass gerade Tierhalter häufig über Social Media denunziert werden. Ihnen wird vorgeworfen, ihre Zäune nicht in Ordnung gehabt zu haben und sie werden so zu Mittätern gemacht.
Finden Sie, dass mit Blick auf den jüngsten Visselhöveder Fall die Medien in ihrer Berichterstattung bewusst Angst schüren?
Vor ein paar Monaten gab es eine Pressemitteilung, dass ein Wolf einen Radfahrer in Holland verfolgt hat. Und jetzt die Meldung einer Verfolgung einer jungen Frau durch drei Wölfe im Bereich von Visselhövede. Wahrscheinlich handelte es sich um drei junge Wölfe, die ihr Rudel verlassen mussten und jetzt auf der Suche nach einem neuen eigenen Territorium sind. Diese jungen, gut ein Jahr alten Wölfe sind noch unerfahren. Ernst war die Situation in Visselhövede aber aus meiner Sicht allemal. Ein entsprechender Artikel dazu ist in den Visselhöveder Nachrichten veröffentlicht worden und schlug dann auch gleich hohe Wellen. Selbst der Spiegel und Focus haben darüber berichtet.
Wie schätzen Sie persönlich den Vorfall ein?
Es ist ganz klar, dass uns die Wölfe in unserem Leben weiter begleiten werden. Der kanadische Biologe Valerius Geist beschreibt in einer Studie sieben Stufen der Eskalation im Zusammentreffen von Menschen mit Wölfen. Folgt man seiner wissenschaftlichen Einschätzung, dann ist die jüngste Attacke in Visselhövede der Stufe sechs zuzuordnen. Wir alle wollen hoffen, dass Stufe sieben niemals eintreten möge!
Dann stellt sich die Frage, wer heutzutage mehr Schutz bekommt: der Mensch oder der Wolf?
Das hat schon Leserbriefschreiber Josef Scheele-von Alven treffend formuliert. Ihm kann nur zugestimmt werden, wenn er fragt, ob denn nun dem Mensch oder doch dem Wolf der höchste Schutzstatus zugestanden werden soll. Und er hat weiterhin recht, wenn er anmerkt, dass immer mehr Weidetierhalter aufgeben. Ich selbst habe in einer Diskussion mit Politikern, Umweltschützern und Landvolk-Vertretern und erlebt, wie Weidetierhalter, vornehmlich Schäfer, teilweise unter Tränen von Wolfsübergriffen auf ihre Tiere berichtet haben. Der Umgang mit den Schäfern ähnelt einer Gängelei, denn tatsächliche Unterstützung erhalten sie nicht wirklich.
Brauchen wir denn die Schäfer noch so wie einstmals?
Wer soll die rund 1200 Kilometer Deiche an unserer Küste sonst schützen, wenn nicht die Deichschäfer? Immerhin behüten die Deiche das Hab und Gut von rund 1,1 Million Niedersachsen mit nicht weniger als 14 Prozent der Landesfläche von Niedersachsen vor Hochwasser. Sind diese Werte nicht mindestens genauso schützenswert wie die Wölfe?
Und dann kommen die Wolfsberater ins Spiel, Wie sehen Sie ihre Rolle?
An dieser Stelle muss der für den Raum Rotenburg zuständige Wolfsberater, Jürgen Cassier, aus meiner Sicht in Schutz genommen werden. Er hat in dem Bericht zur Wolfsattacke auf die junge Frau aus Ebbingen allgemeine Hinweise zum Verhalten bei Wolfsbegegnungen wiedergegeben. Was soll er auch anderes tun? Ich bin mir fast sicher, dass auch er sich mit dieser Situation nicht wohl fühlt. Nicht Cassier entscheidet, wie mit Wölfen umgegangen werden soll oder muss, wenn sie uns zu nahe kommen. Diese Entscheidungen sind Politikern vorbehalten, die nicht direkt betroffen sind.
Kein Tier in unserem Land erhitzt die Gemüter mehr als der Wolf, oder?
Genauso ist es! Wir erinnern uns alle sicher noch gut an das Jahr 2016. An den Wolf mit Namen Kurti, der auf Anordnung des damaligen grünen Niedersächsischen Umweltministers Stefan Wenzel erschossen wurde. Kurti hatte sich damals einer Spaziergängerin, die einen Hund mitführte, bis auf rund 30 Meter genähert und sich in der Nähe einer Kaserne gezeigt, mehr nicht. Jetzt muss man sich doch ernsthaft fragen, was noch passieren muss, damit der derzeitige ebenfalls grüne Umweltminister Christian Meyer seine Verantwortung zum Schutz der ländlichen Bevölkerung wahrnimmt.
Macht er das denn nicht?
Anstatt sich darum zu kümmern, feiert er mit seinem Ministerium eine Förderung von sieben Millionen Euro aus EU-Mitteln zur Erforschung des Konfliktpotenzials zwischen Wolf und Mensch im urbanen Raum. Heißt das nicht im Umkehrschluss, dass die Landbevölkerung mit den zunehmenden Gefährdungen durch die Wölfe immer mehr allein gelassen wird?
Wie meinen Sie das?
Man muss sich als jemand, der auf dem Land lebt, ernsthaft die Frage stellen: Stört jetzt der Wolf oder vielleicht doch der Mensch in diesem Lebensraum? Soll es in Zukunft nicht auch weiterhin möglich sein, dass Schüler ihre Freunde im Nachbardorf mit dem Fahrrad besuchen oder Kinder mit ihren Ponys in Feld und Wald ausreiten können, ohne dass ihre Eltern in ständiger Angst leben müssen oder es gar verbieten, weil die Gefahr von Übergriffen durch Wölfe dann doch zu groß ist?
Haben Sie eine Lösung des Konflikts?
Wölfe müssen wieder lernen, dass vom Menschen Gefahr ausgeht. Erfahrungsgemäß lässt sich die Angst vor den Menschen nur durch die Jagd nachhaltig genetisch verankern. So kann und muss der berechtigten Forderung nach einer Bejagung nachgekommen werden, so wie es zum Beispiel das Landvolk und andere ländliche Verbände schon lange fordern. Nur so werden wir es schaffen, dass ein Miteinander zwischen Wölfen und Menschen einigermaßen möglich ist.