Konfliktlösung mal anders: Joachim Kost und Catharina Barré sind als Mediatoren tätig

Rotenburg - Von Guido Menker. Seit anderthalb Jahren forciert das Rotenburger Amtsgericht seine Bemühungen, Auseinandersetzungen nicht in einem klassischen Verfahren, sondern in Form einer gerichtsnahen Mediation abschzuschließen. Mit Erfolg: Von 49 solcher Verfahren sind im vergangenen Jahr 43 erfolgreich beendet worden.
„Es gibt bei der Mediation auch Kaffee“, sagt Richterin Catharina Barré. Und wenn sie als Mediatorin mit den Verfahrensbeteiligten an einem Tisch sitzt, ist vieles ganz anders als in einem Gerichtssaal. Sie trägt keine Robe, und sie stellt durchaus auch empathische Fragen. Alle am Tisch befinden sich sprichwörtlich auf Augenhöhe.
Die Zahl der Mediationsverfahren am Amtsgericht Rotenburg hat deutlich zugenommen, seitdem dieses Angebot in Rotenburg nicht mehr nur in Kooperation mit dem Gericht in Verden angeboten wird. Die räumliche Nähe zahlt sich aus. In Catharina Barré sowie Amtsgerichtsdirektor Joachim Kost stehen zwei ausgebildete Mediatoren zur Verfügung. Ihr Ziel ist es, in bereits laufenden Zivil- oder Familiengerichtsverfahren Lösungen von Konflikten zu erzielen, mit denen am Ende beide Parteien einverstanden sind und gut leben können. Am Ende trifft nicht der Richter eine Entscheidung, sondern es kommt zu einer Einigung. Während es also in einem klassischen Gerichtsverfahren irgendwann ein Urteil und dadurch einen Gewinner, aber eben auch einen Verlierer gibt, sorgt ein erfolgreiches Mediationsverfahren unter dem Strich nur für Gewinner. „Das ist wirklich so“, sagt Joachim Kost.
Dass die Gerichte überlastet sind, sei nicht der Grund, die Mediation voranzutreiben. Kost spricht vielmehr von einem „vernünftigen politischen Willen.“. Zugleich jedoch ist auch das Gericht ein Gewinner. Während man in einem neuen Verfahren mitunter bis zu drei oder vier Monate auf einen ersten Verhandlungstermin warten muss, ist eine Mediation meistens mit nur einem Termin abgeschlossen - und damit spätestens nach sechs Wochen erledigt.
Den Anstoß für eine Mediation gibt in der Regel der Richter, der einen Fall auf den Tisch bekommt und ihn entsprechend einschätzt. Beide Parteien müssen zustimmen. „Das ist die Voraussetzung“, unterstreicht Kost. Ob es um einen Nachbarschaftsstreit oder um Familienauseinandersetzungen mit einem Streitwert in Millionenhöhe geht, spiele dabei keine Rolle, erläutert Catharina Barré. Joachim Kost ist sich sicher, dass die Mediation einen besonderen Charme habe: Einerseits sei da der Richter, der in der Mediation zunächst gedanklich die Robe auszieht und seine Fertigkeiten nutzt, um „das vernünftig durchzuführen“. Anderseits ziehe er nach einer Einigung gedanklich wieder die Robe an, um das Ergebnis zu protokollieren. „Die Einigung ist genauso gerichtsfest wie eine richterliche Entscheidung“, so Kost. Halte sich eine der Parteien nicht an die Abmachung, seien die vereinbarten Punkte vollstreckbar.
Das Schöne an einem solchen Verfahren: Es spart nicht nur Zeit, sondern es treibt auch nicht die Gerichtskosten in die Höhe. Ein Kostenrisiko bestehe also nicht. Doch Barré und Kost erwähnen noch weitere Aspekte, die die Mediation kennzeichneten: „Man kann über alles sprechen, und wir fragen die Parteien auch, ob sie mit dem einen oder anderen Punkt leben können oder wie es ihnen damit geht“, so Kost. In einer Verhandlung gehe es hingegen im Wesentlichen um Fakten, aber nicht um Gefühle.
Die Rechtsanwälte können mit am Tisch sitzen, müssen sie aber nicht. Am Tisch nehmen sie etwas Abstand zu den beiden Parteien und dem Mediator, der das Gespräch moderiert. Wichtig zu wissen: Scheitert eine Mediation, geht der Fall in das normale Verfahren zurück. Der zuständige Richter erfährt - neben dem Ergebnis - nichts von dem, was in der Mediation gelaufen ist. Kost: „Die Mediatoren haben ein Zeugnisverweigerungsrecht.“ Sie stehen also auch nicht als Zeugen zur Verfügung. Denn: In der Mediation gelte die Verschwiegenheitspflicht.
Die Reaktionen der Betroffenen fallen sehr unterschiedlich aus. Manchmal sei Überzeugungsarbeit zu leisten, manchmal brauchen die Menschen etwas Bedenkzeit, um für sich zu klären, ob die Mediation für sie der richtige Weg ist. Das Angebot aber schafft ganz offensichtlich Nachfrage. Die Fallzahlen steigen in Rotenburg - und die Erfolgsquote ist mit 88 Prozent ebenfalls nicht zu unterschätzen.