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Der Feuerteufel aus den eigenen Reihen

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Von: Michael Krüger, Matthias Röhrs

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Ausgebrannte Autos in Hohenesch
Im Rotenburger Gewerbegebiet Hohenesch hat im Dezember ein Feuer 37 Fahrzeuge komplett oder zum Teil zerstört. © Guido Menker

Drei junge Männer hat die Polizei für die Brandserie bei Fahrzeughändlern im Landkreis Rotenburg mit mindestens 15 Taten und einem Millionenschaden als Beschuldigte im Blick. Einer von ihnen: ein Feuerwehrmann, der sogar bei Löscheinsätzen in dieser Sache dabei war.

Rotenburg – Heiner van der Werp spricht von „Beschuldigten“. Die 22, 24 und 26 Jahre alten Männer saßen am Dienstag bei der Polizei in Rotenburg zur Vernehmung. Für den Sprecher der Polizeiinspektion sind sie mehr als nur Verdächtige, die Beweislage sei mittlerweile recht eindeutig. Es seien junge Männer aus Rotenburg und der Gemeinde Scheeßel, deutscher Herkunft, die für die Brandserie bei Fahrzeughändlern mit mindestens 15 Taten und einen Millionenschaden verantwortlich sein sollen. Einer von ihnen, wie jetzt klar ist: Ein Mitglied einer Freiwilligen Feuerwehr, und er war sogar bei Brandeinsätzen der Serie dabei.

Polizei fasst mutmaßliche Feuerteufel aus Rotenburg und Scheeßel

Die Ermittlungsgruppe „Hohenesch“ hatte das Trio schon länger im Blick. Nach dem verheerenden Feuer beim Nutzfahrzeughandel Alga in Sittensen am vergangenen Wochenende kamen Fragen auf: Wieso hat die Polizei nicht rechtzeitig zugegriffen, hätte der Brand verhindert werden können? Die Ermittler der Polizei sind davon überzeugt, gute Arbeit geleistet zu haben. „Und sie sind sich sicher, die Drei waren es“, so van der Werp. Aber: Obwohl das Trio im Visier der Ermittler war, konnten am vorigen Wochenende die Brände in Weertzen und Sittensen gelegt werden. Warum?

Einsatz mit Spezialkräften

„In jüngster Vergangenheit verdichtete sich die Verdachtslage dahingehend, sodass kurzfristig offensive polizeiliche Maßnahmen geplant wurden. Der Zeitpunkt der Durchsuchungsmaßnahmen wurde aus polizei- und ermittlungstaktischen Gesichtspunkten gewählt. Die Umsetzung der Maßnahmen zu einem früheren Zeitpunkt hätte den Ermittlungserfolg stark gefährdet“, erklärt van der Werp den späten Zugriff. Die Maßnahmen seien mit Unterstützung von Spezialkräften erfolgt.

„Im Zuge der Durchsuchungen konnten unter anderem Kommunikationsmittel sichergestellt werden. Diese werden jetzt zeitaufwendig von IT-Spezialisten ausgewertet. Ergebnisse daraus liegen der Ermittlungsgruppe derzeit noch nicht vor“, lässt die Polizei wissen. Die bisherigen Einlassungen eines Beschuldigten sollen Angaben zu Tatabläufen mit Täterwissen beinhalten, die die polizeiliche Verdachtslage bestätigen. Hinweise auf eine etwaige politische Motivlage wie Klimaschutz gebe es laut Polizei nicht.

Brand bei Alga in Sittensen
Die bislang letzte Tat: Beim Fahrzeughändler Alga in Sittensen sind in der Nacht zum Sonntag 25 Busse Opfer einer Brandstiftung geworden. © dpa

Auch wenn es vielleicht anders aussehen mag, die Polizeiinspektion Rotenburg hat den Angaben nach unter der Leitung der EG „Hohenesch“ für das vergangene Wochenende Sonderdienste eingerichtet und neuralgische Gefahrenstellen im Landkreis bestreift. „Hierbei ist zu bedenken, dass sich die Brandserie vom Süden des Landkreises bis in den Norden erstreckt“, so van der Werp. „Die Geschichte hat uns wirklich auf Trab gehalten“, sagt er. Nun habe die Polizei die Beweismittel beisammen und werte aus. Allerdings sei noch nichts bewiesen, es gelte die Unschuldsvermutung. Zu möglichen Motiven gibt es bislang keine Angaben.

Geschockt reagieren Feuerwehrleute auf die Nachricht, dass einer der Täter womöglich aus ihren Reihen stammt. „Man hat bei solchen Geschichten ja immer ein ungutes Gefühl“, sagt Kreisbrandmeister Peter Dettmer. Es sei schlimm, sollte sich der Verdacht bestätigen. Noch tun sich die Feuerwehrleute schwer, sich zum Fall zu äußern. „Scheiße, wenn es einer aus unseren Reihen sein sollte“, sagt Kreispressesprecher Tim Gerhard. „Das ist nicht das, was man sich als Feuerwehrmann wünscht.“ Dettmer sei mehr oder weniger sprachlos. „Ich kann es nicht nachvollziehen, warum Menschen so etwas tun. Sie müssen doch wissen, dass sie mit ihrem Handeln Kameraden und Dritte in höchste Gefahr bringen.“

Krankhafte Motive?

Die möglicherweise betroffenen Feuerwehren in Scheeßel und Rotenburg verweisen auf den pathologischen Aspekt der Taten. Pyromanie „ist eine Krankheit“, sagt Thomas Opitz, Sprecher der Feuerwehren in Scheeßel. Und leider auch eine, die man Betroffenen nicht ansehen könne. Rotenburgs Stadtbrandmeister Thorsten Reinsch: „Diese Leute brauchen Hilfe.“ Er glaube auch nicht, dass eine besondere Beobachtung und Vernehmungen der Verdächtigen durch die Polizei viel bringe. „Wenn jemand krank ist, lässt er sich von einer Tat nicht mit einer Befragung abbringen.“

Opitz sei nach erschrocken darüber, dass einer der Täter aus den Reihen der Brandschützer kommen soll. „Es ist sehr dramatisch, dass man den Leuten nicht helfen kann.“ Es stünde den Leuten nicht auf der Stirn. Sie könnten ja auch super engagiert sein. Auch Reinsch ist bestürzt, die Taten stünden den Grundsätzen der Feuerwehr zuwider. „Wir wollen helfen, nicht zu Tätern werden.“ Man sei betroffen, angefasst und hilf- und ratlos. Er spricht vom „Worst Case“ für die Feuerwehren, wenn die Brandstifter aus den eigenen Reihen kommen, setzt sich aber auch für eine Differenzierung des Klischees des ein. „Das passt überhaupt nicht, das lässt sich nicht mit den üblichen Verdächtigungen von früher in Einklang bringen.“ Typischerweise ginge es bei brandstiftenden Feuerwehrleuten ums eigene Hervorbringen vor Ort, die aktuellen Fälle seien dafür aber zu weit in der Fläche verstreut.

Chronologie

Die Zevener Zeitung, mit der in Kooperation diese Geschichte entstanden ist, hat eine ausführliche Chronologie der Ereignisse veröffentlicht.

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