Debatte um Umbenennung der Lent-Kaserne ist noch nicht abgeschlossen

Rotenburg - Von Michael Krüger. Entschieden wird in Berlin, aber der Wille vor Ort zählt. Den gilt es aber immer noch zu finden, wenn es um eine mögliche Umbenennung der Lent-Kaserne geht. Seit mehr als zwei Jahren wird darüber diskutiert.
Die Benennung nach dem Luftwaffenoffizier der Nazi-Zeit sei nicht mehr zeitgemäß, hatte das Bundesverteidigungsministerium einst gerügt. Das sei mittlerweile widerlegt, heißt es jetzt aus Reihen der CDU. Der Widerspruch folgt umgehend.
Kathrin Rösel hat mit Ursula von der Leyen gesprochen. Und das Gespräch zwischen der hiesigen Bundestagsabgeordneten und der Bundesverteidigungsministerin (beide CDU) habe zu klaren Festlegungen geführt. Erstens: „Die vor einigen Jahren gestartete Initiative zur möglichen Umbenennung der Kaserne beruhte auf der fälschlichen Einschätzung, dass es sich bei Helmut Lent um einen dem Nationalsozialismus nahestehenden Soldaten gehandelt habe.“
Und zweitens, Bezug nehmend unter anderem auf eine Petition des Rotenburger Stadtrats von Ende September: „Aus den Gutachten zur Vita von Helmut Lent und der Entscheidung des Rotenburger Stadtrats ergibt sich, dass der Name Lent-Kaserne beibehalten werden kann und dies auch dem Wunsch der Mehrheit vor Ort entspricht. An dieser wissenschaftlich und demokratisch fundierten Entscheidung hegt auch die Führung des Bundesverteidigungsministeriums in Berlin und die Bundeswehr vor Ort keine Zweifel.“ So Rösel in einer Mitteilung am Dienstag.
Rösels Wahlkreispartner in der großen Koalition, SPD-Bundestagsabgeordneter Lars Klingbeil, Mitglied im Verteidigungsausschuss, bleibt dagegen vorsichtiger. Er teilt mit: „Die Ministerin hat zugesagt, dass sie den Willensbildungsprozess vor Ort maßgeblich berücksichtigen wird. Ich gehe fest davon aus, dass Frau von der Leyen diese Zusage einhält. Ein offizieller Beschluss liegt nach meiner Kenntnis aber noch nicht vor.“ Tatsächlich ist der Meinungsbildungsprozess vor Ort nicht abgeschlossen.
Zuletzt hieß es, Anfang 2017 werde die Kaserne selbst eine Empfehlung ans Ministerium aussprechen. Die Soldaten, so ist zu vernehmen, sind zwiegespalten. Es habe bereits einen neuen Namen gegeben, doch die öffentliche Debatte in Stadt und Landkreis sei dazwischen gekommen. Ein „unglücklicher Prozess“, heißt es, zumal in einer Zeit mit der personellen Komplett-Erneuerung der Kaserne.
Das Ministerium gebe zwar die Richtlinien vor, überlasse die Entscheidung aber mehr oder weniger dem Personal vor Ort. Wälzt die Ministerin Verantwortung ab? Oberstleutnant Henning Loß hält sich bedeckt und verweist darauf, dass der Entscheidungsprozess „unverändert“ laufe. Vom Ministerium habe man keine Informationen vorliegen, dass dort ein abschließendes Urteil gefällt wurde.
Landrat Hermann Luttmann (CDU) „würde es begrüßen, wenn es bei dem Namen Lent-Kaserne bliebe“, beteuerte er am Dienstag. „Der Gutachter hat keinerlei belastbare Beweise gefunden, dass der seit 1941 mit einer Russin verheiratete Helmut Lent eine nationalsozialistische Gesinnung hatte. Indizien aus seinem familiären Umfeld sprechen vielmehr dafür, dass er im Gegenteil eher ein Gegner des Nazi-Regimes war.
Weiterhin hat der Gutachter keine Hinweise auf eine Beteiligung von Helmut Lent an Kriegsverbrechen oder nationalsozialistisch motivierten Gewaltverbrechen feststellen können“, so der Landrat weiter. Mit „einigem Wohlwollen“ könnte man sogar sagen, dass die Namensgebung der Kaserne auch heutigen Richtlinien der Bundeswehr entspricht. Luttmann: „Eine Änderung würde nur dazu führen, dass in weiten Teilen der Öffentlichkeit der falsche Eindruck entsteht beziehungsweise verfestigt wird, Helmut Lent sei ein Nazi gewesen. Das haben weder er noch seine Familie verdient.“
Alles so eindeutig? Am Mittwoch lässt das Nordwestradio das Thema im Rotenburger Ratssaal diskutieren. Dann wird auch Marc Andreßen dabei sein. Der Rotenburger Grünen-Politiker hat eine Petition für die Initiative „Helmut-Schmidt-Kaserne“ gestartet. Und er ist scharfer Kritiker der CDU-Positionen vor Ort und in Berlin. Denn Lent habe sich keinesfalls, wie es der Traditionserlass von 1982 verlange, „um Freiheit und Recht“ verdient gemacht.
Auch wenn die Benennung der Kaserne schon 1964 erfolgt sei, müsse sie mit heutigem Wissen hinterfragt werden. 2016 dürfe die Bundeswehr nicht auf Vorbilder der Wehrmacht zurückgreifen. Andreßen: „Von der Leyen fällt mit ihrer undifferenzierten Positionierung auch den Soldaten in den Rücken, die sich als Verantwortliche innerhalb der Bundeswehr gegen Binnenangriffe vom rechten Rand stemmen.“
Das sei ein „Skandal und es ist unverantwortlich“. Das Leitbild der Bundeswehr gerate in Gefahr: „Dass die Rotenburger Kaserne Dank der Unterstützung des Rates nun Sinnbild dieser Veränderung des Selbstverständnisses der Bundeswehr ist, ist bedauerlich – wie auch dass einige diesen Rückfall feiern mögen.“