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Von: Michael Krüger

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Die Zustimmung seiner Parteifreunde hat er sich geholt – nun steht ein Jahr Wahlkampf vor Marco Prietz (CDU), der Landrat im Kreis Rotenburg werden will.
Die Zustimmung seiner Parteifreunde hat er sich geholt – nun steht ein Jahr Wahlkampf vor Marco Prietz (CDU), der Landrat im Kreis Rotenburg werden will. © Krüger

Mulmshorn – „Das ist ein guter Moment, um berühmt zu werden“, sagt Marco Prietz, Gelächter im Saal. Auch die Frage an den 32-Jährigen, ob er denn die Wahl seiner gut 200 Parteifreunde vor Ort annehme, ist an diesem Freitagabend im Mulmshorner Heidejäger natürlich nur eine Formalität. Selbstverständlich nimmt er sie an, der Bremervörder will im kommenden Jahr Landrat im Kreis Rotenburg werden.

Die Corona-bedingten Formalitäten nehmen am Einlass etwas mehr Zeit in Anspruch, jeder muss sich in Listen eintragen, mit Klebeband sind auf dem Parkett Pfeile geklebt. Dort geht es lang. Für Marco Prietz geht es nach oben, zunächst ganz real: Der CDU-Kreistagsfraktionschef nimmt neben Kreisparteichef Marco Mohrmann und Ehrengast David McAllister auf der Bühne Platz, es gibt noch einige parteiinterne Programmpunkte abzuarbeiten, auch Formalitäten, bevor Prietz ans Rednerpult darf. So tippt er also ein paar Nachrichten ins Smartphone, winkt mal rüber an den Familientisch zu Frau und Sohn, versucht, die aufkommende Nervosität abzuarbeiten. Im Kreistag ist Prietz politisch immer dann für die Gegenseite brandgefährlich, wenn er spontan auf Vorwürfe reagiert oder in fachlich umstrittenen Fragen ans Rednerpult tritt und in ruhigem Ton Klarstellungen vertritt. An diesem Abend hält er sich aber weitgehend strikt an seine 18 Seiten Redemanuskript. Vor seinen christdemokratischen Freunden muss er „in die Bütt“, Prietz spannt inhaltlich einen weiten Bogen von Corona über seinen Lebenslauf bis hin zu konkreten Themen, die er als Landrat angehen will. Vier Punkte stehen für ihn im Mittelpunkt: der Ausbau der Wirtschaftsförderung, besseres Internet und besserer Mobilfunk sowie mehr Service für Bauwillige und Bürger insgesamt.

Prietz dankt auch Hermann Luttmann, der schon vor einem Jahr erklärt hatte, 2021 nach dann 15 Jahren als Landrat nicht wieder kandidieren zu wollen. Luttmann habe dieses Amt „erfolgreich und zu jeder Zeit verantwortungsbewusst“ ausgeübt. Bei unangenehmen Themen und in schwierigen Situationen habe er die richtigen Entscheidungen getroffen, auch wenn es dafür nicht nur Beifall gab. Nun aber will Prietz als Landrat entscheiden, und er möchte „mit frischem Blick von außen“ einiges anders machen, stellt er selbstbewusst klar. „Allein mit den Rezepten der Vergangenheit werden wir die Zukunft nicht gewinnen“, sagt er, „manches erscheint mir aus der Zeit gefallen, zu umständlich, zu langwierig und zu starr.“ Und mit Blick auf notwendige Erleichterungen bei der Genehmigung von Neubauvorhaben in den 200 kleinen und größeren Ortschaften im Kreis: „Etwas mehr Kreativität und etwas mehr Mut sollten wir uns gelegentlich einmal zutrauen.“ Digitaler, schneller, besser, moderner und bürgerfreundlicher müsse die Verwaltung werden. Luttmann nimmt diese Formulierungen in Richtung der aktuellen Kreishausarbeit am Ehrentisch mit verschränkten Armen zur Kenntnis, lächelt hier und da, genau wie ihm gegenüber Erster Kreisrat Torsten Lühring. Der hatte seine eigenen Ambitionen aufs Landratsamt im Januar begraben, als Prietz beim CDU-Neujahrsempfang mit seiner Willensbekundung vorgeprescht war. Zwei Gegenstimmen gibt es am Freitagabend von den Parteifreunden. 199 Ja-Stimmen lassen aber keine Zweifel an der parteiinternen Unterstützung aufkommen. 99 Prozent Zustimmung.

Kreisparteichef Marco Mohrmann attestiert Prietz eine „beeindruckende Vorstellung“, und auch der Ehrengast aus dem EU-Parlament und benachbarten Landkreis Kreis Cuxhaven, David McAllister, spricht in höchsten Tönen von einem, dessen Werdegang er von Beginn an mit großem Interesse verfolgt habe. Mit 14 in die Junge Union, Kommunalpolitiker in seiner Heimat Bremervörde, mit dem Einzug in den Kreistag 2016 gleich an erster Stelle der Mehrheitsgruppe. Dazu absolviert Prietz berufsbegleitend zwei Studiengänge in Verwaltungsbetriebswirtschaft und Kommunalem Verwaltungsmanagement, leitet heute das Amt für Kreisentwicklung im Osterholzer Kreishaus. McAllister schwärmt: „So einen Landratskandidaten wünscht sich manch anderer Landkreis auch.“ Prietz sei fest verwurzelt in der Region, habe ein beruflich stabiles Fundament und zeige „außerordentliches politisches Engagement in jungen Jahren“. Für den ehemaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten steht fest: Der Weg von Prietz könnte noch weiter führen als ins Rotenburger Kreishaus. Viele Christdemokraten auch außerhalb des Landkreises verfolgten diesen Aufstieg nach oben.

„Ich suche lieber im Hintergrund nach Lösungen, schmiede Kompromisse und denke in Ergebnissen und nicht in Schlagzeilen“, formuliert Prietz. Das erste Ergebnis hat er auf dem Weg an die Spitze der mehr als 1 000 Mitarbeiter zählenden Kreisbehörde erzielt. Im September 2021 wird gewählt, einen Gegenkandidaten gibt es bislang noch nicht. Allen demokratischen Parteien hat Prietz schon vorsorglich die volle Zusammenarbeit in Sachthemen zugesichert. Und er hat natürlich doch die Schlagzeile des Abends geliefert. So heißt es in seinem Text: „Unser Landkreis braucht einen neuen Landrat.“

Und die anderen?

„Ein Demokrat fürchtet keinen Wettbewerb“, heißt es in der Rede von Marco Prietz bei der CDU-Nominierungsversammlung am Freitag. Er biete allen Kreistagsparteien – bis auf Linke und AfD – „eine faire und partnerschaftliche Zusammenarbeit zum Wohle unseres Landkreises an“. Und das „vollkommen unabhängig davon, ob sie mich bei der Landratswahl im nächsten Jahr unterstützen oder Gegenkandidaten aufstellen“. Bislang ist jedenfalls kein solcher in Sicht. Prietz sei „für die CDU ein erfolgversprechender Kandidat“, sagt Hans-Jürgen Schnellrieder als Sprecher der Kreisgrünen. Die wollen bis Ende des Jahres ihren Vorschlag für die Landratswahl machen, möglicherweise schon bei der Mitgliederversammlung am 28. November. „Im Gespräch“ sei beim Kandidaten auch die Zusammenarbeit mit anderen Parteien. Die SPD betont, eine eigene Personalentscheidung zu treffen. Sei das geschehen, „werden wir schauen, ob andere Parteien sich dem Vorschlag anschließen können. In allererster Linie geht es nicht um Parteien, sondern um eine Person, die die richtigen Inhalte mit Leidenschaft und Überzeugung für die Menschen im Landkreis Rotenburg zur Umsetzung bringt“, so der Unterbezirksvorsitzende Klaus Manal. Zu Prietz wolle er sich nicht äußern: „Wir bewerten keine Kandidaten von anderen Parteien, dies ist Aufgabe der Wähler.“

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