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Wie schafft man 2G-plus?

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Von: Guido Menker

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Philipp Lennartz (l.) und Heiko Kehrstephan, Direktoren im Rotenburger Hotel „Landhaus Wachtelhof“
Philipp Lennartz (l.) und Heiko Kehrstephan, Direktoren im Rotenburger Hotel „Landhaus Wachtelhof“, bieten ihren Kunden überwachte Tests an. © Guido Menker

Und nun? Wer ins Restaurant oder zum Friseur will, braucht einen Coronatest. Aber Termine dafür gibt es kaum. Wie geht Rotenburg mit 2G-plus um?

Rotenburg – Betroffen sind die Gastronomen sowie die Anbieter nicht medizinischer, körpernaher Dienstleistungen: Ihre Kunden und Gäste dürfen zwar rein – aber nur auf Grundlage der 2G-plus-Regelung. Schon am ersten Tag wird dabei deutlich: Die Unternehmer suchen nach Lösungen – und sie bewegen sich dabei zwischen Kurzarbeit und kreativen Ideen.

Klar, Tests lassen sich am besten in einem Testzentrum vornehmen. Deren Zahl ist allerdings überschaubar in der Kreisstadt, und die Nachfrage ist so groß, dass es kaum noch zeitnahe Termine gibt. Nicht zuletzt deshalb nutzen viele Unternehmen die Möglichkeit, selbst an ihren Eingängen überwachte Tests für anzubieten. Das dürfen sie.

Tests auch direkt in Restaurants möglich

„Man muss nicht für jeden Restaurant-Besuch einen Termin beim Test-Zentrum buchen, wenn Betriebe eine entsprechende Testung unter Aufsicht anbieten“, so Bernd Wölbern, Landtagsabgeordneter der SPD. Es sei erlaubt, direkt vorm Besuch im Restaurant einen „Selbsttest unter Aufsicht“ durchzuführen.

Acht Euro kostet der überwachte Corona-Test vor dem am Eingang des Hotels „Landhaus Wachtelhof“ an der Gerberstraße in Rotenburg. Die beiden Direktoren Heiko Kehrstephan und Philipp Lennartz haben eine Test-Bude dafür platziert und servieren den Gästen, die auf das Ergebnis warten, einen Aprikosenpunsch. Wer ein eigenes Testkit mitbringt, zahlt fünf Euro für die Überwachung. Auch Friseur Ralf Wesseloh bietet seinen Kunden einen Test an – bei ihm kostet er 4,90 Euro.

Die Türen der gastronomischen Betriebe öffnen sich seit Mittwoch nur noch für Gäste, die die Voraussetzungen der 2G-plus-Regelungen erfüllen.
Die Türen der gastronomischen Betriebe öffnen sich seit Mittwoch nur noch für Gäste, die die Voraussetzungen der 2G-plus-Regelungen erfüllen. © Menker

Dabei weiß Wesseloh, dass sich der ganze Aufwand am Ende für ihn nicht rechnen wird: „Ich habe meinen Antrag auf Kurzarbeit bereits eingereicht.“ 13 Mitarbeiterinnen hat er. Zwar klingelt bei ihm im Laden permanent das Telefon, „aber die Gespräche enden nahezu komplett in Terminabsagen“.

Jan Maier, Wirt in „Schmidt’s Kneipe“ am Grafeler Damm, hat bereits die Reißleine gezogen, kurz bevor die neue 2G-plus-Regelung begonnen hat: „Aufgrund der aktuellen Ereignisse schließen wir die Schmidt’s Kneipe erst einmal wieder vorübergehend. Die 2G-plus-Regelung ist für uns leider logistisch nicht umsetzbar“, bestätigt der Gastronom auf Anfrage. Der zusätzliche Aufwand sei den Mitarbeitern nicht zuzumuten, und am Ende rechne sich der Aufwand wahrscheinlich nicht mehr, sagt er. Allein die Organisation der Tests vor dem Eingang sei schwierig.

Wer einen negativen Test gleich mitbringen möchte, braucht einen Termin in einem Testzentrum. Von Samstag an sind neben dem Standort an der Großen Straße auch die beiden weiteren des Apothekers René Große am Pferdemarkt sowie an der Verdener Straße wieder geöffnet. Um sicherzustellen, dass möglichst viele Menschen die Chance haben, einen der begehrten Termine zu erhalten, sei die Terminbuchung immer nur für kurze Zeiträume vorab möglich. Für die Große Straße sind es bis zu sechs Tage im Voraus, für die Verdener Straße nur ein Tag und für die Station im Rathaus am Pferdemarkt ebenfalls nur recht kurzfristig. „Wir tun, was wir können“, betont Große. Bundesweit bestehe das Problem, dass die Testkapazitäten nicht ausreichten.

Lockdown durch die Hintertür

Der komplette Testbedarf lasse sich nun einmal nicht decken, fügt der Apotheker hinzu. Er spricht von einem „Lockdown durch die Hintertür“ – und dazu gehöre nach wie vor der Appell, die Kontakte möglichst zu beschränken. „Das kommt aber nicht an, es ist den Menschen einfach nicht vermittelbar“, sagt Große. Nur so erklärten sich die zurzeit vielen Anfragen.

Beata Traue hofft darauf, dass sich ihre Gäste den Appetit nicht verderben lassen und somit dennoch ins Restaurant am Ahewald kommen. Sie wartet noch auf die Testkits, um diese den Gästen vor dem Eingang anbieten zu können. „Es gibt keine Probleme, nur Herausforderungen – wir meistern das“, sagt sie. Ob sie die Gäste für den Test zur Kasse bittet, wisse sie noch nicht. Fakt ist: Weihnachtsfeiern und andere Gesellschaften sind storniert. Das reguläre Geschäft werde zunächst nur abends laufen. Frühstück und Mittag biete sie nur noch mit Reservierungen für mindestens zehn Personen an.

Schlechte Information durch die Behörden

Hilfreich wäre es für alle, wenn die Gäste und Kunden ihre Testergebnisse mitbringen könnten. Der Landkreis bestätigt auf Anfrage eine weitere Genehmigung für ein Testzentrum. Wer aber dieses wo genau eröffnen will, ist nicht zu erfahren. „Datenschutz.“ In diesem Zusammenhang beklagt nicht nur Ralf Wesseloh den schlechten Informationsfluss: „Ich hätte gerne eine Anlaufstelle, über die sich alle Fragen klären lassen.“ Die Klarheit fehlt, die Übersicht – und irgendwie auch die Perspektive. Das sagen alle, die von der neuen Regel betroffen sind. Und Cornelia Gewiehs von der IG-Citymarketing zeigt sich soldarisch mit den Kollegen und beklagt: „Es geht wieder so los, wie vor einem Jahr. Und es trifft wieder mal die gleichen.“

Ein Kommentar von Guido Menker

Etwas mehr Fantasie, bitte!

Nix gelernt und die Hälfte wieder vergessen: So lässt sich wohl am besten zusammenfassen, was unsere Strategie im Kampf gegen die Pandemie auszeichnet. Wir alle haben aus den Fehlern eben nicht gelernt. Der Versuch, auch im vierten Anlauf vor die Corona-Welle zu gelangen, um sie zu brechen, scheitert kläglich. Doch selbst mit der Schadensbegrenzung kommen wir nicht wirklich voran. Verordnungen und Regelungen in einem schlimmen Deutsch, die am Ende helfen sollen, das Dilemma in den Griff zu bekommen. Und dann das: Mit der 2G-plus-Regel ist eigentlich ein täglicher Corona-Test erforderlich, will man auch nur halbwegs am normalen Leben teilnehmen. Testpflicht also. Dazu kommt, dass wir alle nach wie vor gebetsmühlenartig aufgefordert werden, uns impfen zu lassen. Richtig so! Aber: Es mangelt nicht nur an ausreichenden Testmöglichkeiten, sondern weil der Sommer ja so gut gelaufen ist, hat man inzwischen auch die Impfzentren – für zum Teil viel Geld aus dem Boden gestampft – abgewickelt, also dichtgemacht und zurückgebaut. Läuft!

Natürlich klagen die, die von der neuen Warnstufe direkt betroffen sind. Friseure und Wirte sowie Hoteliers also. Verständlich, dass sie die Nase gestrichen voll haben. Es geht wieder einmal um ihre Existenz. Sie bemängeln – und sie sind damit nicht die einzigen – außerdem den weiterhin schlechten Informationsfluss, die fehlende Transparenz. Sie brauchen und wünschen sich eine Anlaufstelle. Es wird alles zu viel für sie. Beispiele dafür, zu was das alles führen kann, gibt es reichlich. Eines hat sich erst am Mittwoch bei einer unserer Presseanfragen ergeben. „Ja“, heißt es aus dem Kreishaus, „am Dienstag ist eine weitere Genehmigung für ein Testzentrum in Rotenburg erteilt worden.“ Wer hat sie bekommen? Wann und wo wird das Center eröffnet? – Man erinnert an den Datenschutz. Der Betreiber werde ganz sicher bekannt geben, wann und wo es losgeht. Läuft!

Man darf also gespannt sein, wie es mit den Tests in den nächsten Tagen weitergeht. Aber wie wäre es damit, lieber Landkreis und liebe Stadt Rotenburg, etwas Fantasie zu entwickeln und in die Akquise einzusteigen, um neue Testmöglichkeiten zu schaffen. Für die Menschen. Das hat was mit Bürgerservice zu tun. Und der ist gefragt.

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