Tiny Houses auf dem Hartmannshof: 20 Quadratmeter eigenes Leben

Die Rotenburger Werke gehen mit Tiny Houses auf dem Hartmannshof neue Wege für ein selbstbestimteres Leben. Ein Vorbild für weitere Projekte.
Rotenburg – Sechs Kilometer von Rotenburg entfernt inmitten von Wäldern, Feldern, Wiesen und Weiden, abseits der alten Straße von der B 440 nach Kirchwalsede, steht seit 100 Jahren der Hartmannshof. Ein ungewöhnlicher Bauernhof, den die Rotenburger Werke mit ihrem zentralen Sitz in der Kreisstadt seit acht Jahren Schritt für Schritt in einen inklusiven Wohn-, Lebens- und Arbeitsort für Menschen mit und ohne Behinderungen umwandeln. Ein anspruchsvolles Gesamtprojekt, zu dem die Renovierung, der Um- und Ausbau bestehender Gebäude gehörte und in enger Kooperation mit dem Nabu Rotenburg die Einrichtung des Mitmach- und Erlebnisgartens zählte. Vorläufiger Abschluss der jüngsten Baumaßnahmen in Höhe von rund 1,5 Millionen Euro ist im Sommer kommenden Jahres.
Die ersten Häuser ihrer Art
Friedhelm Sager (61) freut sich als Leiter des Geschäftsfeldes Wohnen über die in diesen Tagen fertiggestellten und bezogenen Tiny Houses, eine Erweiterung der bestehenden Wohnangebote: „Es handelt sich dabei um die ersten Häuser dieser Art in Niedersachsen im Bereich Eingliederungshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung. Es geht darum, dass auch Menschen mit geistiger Behinderung eine Möglichkeit bekommen, allein in einer eigenen Wohnung zu leben.“
Als Zielgruppe, heißt es unter anderem in der Beschreibung, würden die Menschen gesehen, „die Freude daran haben, mitten in der Natur zu leben und die damit verbundene Ruhe als Bereicherung empfinden“. Das Angebot richte sich an Personen, die trotz ihres Betreuungsbedarfs in der besonderen Wohnform nicht in einer Wohngemeinschaft, sondern für sich leben möchten. Und so wird der Mehrwert für Bewohner beschrieben: größtmögliche Normalität durch eigene vier Wände, dazu unmittelbare Naturnähe. Die Bewohner der Tiny Houses werden durch Mitarbeiter der Werke begleitet. Ein ganz ähnliches Projekt soll übrigens im Kalandshof-Quartier entstehen.

Das Projekt „Wohnen auf dem Hartmannshof“ leitet Johannes König. Der 40-Jährige: „Die von einer großen Firma in den Niederlanden hergestellten Tiny Houses sind aus besonders widerstandsfähigem Lärchenholz hergestellt. Die in Hufeisenform platzierten Häuschen haben eine Wohnfläche von rund 20 Quadratmetern und sind in Holzständerbauweise gefertigt worden.“ Zum Wohnraum gehören eine Küche, Bad mit Dusche. Moderner Wohnkomfort: Fußbodenheizung, W-Lan, TV, Telefon, voll möbliert oder Ausstattung durch den Bewohner. Die Beheizung erfolgt mit Fernwärme aus der benachbarten Biogasanlage. Die acht Quadratmeter große Einzelterrasse mit Blick auf Wald und die Streuobstwiese kann nach eigenem Geschmack gestaltet werden.
Handwerker sind seit vielen Wochen ständig präsent auf dem Gelände des Hartmannshofs. Zur Zeit wird unter anderem das Hofcafé erweitert, um mehr Sitzmöglichkeiten für die steigende Zahl der Gäste zu schaffen. Die Arbeiten sollen im August abgeschlossen sein. Zu den Bauprojekten in 2023 und 2024 gehört weiter der Neubau des multifunktionalen Gemeinschaftshauses für Seniorentagesangebote, Ferienangebote für Jugendliche, Veranstaltungen und die Nabu-Station für Rotenburg mit ihrem Vorsitzenden Roland Meyer sowie seinen ehrenamtlichen Helfern, die seit Jahren in enger Verknüpfung mit dem Hartmannshof wirken.
Scheunenkonzert im Juli
Um aus dem Betätigungsspektrum der Menschen auf dem Hartmannshof noch einige Beispiele zu nennen: inklusive Ferienbetreuungsangebote für Kinder und Jugendliche, Biolandwirtschaft mit Gemüseproduktion und Tierhaltung. Weiterhin Arbeitsangebote in Betreuung, Pflege, Landwirtschaft und Gastronomie. Im Bereich Tourismus/Freizeit und Veranstaltungen im Jahresverlauf: Mitmach- und Erlebnisgarten des Kooperationspartners Nabu, das Scheunen-Sinfoniekonzert wird am 1. Juli stattfinden.
Im vergangenen Jahr hatte die niedersächsische Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) den Hartmannshof besucht, das Engagement der Mitarbeiter gewürdigt, die Einrichtung, in die die Werke selbst viel Geld stecken, als Vorzeigeprojekt bezeichnet und sich mit den Worten „Am liebsten würde ich den ganzen Tag bleiben“ verabschiedet.
Ehrliche Worte, eine höfliche Floskel, oder wird der Hartmannshof mit seinem Inklusionsanliegen von manchen Besuchern mit einem netten Aufenthalt im Grünen verwechselt? Friedhelm Sager: „Die Menschen, die auf dem Hartmannshof leben, sind hier sehr gerne und genießen die Vielfältigkeit auch im Zusammenhang mit den Begegnungen, die sie mit den Besuchern haben.“ Sein Kollege, Bereichsleiter Hendrik Wachowski (51), stimmt ihm zu.